Sommerserie 2018 – Teil 5

Quelle gesucht!

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„Mit Jesus in der Sommerfrische.“ So heißt unsere Sommerserie. Wir besuchen Kurorte, die an den Rändern der Bistümer Fulda, Limburg und Mainz liegen. Wo gibt es spirituelle Orte? Wo treffe ich Gott? Unsere fünfte Reise führt in die Festspielstadt Bad Hersfeld. Auf der Suche nach Jesus zwischen historischen Mauern, bekannten Männern und helfenden Menschen. Von Sarah Seifen.

Bischof Lullus wacht über die Stadt. Foto: Sarah Seifen
Bischof Lullus wacht vor dem Bad Hersfelder Rathaus über die Stadt. Foto: Sarah Seifen

Viele waren hier. Der Wörterbuchmann Konrad Duden und Konrad Zuse, der Erfinder des ersten Computers. Lingg von Linggenfeld als Verteidiger Hersfelds gegen Napoleon und Martin Luther auf dem Rückweg vom Reichstag in Worms. Alle haben sie hier ein Denkmal, sind gegenwärtig.

Konrad Duden und Konrad Zuse haben ein Denkmal vor dem Katharinenturm. Der Turm beherbert die älteste Glocke Deutschlands: Die Lullusglocke. Foto: Sarah Seifen
Konrad Duden und Konrad Zuse haben ein
Denkmal vor dem Katharinenturm.
Der Turm beherbergt die älteste Glocke
Deutschlands: Die Lullusglocke.
Foto: Sarah Seifen

Und Jesus? „Jesus nicht. Das ist zu lange her. Da gab es Bad Hersfeld noch nicht“, erklärt ein Mann am Bühneneingang der Stiftsruine. Braun gebrannt sitzt er auf einem Campingstuhl, die Beine übereinander geschlagen. Er passt auf, dass nur „die Zugang zur Ruine haben, die hier auch hingehören“. In der Stiftsruine finden seit vier Wochen wieder die Bad Hersfelder Festspiele statt. Heute ist keine Aufführung, nur Probe. Wenige Menschen schlendern um die Stiftsruine herum. Zu sehen gibt es nicht viel. Außer hohe Mauern. Die, die noch übrig geblieben sind vom 769 gegründeten Benediktinerkloster und der größten romanischen Basilika nördlich der Alpen.

„Die Stiftsruine ist die größte Freilichtbühne in Europa in einer Kirche“, sagt der Aufpasser. Geboren ist er in Hersfeld vor 70 Jahren, seinen Namen sagt er nicht. Mit der Kirche will er nichts zu tun haben, weiterhelfen könne er bei der Suche nach Jesus nicht. „Ich bin nicht religiös.“ Aber seine Stadt, die liebt er. Er sei zwar ausgewandert, mit Mitte 40 aber zurückgekommen. Der Liebe wegen. „Meine Kinder sind getauft. Kirchensteuer zahle ich ja auch“, erzählt er plötzlich. „Weil ich bewundere, was die alles Gutes machen in der Stadt und Menschen helfen.“ Und dann hat er doch eine Antwort auf die erste Frage: „Wo ist Jesus in Bad Hersfeld?“ – „Den muss man doch nicht suchen. Der ist doch in jedem von uns drin.“

Von der Stiftsruine aus geht es zum Kurpark. Er verspricht Erfrischung und eine magische Quelle. Auf dem Weg dorthin kommen die nächsten Absagen auf die Frage nach Jesus: „Ich interessiere mich nicht für Historisches“, erklärt ein alter Mann. „Ich weiß das nicht, ich bin nicht aus Bad Hersfeld“, sagt eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter an der Hand. Die hüpft hin und her, will weitergehen. Ob nur Einheimische Jesus finden können?

Erfrischung im Kurpark und ein Jesuswort

Magische Quelle Foto: Sarah Seifen
Erfrischend an heißen Tagen: die magische Quelle. Foto: Sarah Seifen

Im Park ist erst einmal Erholung zu finden. Blumenrabatten säumen den Weg. Im großen Teich schnattern Enten. Ganz am Ende der Anlage – nach einem Hindernislauf an Wassersprenklern vorbei, die den Rasen grün halten und die Spaziergänger wach – liegt eine Quelle. Magisch soll sie sein, weil sie unverhofft zu sprudeln beginnt und Wasser zerstäubt. Der Nebel breitet sich dann über ein angelegtes Wellenlabyrinth aus. Hier lässt es sich ausruhen. Nach einer kurzen Pause geht es zurück Richtung Stadtmitte, vorbei am Kurhaus. Kinder rennen durch die Wasserfontänen auf dem Platz davor, die Erwachsenen sitzen auf den Bänken drumherum und reden. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ...“ Das Jesuswort aus dem Matthäusevangelium schießt in den Kopf. Ab ins Nass wie die Kleinen? Die Hemmschwelle ist zu groß.

Fast so groß wie die, weitere Personen nach Jesus zu fragen. Nach den ganzen Abfuhren. Da kommen vier Jugendliche vorbei, etwa 15 Jahre werden sie sein. Die zwei Jungs und zwei Mädchen sind etwa 30 Kilometer aus Wildeck gekommen. „Wo ist Jesus hier?“ – „Gehen Sie doch lieber mal zu uns auf ’s Dorf“, sagt der eine. „Da finden Sie den Jesus eher. Wir gehen wenigstens noch alle in die Kirche.“ Die anderen kichern. Sie gehen weiter.

Im Stadtkern von Bad Hersfeld reiht sich Fachwerkhaus an Fachwerkhaus. Einige der Häuschen sind mit Holzschindeln versehen. Typisch für die Gegend und die Stadt.

Der Stadtpatron Bischof Lullus

Bezeichnend für die Festspielstadt ist  auch das „Hersfelder Doppelkreuz“ und ihr Wahrzeichen, die evangelische Stadtkirche mit ihrem 222 Stufen hohen Turm. Schräg davor auf einem Platz steht die Statue von Bischof Lullus auf dem Lullusbrunnen. Er war im achten Jahrhundert Erzbischof von Mainz und erster Abt des Klosters Hersfeld. Bis heute ist er nicht wegzudenken aus der Kurstadt.  Überall sind Spuren zu entdecken: Eine Lullusquelle, Lulluslikör, das Lullusfest im Oktober jeden Jahres und auch die katholische Kirche in Bad Hersfeld hat Lullus als ihren Patron.

Die katholische Kirche St. Lullus-Sturmius Foto: Sarah Seifen
Durch das Tor im Klausturm erreicht man die katholische Kirche
St. Lullus-Sturmius. Foto: Sarah Seifen

Auf dem Stadtplan im Reiseführer ist die Kirche St. Lullus-Sturmius nicht zu finden. Sie liegt außerhalb der alten Stadtmauer. Durch ein kleines Tor ist die rotgeklinkerte Kirche zu sehen. Sie begrüßt mit einem hellblauen Schild über der Tür, auf dem handschriftlich geschrieben steht: „Du bist der Messias. Der Sohn des lebendigen Gottes.“ Ruhig ist es. Niemand ist da. Die Kirche ist geöffnet und bietet beim Eintreten den direkten Blick auf Jesus: Ein riesiges Kreuz hängt über dem Altar. Im Pfarrbrief des Pastoralverbunds St. Lullus Hersfeld-Rotenburg berichten Pfarrer Bernhard Schiller und Gemeindereferent Jean-Marie Wenigenrath von klassischen pastoralen Orten, den Gemeinden mit ihren Kirchen, und von neuen pastoralen Orten, Supermärkten, Einkaufsstraßen, Parks. Denn Gott, so Pfarrer Schiller, brauche keine Gebäude, reservierten Plätze und festen Orte, um den Menschen nahe zu kommen. „Gott ist mit uns auf all’ unseren Wegen“, schreibt Wenigenrath.

Deswegen geht die Suche nach Jesus in Bad Hersfeld dort weiter, wo Menschen sich auf den Weg machen: am Bahnhof. Das ist überraschend. Ein kleiner Pfeil weist auf eine Plakette mit rotem Kreuz und gelbem Band dahinter. Die Bahnhofsmission ist in einem Nebengebäude des Bahnhofs untergebracht. Mitarbeiter Otfried Hose begrüßt die Neuankömmlinge. Eine Tasse Kaffee gibt es für 20 Cent, ein Stück Kuchen dazu umsonst. „Jeder kann reinkommen, aber mittlerweile wird hier für einen bestimmten Personenkreis etwas getan“, erklärt der Mitarbeiter. Eine Kleiderkammer gibt es hier und auch einen Raum der Stille, mit einem Kreuz an der Wand. Es sei sogar schon einmal vorgekommen, dass ein muslimischer Mann ihn gefragt habe, ob er sein Gebet dort verrichten könne, erzählt Hose. Das Kreuz habe ihn nicht gestört. Die Bahnhofsmission ist ökumenisch, aber „offen für alle“. Otfried Hose weiß, wo Jesus ist: „Da, wo Menschen anderen Menschen helfen.“

 

SERVICE: Ausflugstipps: So wird der Tag rund

  • Eine Kurparkführung durch den „Park der Jahreszeiten“ findet am Sonntag, 5.8., um 14 Uhr statt. Treffpunkt ist am Kurhaus (Kosten: 5 Euro).
  • Wer die Lullusglocke (seit 1038) einmal hören will: Sie wird am Lullusfest, 14. Oktober, um 19.45 Uhr, geläutet.
  • Bis zum 3. September sind in der Stiftsruine Aufführungen der Bad Hersfelder Festspiele. Im Programm: „Peer Gynt“ von Ibsen, das Musical „Hair“ sowie Bühnenfassungen von „Shakespeare in Love“ und „Titanic“.
    www.bad-hersfelder-festspiele.de