Arbeitsmigranten

Oft Monate von der Familie getrennt

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Parken an A2

Das Thema Arbeitsmigration aus Osteuropa steht im Mittelpunkt der Renovabis-Aktion. Um nicht nur über Arbeitsmigration zu reden, sind Vertreter des Hilfswerkes und des Bistums Hildesheim auf dem Rastplatz Zweidorfer Holz an der Autobahn 2 bei Braunschweig mit Betroffenen zusammengekommen.

 

Der Kessel dampft, die Suppe ist heiß. Franziska Kandora vom Kolpingwerk Hildesheim ist mit ihrem Team angerückt, um an der Autobahn-Raststätte Zweidorfer Holz bei Braunschweig für Lkw-Fahrer zu kochen.

Markus Korte ist einer der Ers­ten, der sich am kleinen Stehtisch neben dem Pavillon des Kolpingwerks eine Portion schmecken lässt. Der 50-jährige Lkw-Fahrer aus Herne macht hier am Mittwoch vor Christi Himmelfahrt seine nächtliche Pause.

In seinem Beruf ist er viel unterwegs. Manchmal schläft er nachts im Lkw, und seine Tage sind oft mehr als stressig. Und doch geht es Korte mit seinen Arbeitsbedingungen weitaus besser als vielen seiner osteuropäischen Kollegen, die an diesem Tag ebenfalls auf dem Rasthof stehen – und denen die Suppenaktion und die dazugehörige Kampagne des katholischen Osteuropa-Hilfswerks eigentlich gewidmet sind. 

Deren Motto „Sie fehlen immer. Irgendwo.“ greift diese Arbeitsbedingungen auf – denen die zahllosen Lkw-Fahrer aus dem Osten Europas oft ausgeliefert sind – unter großem Termindruck und unterbezahlt, monatelang fern ihrer Heimat fahren sie Güter von A nach B. Und sie fehlen – einerseits der Volkswirtschaft ihrer Heimatländer. Andererseits, was für die Fahrer persönlich sehr viel belastender ist, ihren Familien. 

Um ihnen seinen Segen zu spenden und danke zu sagen dafür, dass sie einen „ungeheuren Knochen-Job“ machen, ist auch Bischof Heiner Wilmer gekommen. Für ihn ist die Initiative von Renovabis sehr wichtig, denn sie drückt die Solidarität mit den Menschen aus.

Seinen Dank richtet der Bischof auch an die Polizei, vertreten durch den Braunschweiger Polizeipräsidenten Michael Pientka, die Malteser Hildesheim und das Kolpingwerk Hildesheim. Sie alle tragen ihren Teil zu dieser Aktion bei. 

Wilmer kritisiert die schlechten Arbeitsbedingungen und die geringe Bezahlung der Fahrer aus dem Osten. „Es kann nicht sein, dass schwere, anstrengende Arbeit mit schlechtem Lohn bezahlt wird.“ Angesichts der skandalösen Zustände und der zum Teil ausbeuterischen Praktiken in diesem Bereich, spricht der Bischof sogar von moderner Sklaverei.

„Das sind harte Worte, aber manchmal muss man das Kind auch beim Namen nennen“, so Wilmer.

Es gibt viel zu wenig Parkplätze

Wie ist die Situation der Fahrer wirklich? Deren allabendlicher Wahnsinn beginnt allein schon mit der Parkplatzsuche auf einem Rasthof. Lkw-Stellplätze sind auf deutschen Rasthöfen Mangelware. So auch hier an der Raststätte Zweidorfer Holz. Bereits am späten Nachmittag sind alle ordentlichen Parkboxen für die Brummis belegt. Die langen Sattelschlepper stehen schon in den Fahrspuren und in der Auf- und Ausfahrt der Rastanlage. 

Während der eine oder andere Trucker noch irgendeine Abstellmöglichkeit für seinen Laster sucht, versammeln sich vor der aufgebauten Bühne weitere neugierige Fahrer, um zu schauen, was denn hier los ist.

Einer von ihnen ist der 48-jährige Pawlo Odrykowski aus Cherson in der Ukraine. Er fährt jetzt seit 15 Monaten im Lkw durch Europa, ohne in dieser Zeit seine Familie gesehen zu haben. Er wirkt müde, sein Lächeln aufgesetzt, während er einer Dolmetscherin seine Geschichte erzählt. 

Die Familie, Frau, Tochter und Schwiegermutter, sei im vergangenen Frühjahr von russischen Soldaten verschleppt worden. Sie müssen nun auf dem vom russischen Militär besetzten östlichen Ufer des Dnepr leben. Kontakt halten kann Pawlo nur über das Handy. Aber auch nicht oft, denn die Verbindung sei einfach miserabel. Geblieben ist ihm lediglich ein zerknittertes Foto von den Dreien.

Ähnlich wie Pawlo geht es auch dem 38-jährigen Andrej Hordienko. Er kommt ebenfalls aus Cherson. Losgefahren ist er mit seinem Laster am Tag vor Kriegsbeginn. Danach sei er nicht mehr in seiner Heimatstadt gewesen. Zum Glück konnte seine Frau mit der fünfjährigen Tochter vor den russischen Angreifern nach Litauen fliehen, erzählt er. Dort gehe es ihnen zwar gut, aber gesehen habe er sie seit Ausbruch des Krieges auch nicht.

Pawlo und Andrej arbeiten für eine polnische Spedition und leben seit Beginn des Krieges in ihren Lkw. Ein anderes Zuhause haben sie zurzeit nicht. 

Zwei Schicksale, die den Bischof sehr berühren. Geduldig hört er zu, während Pawlo  über seinen Arbeitslohn spricht. Den bekomme er nämlich in der ukrainischen Währung, der Hrywnja, und nicht in Euro, was die Höhe der Vergütung zusätzlich schmälert. Westeuropa ist teuer.

Und hier hakt der Bischof wieder ein. Bei der Pfingstaktion von Renovabis gehe es insbesondere auch um die Gerechtigkeit. „Eine Welt in der es nicht gerecht zugeht, kann nicht in Frieden leben. Gerechtigkeit und Frieden gehören zusammen.“

Geistliche repräsentieren viele Länder 

Inzwischen versammeln sich immer mehr Menschen vor aber auch auf der Bühne. Es geht daran, den Segen zu spenden. Von der ukrainischen Gemeinde Hannover ist Pfarrer Roman Maksymtsiv gekommen. Die polnische Mission Braunschweig wird durch Henryk Wieczorek vertreten. Pfarrer Tomislav Kolar spricht für die kroatische Mission Braunschweig/Göttingen, und Pastor Rein Ouna­puu vertritt die estnische, finnische, russische und polnische Seite. Nach der gemeinsamen Fürbitte spendet Bischof Wilmer seinen Segen.

Während das Marsyas Duo, Dragan Ribic und Ruben Staub, noch einige Lieder spielt, lassen sich die Fahrer den Rest der Suppe schmecken. 

Beeindruckt von dem Respekt, der ihnen hier mit dieser Aktion entgegengebracht wird, sind auch Suleyman Nasar und Tassi Thaayyil. Sie kommen aus einer kleinen Stadt im indischen Bundesstaat Kerala. Beide sind als Lkw-Fahrer bei einer polnischen Firma angestellt und sehen ihre Familien nur im Urlaub. Einmal im Jahr, für vier Wochen. 

 

Die Renovabis-Pfingstaktion endet am Pfingstsonntag (28. Mai) um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst im Hildesheimer Dom. Zelebran-ten sind Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger und Renovabis-
Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz. 


 

Waldemar Lorenz