Eine Brotmanufaktur in Hildesheim mit einem besonderen Namen
Nikolaus, das Brot und Hildesheim
Der „Herr von Myra“: In diesen Tagen ist er wieder besonders präsent, nicht nur auf dem Weihnachtsmarkt. Alle kennen ihn, aber nicht unter diesem Namen, sondern als der heilige Nikolaus von Myra.
Nach dem heiligen Nikolaus ist die „Brotmanufaktur“ in der Hildesheimer Rathausstraße benannt, und das Firmenlogo zeigt den Heiligen, wie er nach ostkirchlicher Tradition dargestellt wird: als Bischof ohne Mitra, mit bischöflichem Gewand und einer um die Schultern geschlungenen Stola, die mit schwarzen Kreuzen geschmückt ist und die Herde Christi symbolisiert, deren Hirte Nikolaus ist. Er ist einer der populärsten Heiligen überhaupt, auch wenn er kaum mehr unter dem Weihnachtsmann-Kostüm zu erkennen ist.
Man weiß wenig über den historischen Nikolaus. Er war wohl im 4. Jahrhundert Bischof in Myra, der Hauptstadt der Provinz Lykien im südlichen Kleinasien in der heutigen Türkei. Kern und womöglich historischer Ausgangspunkt seiner Verehrung war die Errettung von drei Feldherren des Kaisers aus der Haft im fernen Byzanz, die sich im Traum an ihn gewandt hatten. Zu den großen und immer wieder geschilderten und besungenen Legenden gehört auch das sogenannte Kornwunder: Während einer großen Hungersnot in Lykien erfährt der Bischof von Myra, dass im nahen Hafen Schiffe mit Korn angelangt sind, das allerdings zum Weitertransport bestimmt ist. Nikolaus beschwört die Schiffsbesatzung um Korn für die Hungernden und garantiert, dass ihnen daraus kein Schaden entstehen soll. Tatsächlich fehlt später an dem Korn nichts, als die Schiffe in Konstantinopel anlanden. Das von Nikolaus ausgegebene Korn reicht für zwei Jahre und stillt die Hungersnot. Ein Wunder wie jenes von der Brotvermehrung Jesu.
Nikolaus wurde und ist Patron in zahlreichen Anliegen: Die Kornwunderlegende ließ vor allem die Kaufleute und Bäcker zu Nikolaus rufen. Und auch die Armen – denn vielerorts wurden die Armen, sowohl die sesshaften wie die herumvagabundierenden, an seinem Festtag mit Brot gespeist. Überhaupt Brot: Der Nikolaustag hat wie kaum ein anderer zu besonderen Gebäcksorten geführt, die an den heiligen Mann erinnern sollten und so den Inhalt des Festes ein Stück weit in den Alltag transportierten. Da wären vor allem die „Weckmänner“ oder „Stutenkerle“ zu nennen, Hefeteig-Männchen mit Pfeife im Arm, die einen missgedeuteten Bischofsstab darstellen sollen („Gebildbrot“). Und natürlich die Spekulatius-Kekse, die den „episcopus speculator“, den alles im Blick habenden Bischof, zeigen.
Eine für die Entwicklung der Brauchformen rund um den heiligen Nikolaus wichtigste Legende entstand relativ spät in Westeuropa. Ihre älteste bekannte Version findet sich in der Hildesheimer Handschrift „Liber sancti Godehardi“, die ins frühe 12. Jahrhundert gehört: Drei wandernde Scholaren werden in einem einsam gelegenen Wirtshaus, wo sie Quartier nahmen, von dem habgierigen Wirt ermordet. Der heilige Nikolaus, der in Gestalt eines Bettlers vorbeikommt, deckt jedoch das Verbrechen auf und bittet Gott um Wiedererweckung der drei ermordeten Schüler zum Leben, was auch geschieht.
Die bildliche Darstellung nimmt das Thema dankbar auf: Das Motiv des Heiligen mit drei Kindern in einem Fass wird geradezu zum idealtypischen Standardbild des Bischofs von Myra – es findet sich auch am alten „Hospital St. Nicolai“ in Hildesheim (Godehardsplatz 9 – heute das Krankenpflege-Ausbildungszentrum des Bernwardkrankenhauses). Nikolaus wurde zum Patron der Schüler und Studenten, zum „Kinderfreund“; es gab den Brauch des „Kinderbischofs“, der in den Klosterschulen am Nikolaustag die Lehrer examinierte …
Die mutmaßlichen Gebeine des Bischofs Nikolaus wurden im 11. Jahrhundert von Kaufleuten aus dem süditalienischen Bari geraubt und in die eigene Stadt gebracht. Über diese Gebeine wurde eine Basilika errichtet, deren Bau sich allerdings hinzog. Erst 1197 konnte Bischof Konrad von Hildesheim, der Kanzler Heinrichs VI. und dessen Vertreter im sizilischen Reich, die Nikolauskirche konsekrieren. In der Schatzkammer der Basilika werden die Reste des Holzfasses aufbewahrt, in denen die Reliquien einst nach Bari gelangten. 800 Jahre später, 1997 weilte sein Nachfolger, Bischof Josef Homeyer zu den Feierlichkeiten des Gedächtnisses in Bari.
Guido Fuchs