Wie zwei junge Jesuiten sich senden lassen
Ohne Geld. Mit guten Schuhen
Was für eine seltsame Idee Jesu: Seine Jünger auszusenden ohne Geld, ohne Schuhe, ohne Vorratstasche, aber mit viel Gottvertrauen. Und doch kann es gelingen, sogar heute noch, wie zwei junge Jesuiten erlebt haben.
Von Susanne Haverkamp
Lukas Kraus und Donatas Kuzmickas waren im ersten Jahr ihres Noviziats bei den Jesuiten in Nürnberg, als sie mit einem Experiment konfrontiert wurden. „Es heißt das Armuts- und Pilgerexperiment“, sagt Lukas Kraus. Schon der Ordensgründer, der heilige Ignatius von Loyola, hatte es in seine Ordensregel geschrieben. „Einen Monat lang sollen die Brüder zu zweit losziehen und allein auf Gott vertrauen.“
Und so machten sich auch Lukas Kraus und Donatas Kuzmickas auf – im Juni 2017 war das –, um vier Wochen lang zu Fuß unterwegs zu sein. Startpunkt war das Noviziatshaus in Nürnberg, Ziel der Pilgerreise díe Niederlassung der Jesuiten in Wien. Rund 625 Kilometer.
„Endlich machen wir etwas Radikales“
„Als wir uns vorbereitet haben, haben wir auch über diese Stelle im Lukasevangelium nachgedacht“, sagt Kraus. „Esst und trinkt, was man euch anbietet – wie mag das werden?“ Er selbst sei zwar schon einmal ohne Plan einfach losgezogen – aber mit Geld in der Tasche: „Ich war schon skeptisch, ob das funktioniert.“ Donatas Kuzmickas erinnert sich vor allem an die Vorfreude. „Ich habe gedacht: Endlich machen wir mal etwas Radikales“, sagt er und lacht. „Etwas, bei dem wir Gottvertrauen wirklich ernstnehmen müssen.“
Dabei war Essen und Trinken das geringste Problem. „Eher schon, dass wir die Scham überwinden mussten, nach Essen zu fragen“, sagt Kraus. Und nicht zu wissen, wann es das nächste gibt. „Manchmal haben wir überlegt, ob wir dieses Brot oder das Ei noch essen oder besser aufsparen sollen“, sagt Kuzmickas. „Wir haben immer in einer gewissen Ungewissheit gelebt.“
Schwieriger war es, Übernachtungsplätze zu finden. „Wenn wir dachten: Jetzt ist mal Zeit, mit der Suche zu beginnen, sind wir im nächsten Ort erst einmal zum Gebet in die Kirche gegangen“, sagt Kraus. Oft hätten sie dort schon jemanden getroffen, den sie nach einem Quartier fragen konnten. „Und manchmal hat derjenige uns auch schon aufgenommen.“
Natürlich habe es auch Absagen gegeben. „Das verstehe ich auch“, sagt Kraus, „da kommen zwei junge Männer aus dem Wald und fragen nach einem Bett, da wäre ich auch skeptisch gewesen.“ Umso mehr sei er von dem „spontanen Vertrauen“ überwältigt gewesen, das ihnen entgegengebracht wurde. „Und von der Großzügigkeit“, ergänzt Donatas Kuzmickas.
Mit völlig Fremden den Glauben geteilt
Mit Geld konnten sie diese Großzügigkeit nicht beantworten. Womit dann? „Wir haben zugehört“, sagt Kuzmickas. Denn nomalerweise hätten sie mit ihren Gastgebern zusammen Abendbrot gegessen. „Und dann haben uns viele von sich erzählt, ihre Lebensgeschichte, auch über ihren Glauben. Wir waren von der Offenheit der Menschen überrascht.“
Anders als die Jünger, die Jesus im Evangelium aussendet, waren die jungen Jesuiten aber nicht als Missionare unterwegs. „Meist haben uns Menschen beherbergt, denen der Glaube wirklich etwas bedeutet“, sagt Lukas Kraus. Ihn habe es berührt, mit völlig Fremden den Glauben zu teilen. „Wir haben mit Leuten gebetet, die wir vor einer halben Stunde noch nicht kannten“, sagt er.
Ein paar Mal hätten die beiden auch in einem Kloster übernachtet. „Besonders dann, wenn wir mal einen Tag eine Pause brauchten“, sagt Donatas Kuzmickas. Denn die Pilgerwanderung habe sie manchmal körperlich an ihre Grenzen geführt. „Da tat es gut, mal in einem Kloster einen Tag ausruhen zu können“, sagt er. Und außerdem sei es spannend gewesen, andere Klöster und Orden kennenzulernen. „Die Ordensleute waren alle sehr nett zu uns. Aber mich haben die Erfahrungen noch einmal bestätigt, den richtigen Orden gewählt zu haben.“
Zu zweit unterwegs ist doppelt gut
Jesus hat im Evangelium die Jünger zu zweit ausgesandt, und auch die jungen Jesuiten waren zu zweit unterwegs. Hilfreich fanden das beide. „Allein kannst du vielleicht schneller gehen, aber nicht so weit“, sagt Donatas Kuzmickas. Die vier Wochen waren schließlich kein Spaziergang. „Manchmal waren wir emotional und körperlich am Ende.“ Da tat es gut, wenn einer den anderen stützen konnte, selbst wenn es mal untereinander zu Meinungsverschiedenheiten kam. „Wir haben jeden Morgen einen Rückblick auf den vergangenen Tag gemacht; uns gefragt, warum etwas gut oder nicht so gut gelaufen ist. Das war sehr heilsam.“
Überhaupt, sagt Lukas Kraus, sei die Aussendung zu zweit „typisch jesuitisch“. „In unserem Orden hat das Tradition“, sagt er. „Dieselbe Situation aus zwei Perspektiven zu sehen, das ist ein riesiger Vorteil, um zu den richtigen Entscheidungen zu kommen.“ Und das gelte nicht nur für das Armuts- und Pilgerexperiment. „Dem Ideal nach sind Jesuiten keine Einzelkämpfer“, sagt Kraus.
Eine Erfahrung für das ganze Leben
Und was haben die beiden nun mitgenommen von ihrer vierwöchigen Wanderschaft? „Die Nähe Gottes“, sagt Donatas Kuzmickas. „Auf der Wanderung konnte ich spüren: Egal, ob es mir gut geht oder ich gerade am Boden bin – Gott begleitet mich.“ Lukas Kraus denkt, dass er mutiger geworden ist: „Bei mir ist das Vertrauen gestärkt worden. Es fällt mir jetzt leichter, einfach mal etwas zu riskieren, was ich vorher noch nie gemacht habe. Mehr zu wagen, aus vollem Herzen zu geben.“
Wenn die beiden jetzt dieses Evangelium im Gottesdienst hören, werden sie immer wieder an diese Erfahrungen erinnert. „Es ist konkreter geworden“, sagt Lukas Kraus. „Vorher habe ich gedacht: Naja, das war früher zur Zeit Jesu, Wanderprediger und so; und außerdem muss man solche Texte bildlich sehen. Aber jetzt weiß ich, dass man sie auch buchstäblich leben kann.“
Zumindest fast buchstäblich. Denn die Anweisung Jesu „Nehmt keine Schuhe mit“, die haben die beiden dann doch ignoriert. „Jesus war noch radikaler, aber für uns waren gute Schuhe extrem wichtig“, sagt Donatas Kuzmickas. Einmal, als ihnen jemand Geld geben wollte und sie nicht ablehnen konnten, ohne unhöflich zu sein, haben sie sogar neue Einlagen für ihre Schuhe gekauft. „Geld ist ja nicht prinzipiell schlecht“, sagt Lukas Kraus und lacht. „Nur ist Geld ein Mittel, um damit etwas Vernünftiges anzufangen, es ist nicht das Ziel. Das sollte man ganz nüchtern unterscheiden.“