Mahner gegen Missbrauch
Rörig geht nach zehn Jahren
In den vergangenen Jahren war er die mahnende Stimme, wenn es um Missbrauch ging: Johannes-Wilhelm Rörig wurde nicht müde, mehr Maßnahmen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt zu fordern. Zudem drängte er vor allem die katholische Kirche dazu, Taten aufzuarbeiten.
Von Anfang an plädierte Johannes-Wilhelm Rörig dafür, dabei Missbrauchsbetroffene als Experten einzubeziehen. Nach zehn Jahren will der Jurist nun sein Amt nach dieser Legislaturperiode abgeben. Wer sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin wird, ist völlig offen. Damit das Thema weiter auf der politischen Agenda steht und dort möglichst noch weiter nach oben rutscht, will sich Rörig an den Koalitionsgesprächen beteiligen. Er möchte erreichen, dass sein Amt ein größeres politisches Gewicht erhält.
So plädiert Rörig im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur dafür, sein Amt gesetzlich zu verankern. Seiner Ansicht nach sollte es eine Berichtspflicht geben, damit sich der Bundestag regelmäßig mit dem Thema Missbrauch auseinandersetzt. "Die Politik muss die vielen Defizite kennen, die es zum Beispiel bei Schutz und Hilfen gibt", so Rörig.
Und er kann sich noch mehr vorstellen: Zwar lehnt er eine Wahrheitskommission ab, wie es sie etwa in Irland und Australien zur Aufarbeitung von Missbrauch gegeben hat, weil er sie in Deutschland für nicht durchsetzbar hält. Aber stattdessen schlägt er vor, dass sich Bundestagsabgeordnete direkt an der Aufarbeitung beteiligen. Dazu solle die schon bestehende unabhängige Aufarbeitungskommission in einen Rat überführt werden und zugleich mehr Kompetenzen erhalten.
Damit könnte die Diskussion über eine stärkere politische Beteiligung bei der Aufarbeitung wieder Fahrt aufnehmen. Dafür setzt sich neben Betroffenen, die eigens eine Petition dafür beim Bundestag eingereicht haben, auch der religionspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci, ein.
Nach Rörigs Vorstellungen soll es einen solchen Aufarbeitungsrat spätestens bis zum Ende 2023 geben. Dieser solle das insgesamt in Deutschland stattfindende institutionelle Aufarbeitungsgeschehen im Bereich der Kirchen, aber auch darüber hinaus, begleiten und etwa bei der Vergabe von Untersuchungs- und Forschungsvorhaben und der Berichtslegung mitwirken. Zudem solle es auch weiterhin die vertraulichen Anhörungen von Betroffenen geben.
Als einen wichtigen Erfolg seiner Amtszeit sieht Rötig die Erarbeitung einer Gemeinsamen Erklärung, die die Deutsche Bischofskonferenz im vergangenen Jahr unterzeichnete. In ähnlicher Form entstand ein solches Dokument im vergangenen Mai mit der Ordensobernkonferenz. Bedauerlich sei indes, dass die Auseinandersetzungen im Erzbistum Köln den Startprozess der unabhängigen Aufarbeitung in den Bistümern erschwert hätten. Für Anpassungen der Vereinbarung zeigte Rörig sich offen: So müsse möglicherweise bei der Betroffenenbeteiligung nachgesteuert werden.
Wunsch nach zügigeren Zahlungen
In Kirchenkreisen wird schon länger auf die Schwierigkeiten hingewiesen, Betroffene für die Mitarbeit in einem Beirat zu gewinnen. Bei einem Online-Treffen mit den Vorsitzenden der Aufarbeitungskommissionen in den Bistümern, zu dem der Trierer Bischof Stephan Ackermann als Missbrauchsbeauftragter der Bischofskonferenz eingeladen hatte, machten Betroffene offenbar klar, wie schwierig eine Mitarbeit sei, wenn sie zugleich bei einem Bistum beschäftigt sind. In diesen Fällen will Rörig auf eine bessere Unterstützung dringen.
Unlängst hatten Betroffene sich selbst gemeldet und in einem Brief an die Bischöfe und Generalvikare der 27 Bistümer ein zügigeres Verfahren bei der Auszahlung der Anerkennungsleistung gefordert. Die Vorsitzende der dafür zuständigen Einrichtung, Margarete Reske, begründete die langen Bearbeitungszeiten damit, dass in dem vor gut einem Jahr beschlossenen neuen Antragsverfahren auch bereits abgeschlossene Altverfahren neu bearbeitet würden. Zugleich stellte sie eine zügigere Bearbeitung der Anträge in Aussicht.
Unterdessen sieht Rörig in der Gemeinsamen Erklärung eine Blaupause auch für andere Institutionen und hofft, dass er bei der Unterzeichnung einer solchen Vereinbarung mit der evangelischen Kirche noch im Amt ist. Ein möglicher personeller Umbruch auf mittlere Sicht hin deutete sich unlängst auch bei der Bischofskonferenz an. Deren Missbrauchsbeauftragter Ackermann sagte dem "Trierer Volksfreund": "Die Aufgabe ist schon belastend, und die Frage ist: Wie lange hat man dazu die Kraft und die Energie, das zu machen und weiterzuentwickeln?" Ob er in zwei Jahren noch Missbrauchsbeauftragter sei, könne er nicht sagen.
(kna)