Schülerdemonstrationen „Fridays for Future“
Schule schwänzen für die Zukunft
Kreideaktion bei Fridays for Future“ in Dessau. | Foto: FridaysForFuture-Ortsgruppe Dessau |
Das Thema Umweltschutz beziehungsweise Bewahrung der Schöpfung wird unabhängig von „Fridays for Future“ an allen Schulen seit Jahren groß geschrieben. Ein Beispiel ist das Dresdner St. Benno-Gymnasium: „Zu nennen sind hier die Solaranlage auf dem Schuldach, Umwelt-Wochen und Tage der Schülervertretung und natürlich auch das Reden über dieses wichtige Thema im Unterricht. Wir als Christen fühlen uns besonders Gottes Schöpfung verpflichtet“, berichtet Paul Simeon Pollenske, Schüler des Gymnasiums und Mitglied des Organisations-Teams von „Fridays for Future“ Dresden.
An der Bergschule St. Elisabeth in Heiligenstadt liegt ein Schwerpunkt auf einem verantwortlichen Umgang mit Energie. Schulleiter Heinz-Peter Kaes: „Wir haben an unserer Schule in Verantwortung der Geographie-Kurse das ,E-Team‘ (Energie-Team) gegründet, das im konkreten Schulalltag die Notwendigkeit des Klimaschutzes immer wieder vermittelt und darüber hinaus die Klimaverantwortlichen der Klassen und Kurse bei Bemühungen unterstützt, an jedem Schultag klimafreundlich zu handeln. Häufig sind es kleine Dinge mit großer Wirkung, wie etwa sinnvolles Lüften und vernünftige Steuerung der Heizung.“
Konkreten Aufrufe zu Demonstrationen gab es in Zwickau bis zum Zeitpunkt der Beantwortung der Umfrage in der zweiten Februarhälfte nicht. Klimaschutz ist dennoch am Peter-Breuer-Gymnasium ein wichtiges Thema. „Die Auseinandersetzung mit der Bedrohung der Schöpfung ist fest im Lehrplan verschiedener Unterrichtsfächer verankert, so etwa im Bereich Geographie, Biologie, Religion (Enzyklika ,Laudato si‘) oder auch im Fach ,Gemeinschaftskunde / Rechtserziehung / Wirtschaft‘. Gerade in diesem Fach wird in der Oberstufe der Fokus auf das Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie gelegt“, berichtet Schulleiter Michael Olbricht.
Von den Schülern selbst werden die Anliegen von „Fridays for Future“ unterschiedlich intensiv aufgegriffen: Am Elisabeth-Gymnasium in Halle findet das Thema langsam seinen Weg in die Schule, so der stellvertretende Schülersprecher Marius Glaeser. Das Thema wurde im Sozialkundeunterricht aufgegriffen und eine Podiumsdiskussion wurde geplant. Am Liborius-Gymnasium in Dessau wurde darüber diskutiert „und das Anliegen für gut befunden“, so Schülersprecherin Amelie Prusseit. An entsprechenden Demonstrationen nahmen auch Schüler teil. „Viele Schüler möchten etwas bewegen und finden gut, was wir tun, ebenso wie die Lehrer. Uns wurde oft gesagt, dass sie uns dabei unterstützen.“
Schüler der katholischen Schule St. Marien in Berlin Neukölln nehmen ebenfalls an Demonstrationen teil. Schülersprecherin Caroline Z.: „Es sind zwar noch nicht so viele, wie wir es gerne hätten, aber jeder Einzelne zählt. Allen Streikenden unserer Schule ist es wichtig, dass unseren Gleichaltrigen wie auch Politikern bewusst ist, dass endlich etwas getan werden muss. Vor allem wir als Konsumenten müssen hier natürlich eigenständig handeln (Fleischkonsum, Plastik). Aber auch in der Politik muss etwas getan werden!“ Mit Blick auf ihre Mitschüler findet die Schülersprecherin aber auch kritische Worte: „Für viele ist das Thema ,Klimawandel‘ unwichtig. Sie interessieren sich nicht dafür oder sind sich der riesigen Gefahr, die uns alle betrifft, nicht bewusst. ,Öko‘ zu sein ist für viele ,uncool‘.“
Grundsätzlich sehen alle Schulleitungen das hinter „Fridays for Future“ stehende Anliegen positiv. Heinz-Peter Kaes: „Es ist erfreulich, dass gerade die junge Generation dieses Thema sehr ernst nimmt. Die Fakten sind bekannt und es kommt in der Tat darauf an, zu handeln – im eigenen persönlichen Umfeld, in der eigenen Institution, zum Beispiel der Schule. Auch politisch muss das Thema wach gehalten werden und es darf auch als Erwartung an die Politik und die Verantwortlichen formuliert werden. Insofern kann ,Friday for Future‘ mit dazu beitragen, notwendiges Handeln einzufordern.“
Zur Sache: Fridays for Future |
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„Fridays for Future“ (dt.: Freitage für die Zukunft) ist eine internationale Schüler- und Studentenbewegung, die sich für den Klimaschutz einsetzt. Seit mehreren Wochen gehen junge Menschen weltweit freitags auf die Straße. Sie fordern von ihrer jeweiligen Regierung eine bessere Klimapolitik und „einen echten Klimaschutz“, wie die Bewegung auf ihrer deutschen Webseite erklärt. Die Schüler wollen mit dem Fernbleiben vom Unterricht ausdrücken, dass der Schulbesuch sinnlos werde, wenn die Politik beim Kampf gegen den Klimawandel keine entscheidenden Schritte unternehme. Vorbild für die Streikenden ist die Schwedin Greta Thunberg, die mit einem mehrwöchigen Schulstreik internationale Aufmerksamkeit erlangte. Drei Wochen lang bestreikte sie von Mitte August 2018 an ihre Schule, inzwischen demonstriert die 16-Jährige immer freitags. Nach eigenen Angaben will sie ihren Protest so lange fortsetzen, bis Schweden seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen erfüllt. In Deutschland gehen seit Dezember 2018 in vielen Städten Tausende Schüler und Studenten auf die Straße, um gegen die Klimapolitik der Bundesregierung zu protestieren. Sie fordern von der deutschen Regierung mehr Klimaschutz und einen raschen Kohleausstieg. Laut eigenen Angaben hat die Bewegung allein in Deutschland mehr als 155 Ortsgruppen. Sie sei weder an eine Partei noch an eine Organisation gebunden, betonen die Organisatoren. Die Bewegung „Fridays for Future“ ist weltweit aktiv. Proteste fanden bislang unter anderem in den USA, in Schweden, Australien, Indien, Chile, England, Italien, Niederlande, Belgien, Kanada, in der Schweiz, in Österreich, Irland und Schottland statt. (epd) |
Trotz der grundsätzlich positiven Haltung treten in der Praxis aber Problem auf. Die Teilnahme an den Demonstrationen, die in der Regel am Freitag während der Unterrichtszeit stattfinden, ist eine Verletzung der Schulpflicht. Aus den Statements der Schülersprecher geht hervor, dass dies den Schülern bewusst ist und viele deshalb nicht an den Demonstrationen teilnehmen. Von Vorschlägen, die Demonstrationen auf schulfreie Nachmittage zu verlegen, hält aber nicht nur Caroline Z. nichts: „Es geht eben darum, Aufmerksamkeit zu erlangen, denn der Geschichte ist zu entnehmen, dass das durch Streiks und ,Brechen der Regeln‘ am Besten klappt! Wie man sieht, ist ,Fridays for Future‘ deutschlandweit bekannt geworden und durch uns alle ist es möglich geworden, sogar unmittelbar mit Trägern der Politik zu sprechen! Hätten wir solch eine Aufmerksamkeit erlangt, wenn wir nicht während der Schulzeit gestreikt hätten? Hier geht es um unsere Zukunft und so wie es eben Greta Thunberg sagt: ,Wozu sollen wir für eine Zukunft lernen, die es bald nicht mehr gibt, wenn wir nichts tun?‘ Ich finde es schade, dass sich die Jugend, wenn sie sich für solch ein überlebenswichtiges Thema einsetzt, negative Konsequenzen auf dem Zeugnis tragen muss. Wo wird uns Demokratie näher gebracht, wenn nicht bei der Teilnahme an solch einem Streik?“
Der Dresdner Paul Simeon Pollenske sieht das ähnlich: „Keiner schwänzt die Schule freiwillig. Alle würden lieber für ihr Abitur lernen. Doch es gibt Dinge, die wichtiger sind: zum Beispiel Verantwortung zu übernehmen. Die Klimakrise wartet nicht auf unseren Schulabschluss. Ich glaube, es ist wichtig, dass Schüler und Lehrer miteinander reden. Nur so können Brücken gebaut werden, um eine für beide Seiten erträgliche Lösungen zu finden.“
Caroline Z. und Paul Simeon Pollenske sind – so wie die Schülervertreter der anderen Schulen auch – zu diesem Thema mit ihrer Schulleitung im Gespräch. Die Schuleiter sind sich des Dilemmas durchaus bewusst: Benedikt Kraft, Schulleiter des Dessauer Liborius-Gymnasiums, begrüßt deshalb, dass die Schüler seiner Schule einen verkürzten Unterrichtsstag vor den Ferien zum Demonstrieren genutzt haben. „Ansonsten wäre ich für eine Lösung, die zwar das unentschuldigte Fehlen registriert, es aber vorerst nicht sanktioniert – bis auf den Vermerk auf dem Entschuldigungszettel.“
Markus Mollitor, Schulleiter der katholischen Schule Bernhardinum in Fürstenwalde, verweist nicht nur auf die Schulpflicht: „Das Anliegen der Schüler ist für die Lehrenden und die Schulleitung nachvollziehbar. Diesbezüglich führen wir einen intensiven Austausch mit der Schülerschaft. Dabei verweisen wir auch darauf, dass nicht allein die ,Schulpflicht‘ die Haltung der Schulleitung bestimmt, sondern eine Reihe anderer Pflichten (Neutralitätspflicht, Aufsichtspflicht,...) die Entscheidung der Schulleitung bestimmen. Dass dies nicht im Widerspruch zu Gedanken wie politische Bildung, Erziehung zu demokratischer Teilhabe steht, ist unseren Schülern schon klar, da wir uns vielfältig als Schule ,in die Gesellschaft hinein‘ engagieren. Wir ermuntern unsere Schüler, sich in ihren Möglichkeiten auch politisch zu engagieren. Die Freistellung vom Unterricht für eine Demonstration oder gar die Teilnahme an einer Demonstration im Rahmen einer schulischen Veranstaltung (zum Beispiel Exkursion) liegt aber nicht in unseren Möglichkeiten.“
Gerechtigkeit erzwingen durch Verstöße gegen das Recht?
Schulleiter Reimund Märkisch (Norbertusgymnasium Magdeburg) ist überzeugt, dass seine Schüler ein sehr hohe Sensibilität dafür haben, „dass man Gerechtigkeit kaum mit Verstößen gegen das Recht erzwingen kann. Und schon gar nicht, bevor alle anderen Formen demokratischer Aktivitäten ausgeschöpft sind. Und sie sind noch nicht ausgeschöpft. Tenor ist, dass die Demonstrationsaufforderungen mit eigenen echt konstrukiven Handlungen bezüglich Umweltschutz im eigenen Leben beantwortet werden sollten.“
Am St. Benno Gymnasium in Dresden hat man dennoch eine Möglichkeit gefunden, Schüler, die an Demonstrationen teilnehmen wollen, freizustellen. Uta Hübner, Abteilungsleiterin Sekundarstufe II an dieser Schule: „Die Schüler haben die Möglichkeit teilzunehmen. Das betrifft den Unterricht in der siebenten und achten Stunde. Sie müssen einen Antrag auf Freistellung unterschreiben und dürfen dann an der Demo teilnehmen, ausgenommen sind Klausuren und Leistungsermessungen – da müssen sie anwesend sein. Unter unserer Schülerschaft wird das sehr verantwortungsvoll entschieden. An der ersten Demonstration im Januar haben von knapp 200 Schülern der Oberstufe ungefähr 50 teilgenommen, davon hatten 20 keinen Unterricht in dieser Zeit. Seitdem nehmen immer wieder einige an den Aktionen teil, aber es muss deshalb kein Unterricht ausfallen. Schulschwänzen gibt es deshalb nicht – die Schüler wären auch nicht auf die Idee gekommen, ohne Rücksprache mit der Schulleitung an den Aktionen teilzunehmen.“
Von Matthias Holluba