Osterbrauch
Puderzucker für das Osterlamm

Foto: Anja Sabel
Kokosraspel als Fell, Rosinen als Augen, rote Schleife: fertig ist das Osterlamm aus dem Backofen.
Manchmal kullerten am Ostersonntag die Tränen – immer dann, wenn ein Spaßvogel aus unserer Familie heimlich das Osterlamm „operiert“ hatte. Meistens fehlte der Kopf und war durch ein buntes Ei ersetzt worden. Als Kinder fanden wir das überhaupt nicht lustig. Wozu sich in der Küche noch anstrengen?
Dennoch jedes Jahr das gleiche Ritual: die Form fetten und sorgfältig mit Teig füllen, ohne zu kleckern. Unsere Oma hatte aus dem Sudetenland nicht nur die Tradition des Lammbackens überliefert, sondern praktischerweise auch eine schwere eiserne Gussform mitgebracht. Diese muss ihr so wichtig gewesen sein, dass sie sie bei der Vertreibung als eines der wenigen Haushaltsgeräte auf den kleinen Handwagen verfrachtet hatte.
Wir bewegten uns keinen Zentimeter vom Herd weg: Nur ja nichts verbrennen lassen. Aber notfalls ließen sich dunkle Stellen mit Puderzucker kaschieren. Eine rote Schleife um den Hals, Rosinen als Augen – fertig! Später erweiterten wir unsere Osterbäckerei, kauften zwei kleine Backformen dazu und machten auch anderen Menschen eine Freude. Hübsch dekoriert in Osternestern, schenkten wir die Kuchenlämmer – garantiert mit Kopf – älteren Mitgliedern unserer Kirchengemeinde, und einmal besuchten wir auch eine kroatische Familie im Flüchtlingswohnheim.
In einigen Bäckereien stehen kleine gezuckerte Lämmer auch auf der Ladentheke. Das Backen im Familienbetrieb bewegt sich natürlich in anderen Dimensionen. In der Karwoche werden dann nicht selten 30 bis 40 Lämmer verkauft. Pro Tag!
Frisch geschlachtetes Lammfleisch unter dem Altar
In vielen Familien gehört das Osterlamm zum christlichen Fest – ob nun gebacken oder als Bild. Meist mit Siegesfahne und Wundmalen dargestellt, ist es in Kirchen abgebildet oder wird zur Osterzeit im Kirchenraum aufgestellt. Außerdem ist ein Lamm-Motiv in vielen Prozessionsfahnen eingestickt. Das Lamm wird auch als Zeichen des Lebens verstanden. Mit seinem weißen Fell steht es für die Reinheit. Die friedliche Lebensweise soll ein Zeichen für die Menschen sein, ihr Leben ebenfalls in Frieden zu führen.
Dabei ist das Osterlamm ein Symbol für Jesus Christus, der freiwillig am Kreuz gestorben ist und dabei die Sünden der Menschen auf sich genommen hat. In jeder Messe betet der Priester: „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt …“
Im christlichen Altertum wurde frisch geschlachtetes Lammfleisch unter den Altar gelegt, um es weihen zu lassen. Zu Ostern war es Brauch, dass die erste Mahlzeit des Auferstehungstages eben dieses geweihte Lammfleisch war. Der Verzehr der geweihten Speise stellte nach den Entbehrungen der Fastenzeit ein bedeutendes Ereignis für die Christen dar.
Bereits im Mittelalter wurde das Lammfleisch zunehmend durch das Fleisch von Hasen oder Fasanen ersetzt. Heute ist der ursprüngliche Brauch in unseren Breiten zurückgegangen oder wurde durch das gebackene Osterlamm ersetzt. Das Backen wiederum – traditionell am Gründonnerstag – fördert den Zusammenhalt und schafft ein Gemeinschaftsgefühl für die Familie. Das gebackene Lamm krönt schließlich den Speisenkorb mit Eiern, Wurst, Fleisch und Brot, den Familien in manchen Gegenden zur Weihe in die Kirche tragen. Dieser Brauch schlägt eine Brücke vom Altar zum häuslichen Tisch. Wenn am Ostermorgen die in der Osternacht geweihten Speisen gegessen werden, erinnern sie an das von Gott für uns geopferte Lamm.
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Was bedeuten die Kar- und Ostertage?
Gründonnerstag erinnert an das Abendmahl vor der Kreuzigung Jesu. Er heißt in der römischen Liturgie „Feria quinta in coena Domini“, also „fünfter Tag, Abendmahl des Herrn“. Die Zählung beginnt mit dem Palmsonntag. Die Bezeichnung „Gründonnerstag“ beschränkt sich auf das deutsche Sprachgebiet. Die Herkunft des Namens ist nicht ganz sicher. Üblich ist die Herleitung vom althochdeutschen „greinen“, was unter anderem „weinen“ bedeutet. Es gibt aber auch eine Erklärung, die auf die Farbe Grün zurückgeht: Die Büßer, die sich während der Fastenzeit als „dürres Holz§ (vgl. Lukas 23,31) verstanden haben, dürfen sich jetzt als neues lebendiges grünes Holz betrachten und frische Triebe schlagen.
Am Karfreitag erinnern die Christen an den Tod Jesu. Die Silbe „Kar“ leitet sich vom althochdeutschen Wort „Kara“ her, was Klage, Kummer oder Trauer bedeutet. Im sprachverwandten Persischen bezeichnet „kara“ die Farbe Schwarz. Eine ganz andere Sicht bietet das Englische. Dort wird der Karfreitag als „Good Friday“, also „Guter Freitag“ bezeichnet. Hier steht nicht das Leiden Christi im Vordergrund, sondern bereits der Anfang der Erlösung und des Heils.
Die Karwoche (stille Woche, heilige Woche) ist die Kernzeit der österlichen Passionszeit und für Christen die wichtigste Woche des Kirchenjahres. Sie beginnt mit dem Palmsonntag im Gedenken an Jesu Einzug in Jerusalem. Es werden feierliche Prozessionen veranstaltet und Palmen- oder Buchsbaumzweige der Christen gesegnet. Die Karwoche endet mit dem Karsamstag. „Ostersamstag“ ist streng genommen also erst der Samstag nach Ostern.
Ostern: Die deutsche Sprache hat nicht wie viele andere europäische Sprachen eine Herleitung vom Wort „Pascha“ (das auf den „Vorübergang“ des Herrn während des befreienden Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten verweist) gesucht, sondern einen ganz eigenen Zugang gefunden. Unser Wort „Ostern“ leitet sich vom altgermanischen „Austro“ ab, was „hell werden“ oder „Morgenröte“ bedeutet. Es spielt also auf die aufgehende „Ostersonne“, das bekannte Lichtsymbol der Auferstehung, an. Dies ist auch der Gedanke der englischen Bezeichnung „Easter“, das auf die Himmelsrichtung „East“ (Osten, also der aufgehenden Sonne zugewandt) verweist.