Der zukünftige Bischof auf Pilgertour
Pater Wilmer erobert die Herzen der Jugend
Zwei Tage, zwei Pilgerwege und vier weitere folgen noch: Mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist Pater Dr. Heiner Wilmer im Bistum unterwegs.
Ob wie jetzt am Steinhuder Meer oder in Lüneburg, der zukünftige Bischof von Hildesheim will erfahren, welche Themen den jungen Menschen in der Kirche wichtig sind, welche Schwerpunkte er bei seinem neuen Amt setzen soll und was sie ihm auf den Weg mitgeben wollen.
Es ist Samstag und windig am Steinhuder Meer. Der Himmel ist bedeckt. Windstärke vier. Da passt der Bibeltext vom Sturm auf dem See vom Evangelisten Markus. Er begleitet diesen Tag die knapp sechzig Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit Pater Dr. Heiner Wilmer unterwegs sind.
Start der Pilgertour ist die St.-Hedwig-Kirche in Steinhude. Diözesanjugendseelsorger Pfarrer Andreas Braun begrüßt alle Teilnehmer. In einem kurzen geistlichen Impuls zusammen mit dem Pfarrer der Gemeinde Andreas Körner stellen sie diesen Tag unter den Segen Gottes.
Die Gruppe macht sich auf den Weg, denkt in einer Art Emmausgangin Kleingruppen über den Bibeltext nach. Tauscht sich aus. Mittendrin Pater Wilmer. Er lebt diesen Tag mit, wie er sagt, „als Hörender, als ganz normaler Pilger“. Er denkt zusammen mit den jungen Christen über das Evangelium nach. Hört sich ihre Überlegungen dazu an, gibt seine mit hinein.
An der Seeterrasse warten schon zwei Boote auf die Pilger. In den so genannten „Auswanderern“ fahren sie quer über den größten niedersächsischen Binnensee. Eine Gruppe Ministrantenleiter aus Mellendorf, Burgwedel und Langenhagen legt den Weg mit eigenen Booten zurück.
Am Anleger bei der Jugendherberge Mardorf angekommen, geht es zu Fuß weiter. Noch immer steht der Text vom Sturm auf dem See im Mittelpunkt, die Frage nach Glaubensstärke und Vertrauen.
Aber Pater Wilmer will die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch persönlich kennenlernen, fragt nach Namen, möchte wissen wo sie herkommen. Lea und Lena sind schon seit der Grundschulzeit in Wunstorf Freundinnen. Lea geht auf die Sankt Ursula-Schule in Hannover, Lena auf das Hölty Gymnasium in Wunstorf. „Und wo geht ihr zur Schule“, fragt Wilmer Jonas und Sarah. „Aufs Josephinum in Hildesheim“, erklären die beiden Geschwister. „Dann sind wir ja Nachbarn am Domhof“, freut sich der Pater.
Immer wieder wechselt er zu anderen Kleingruppen, nutzt Pausen, um mit möglichst vielen zu sprechen. Die jungen Leute, die heute bei der Tour mitgehen, kommen vor allem aus der Gegend rund um das Steinhuder Meer sowie aus der Region Hannover, Hildesheim. Sie sind Schüler, Studenten oder Berufsanfänger – und viele von ihnen sind in der Kirche aktiv als Messdiener, Pfadfinder, engagieren sich in der Malteserjugend oder sonst irgendwie in ihrer Kirchengemeinde.
Der zukünftige Bischof hört interessiert zu, was sie ihm erzählen, versucht Fragen zu beantworten, nach Strukturveränderung, Glaubensfragen, Fragen rund um das Bischofsamt, wie er betet, wie er glaubt. Sie schildern ihm ihre Anfragen an die Kirche. Lea und Lena wollen wissen: „Kann Gott die Hölle erschaffen haben?“ Pater Wilmer sagt hinterher: „Da musste ich doch erst einmal ein bisschen drüber nachdenken.“
Die Gespräche sind zum Teil sehr persönlich und intensiv. Aber es gibt auch die Zeit für kleine Anekdoten und „Späßken“. Doch meistens kreisen die Gespräche um Glauben und Kirche.
Auf dem Weg zeigt sich Pater Wilmer medienerprobt. Ein Kamerateam von RTL-Nord begleitet ihn und die jungen Pilger. Gleich mehrmals steht er vor laufender Kamera Rede und Antwort.
Mittagspause: Die Neustädter Pfadfinder haben einen warmen Snack vorbereitet, reichen Obst und Getränke. Danach, auf den restlichen Kilometern bis Rehburg, formulieren die Pilger Bitten, Wünsche, Ratschläge und Erwartungen an ihren neuen Bischof, die sie dann im Abschlussgottesdienst vorstellen und Pater Wilmer schriftlich mitgeben: Er soll die Jugend, die jungen Menschen im Blick behalten, veraltete Strukturen aufbrechen, kurz, verständlich und interessant predigen. Und in einer der kurzen Statements heißt es: „Verkünden Sie die frohe Botschaft, das Evangelium, begeistern Sie die Menschen für Jesus, für den Glauben.“
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind begeistert von Pater Wilmer. Seine offene, aufgeschlossene Art kommt bei ihnen an. Lea und Lena, die beiden 16-jährigen Freundinnen waren sehr zufrieden mit den Antworten des zukünftigen Bischofs. „Es war eine große Chance, einmal etwas anderes zu hören, als vom Pfarrer vor Ort. Er hat super geantwortet. Er wird ein guter Bischof“, davon sind beide überzeugt.
Im Gottesdienst zusammen mit der Gemeinde in St. Marien in Rehburg-Loccum bedankt sich Pater Heiner Wilmer bei den jungen Pilgern für die vielen offenen Worte, die gut gemeinten Wünsche, das zugesagte Gebet. Er ist sich sicher: „Mit diesen jungen Menschen kann man etwas im Bistum Hildesheim bewegen.“
Am Ende des Gottesdienstes lädt der zukünftige Bischof Heiner alle ein: „Ich wünsche mir, dass ihr alle zu meiner Bischofsweihe nach Hildesheim kommt. Es ist ein Fest des ganzen Bistums. Bringt eure Großeltern, Eltern und Geschwister mit. Ich würde mich freuen, euch hinterher beim Fest der Begegnung auf dem Domhof alle wieder zu treffen.“
Am nächsten Tag: Pilgertour in Lüneburg
Gleich am kommenden Tag, am Sonntagvormittag ist die zweite Pilgertour mit Pater Wilmer. Start und Ziel die St. Marien-Kirche in Lüneburg. Wie in Steinhude sind es auch heute wieder rund sechzig Jugendliche und junge Erwachsene, darunter Ministranten, Pfadfinder und Kolpingjugend. Waren es gestern rund elf Kilometer, die die Teilnehmer zurückgelegt haben – plus der Bootsfahrt –, sind es heute 14 Kilometer.
Der Rundweg führt die Pilger durch eine Kleingartenanlage, an der Ilmenau entlang, durch das Naherholungsgebiet „Tiergarten“ und wieder zurück nach St. Marien. Dort endet der Weg mit einem Gottesdienst und einem gemeinsamen Abendessen.
Unterwegs fragen etliche Spaziergänger die Gruppe neugierig nach dem Grund ihrer Wanderung. Mit leichtem Gepäck und freudig angeregt ins Gespräch vertieft, sind die Pilger für eine Schulklasse zu zahlreich und für eine Studentengruppe nicht alt genug.
Vorbereitet von den Ministrantenleitern aus St. Marien – gemeinsam mit Dechant Carsten Menges und Diakon Martin Blankenburg – ist dies kein gewöhnlicher Tag. Die jungen Leute aus Lüneburg, Hildesheim, Hannover, Braunschweig und Gifhorn nutzen auch hier die Gelegenheit, ihrem zukünftigen Bischof Tipps und Ratschläge für sein Amt mit auf den Weg zu geben.
„Wie stellt ihr euch künftig Kirche vor? Was soll im Bistum Hildesheim passieren? Wie kann ich als künftiger Bischof glauben, wie soll ich beten? Welche Schwerpunkte soll ich eurer Meinung nach setzen? Wie soll ich Bischof für euch sein?“, fragt Pater Wilmer bei der Andacht zu Beginn der Pilgertour. „Alles ist erlaubt, alles ist möglich“, gibt er ihnen noch mit auf den Weg.
In kleinen Gruppen ziehen sie durch die Stadt in Richtung Ilmenau. Pater Wilmer wird dem Team „8“ zugelost. Die Jugendlichen marschieren und diskutieren. Nach kurzem Haltepunkt am Schöpfungswald fordert Blankenburg die Jugendlichen auf, die Gruppen neu durchzumischen. Pater Wilmer wurde einer anderen Gruppe zugeordnet. Die Schrittgeschwindigkeit sinkt. Man merkt deutlich, die Gespräche werden intensiver, es geht ans Eingemachte.
Es gab auch Zeiten ohne Kirche
Einige Jugendliche sprechen ganz offen über Zeiten, in denen sie nicht so gerne zur Kirche gegangen sind. Als Grund nannte ein junger Erwachsener, dass er herausfinden wollte, ob er nur seinen Eltern zuliebe zum Gottesdienst geht oder aus eigener Überzeugung. Simon aus Lüneburg hatte auch so eine Phase: „In Zeiten, in denen ich gar keinen Bock hatte, morgens aufzustehen und in die Kirche zu gehen, hätte ich trotzdem die Frage, ob ich glaube, ob es einen Gott gibt, eindeutig mit Ja beantwortet.”
Pater Wilmer spricht sehr persönlich mit den Jugendlichen, hört ihnen zu. Man spürt, dass es um ernste Themen geht, trotzdem kommt das Lachen nicht zu kurz. Beim Austausch in einer größeren Runde setzt sich der künftige Bischof ganz selbstverständlich in den Kreis der Jugendlichen.
„Selbstliebe ist nichts Schlimmes. Du kannst ja nur für andere stark sein und helfen, wenn du dich auch um dich selbst kümmerst“, betont eine Jugendliche aus Bad Fallingbostel bei der Diskussion in ihrem Sitzkreis. Hier geht es um Hilfsbereitschaft und den Umgang mit anderen in der Gesellschaft. Das Gespräch ist sehr differenziert. Simon aus Lüneburg sieht das ähnlich, nur halt andersherum: „Ich hab erst mal so gedacht, dass man den Blick für die anderen nicht vergessen soll. Es ist wichtig eine Balance zu halten auf sich selbst zu schauen und für die anderen da zu sein.“
So offen und ernsthaft wie Pater Wilmer, der Herz-Jesu-Priester, der aus dem Emsland stammt, mit den Jugendlichen umgeht, so offen und mutig sind viele Ratschläge und Wünsche der Jugendlichen, die sie ihm von Lüneburg aus mit auf den Weg nach Hildesheim geben. Herausfordernd wünscht sich ein Pfadfinder von Pater Wilmer, „eine freie und unverkrampfte Predigt, denn es handelt sich ja um die frohe Botschaft“. In seiner lockeren, humorvollen und schlagfertigen Art kontert Wilmer: „Beim Anpfiff als neuer Bischof gibt es ein offizielles Motto. Es lautet: Wir sind Gehilfen zur Freude. Aber das geheime Motto lautet: Spaß war gestern.“
„Bleiben Sie so, wie sie sind!“
Der Geistliche ist begeistert vom Pilgertag in der Hansestadt: „Ich nehme von heute eine starke Jugend, starke Jugendliche und junge Erwachsene mit, die ein großes Anliegen haben nach Tiefe, nach Spiritualität, eine Sehnsucht nach Leben, eine Leidenschaft sich auch zu geben, eine Leidenschaft zu lieben, eine Leidenschaft für andere da zu sein.“ Die Themen der jungen Christen wie Nachhaltigkeit, Umgang mit Armen und Schwachen, Geschlechtergerechtigkeit, Hausgemeinschaften und ein tiefer Wunsch nach Ökumene haben den zukünftigen Bischof berührt.
„Angerührt hat mich, dass sie mir gesagt haben: Bleiben Sie authentisch, bleiben Sie wie Sie sind. Begeistert hat mich die Lust der jungen Menschen, mitzumachen und die Bereitschaft, sich ansprechen zu lassen. Überzeugt hat mich, wie sie jetzt schon diesen Tag gemeinsam gestaltet haben. Ich glaube, dass ich ein Strukturelement mitnehmen werde: Wenn Kirche wirklich lebendig sein will, nicht soll, dann heißt es: Wir sind Kirche. Alle sind aktiv. Es gibt nicht zwei oder drei die tun und die anderen verschränken die Arme und sind Konsumenten. Um es in einem Bild zu sagen: Im Grunde genommen sind wir alle eine Herde von Schafen und es gibt einen Hirten. Der eigentliche Hirte ist aber nicht der Bischof, er bleibt unsichtbar: Es ist Gott. Wir alle sind Schafe. Ich auch. Ich habe ein großes Vertrauen in eine solche Schafherde mit dem unsichtbaren Hirten, weil auch Papst Franziskus sagt, dass eine solche Schafherde Wege findet – auch dann, wenn die alten Wege nicht mehr gangbar sind.“
Sabine Moser und Edmund Deppe