Professor Wolfgang Beck zur neuen vatikanischen Instruktion

Professor Beck: „Demontage römischer Autorität“

Die Instruktion der Kleruskongregation hat innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland bereits vielfältige Reaktionen ausgelöst – überwiegend Empörung und Unverständnis. 

Professor Wolfgang Beck ist Pastoraltheologe an der Philosophisch- Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Er ist einer der Sprecher des „Wort zum Sonntag“ in der ARD.
Professor Wolfgang Beck ist
Pastoraltheologe an der Philosophisch-
Theologischen Hochschule
Sankt Georgen in Frankfurt. Er ist einer
der Sprecher des „Wort zum Sonntag“
in der ARD.

Der Text beginnt mit dem Ideal einer „pastoralen Umkehr“ und der Hinwendung zu einem missionarisch aufbrechenden kirchlichen Leben. Dieses Ideal steht vielerorts im Kontrast zu der Realität der meisten Gemeinden und Pfarreien, entspricht aber durchaus den wiederholten Forderungen von Papst Franziskus: Das kirchliche Leben ist nicht nur um den Selbsterhalt zu gestalten, sondern als Aufbruch einer den Menschen dienenden Gemeinschaft. Schon hier kann sich der Verdacht einstellen, dass die gemeindepastoralen Erfahrungen der kurialen Mitarbeiter schon einige Jahrzehnte zurückliegen dürften und wenig von den überalterten Strukturen, den Frustrationen von Ehrenamtlichen oder den Nöten überlasteter Pfarrer zu wissen scheinen. Den Konzepten möglichst großer Pfarreien und den zaghaften Ansätzen neuer Leitungsmodelle und partizipativer Strukturen will die Instruktion ein Ende bereiten – ohne indes nur ansatzweise plausible Alternativen aufzuzeigen. Die Bildung der deutschen Großpfarreien ist natürlich zu diskutieren, gerade wo sie einer priesterzentrierten Logik entsprechen. In vielen Diözesen nähern sich die Zahlen neugeweihter Priester einem Nullpunkt an. Selbst für die Großpfarreien gibt es schon jetzt keine ausreichende Zahl von Pfarrern und längst wird es schwierig, Interessierte für die anderen pastoralen Berufsgruppen zu finden. Sie und die verbliebenen Ehrenamtlichen zu entmutigen, indem ihnen die Möglichkeit zur Leitungsverantwortung abgesprochen wird, erscheint theologisch schwach und unhaltbar. Den TheologInnen das Predigen in Eucharistiefeiern zu verbieten, wo diese ohnehin schon bald kaum noch stattfinden können, wirkt grotesk. Ermutigung zum Engagement sieht anders aus.

Gleichwohl ist die Zeichnung eines idealen Bildes der Pfarreien an sich wertvoll und sie baut auf vielen Impulsen von Papst Franziskus auf. Doch zeigt sich hier auch, wie interpretationsoffen die theologischen Aussagen des Papstes sind. Die Autoren der Instruktion verwenden sie, um mit ihnen ein rückwärtsgewandtes Kirchenverständnis zu manifes-tieren, das von inneren Widersprüchen geprägt ist. Das romantisierende Bild einer Pfarrei, die von einem Pfarrer geleitet wird und dabei missionarisch ausgerichtet und seelsorglich an der Begleitung einzelner Menschen orientiert ist, mag ein Traumbild sein. Mit der Not von Bischöfen, Priestern und ehrenamtlich Engagierten in der gegenwärtigen Kirchensituation hat es nicht viel zu tun und kann deshalb kaum als hilfreich empfunden werden. 

Die Bischöfe als Hauptadressaten stehen nun vor der gleichen Aufgabe, vor der die meis-ten Kirchenmitglieder in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder standen: Jenseits von Ratlosigkeit und Wut müssen sie persönliche Strategien entwickeln, sich als nicht Gemeinte zu positionieren, das Geschriebene möglichst schnell und würdevoll abzuheften und in den schmalen kirchenrechtlichen Nischen lebenspraktische und lebensdienliche Wege aufzeigen. Das gelang schon bei anderen Instruktionen, die von theologischer Unbedarftheit geprägt schienen. Mit den meisten bischöflichen Reaktionen, in denen die Instruktion schon in den letzten Tagen als „schädlich“ (Erzbischof Ludwig Schick, Bamberg) oder als nicht umsetzbar eingeordnet wurde, erfolgt eine markante Verschiebung: Nicht nur SeelsorgerInnen vor Ort, egal ob Priester, Gemeinde- oder PastoralreferentInnen werden solidarisch an der Seite der Kirchenmitglieder erlebbar, sondern auch die meisten Bischöfe. Sie sind nicht mehr nur romtreues Gegenüber, sondern solidarische Partner ihrer Gemeinden und MitarbeiterInnen. Es ist zu spüren, wie ungewohnt diese Verschiebung vielen Bischöfen noch ist, gerade wohl denen, die bislang noch schweigen oder sich in einem Loyalitätskonflikt sehen. Doch damit könnte die Instruktion am Ende sogar einen positiven Effekt erzeugen: In der deutschen Ortskirche entsteht eine Solidarität all derer, die sich für eine an vorhandenen Charismen orientierte und missionarisch geöffnete Gemeindestruktur mit einer vielfältigen und partizipativen Leitungskultur engagieren. Wer hingegen einem restriktiven und klerikalistisch enggeführten Kirchenverständnis folgt und durch intrigantes Ränkespiel derartige Instruktionen erwirkt, erliegt einem Paradox: Er demontiert die Autorität der römischen Zentralgewalt weiter.