Impuls zum Sonntagsevangelium am 01.10.2023

So bin ich halt!?

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Blick in den Spiegel
Nachweis

Foto: imago images/Panthermedia

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Sind wir mit uns selbst zufrieden? Und wenn nicht: Können wir uns ändern?

Wenn man die biblischen Texte des Sonntags liest, bekommt man den Eindruck: Hier geht es ja ziemlich moralisch zu. Das stimmt auch. Aber eigentlich geht es darum, glücklicher zu leben. Auch wenn ich mich dafür verändern muss.

Wahrscheinlich kennen Sie solche Leute, vielleicht gehören Sie selbst dazu: Leute, die  oft und gerne kurzfristig absagen. Leute, die wegen Kleinigkeiten an die Decke gehen. Leute, die vor allem das eigene Wohl im Blick haben oder nur ihre eigene Meinung gelten lassen. Und wenn man sie auf ihre Macken anspricht, sagen sie schulterzuckend: „So bin ich halt ... ist mein Charakter ... du musst mich so nehmen, wie der liebe Gott mich gemacht hat.“

Stimmt einerseits. Jeder hat seine Persönlichkeit mitbekommen, manches wurde anerzogen oder hat sich durch Lebensumstände verstärkt. Wir sind, wie wir sind: leise oder eher; Opti-
mist oder Pessimist; Sonnenschein oder Miesepeter.

Für alle, die dumme Entscheidungen treffen

Andererseits ist „So bin ich halt“ auch eine billige Ausrede für alle, die nicht an sich arbeiten wollen. Denn dass Geduld, Großzügigkeit, Freundlichkeit, Rücksicht das Leben schöner und einfacher machen, wissen auch die, bei denen solche Eigenschaften weniger ausgeprägt sind. Paulus jedenfalls meint wohl alle Gemeindemitglieder, wenn er schreibt: „Macht meine Freude vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden ... dass ihr nichts aus Streitsucht und nichts aus Prahlerei tut ... dass jeder nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen achtet.“ Schwierig, zugegeben. Aber möglich. 

Was bei den Bibeltexten des Sonntags auffällt: Sie richten sich gerade an die, die mit den guten Charaktereigenschaften so ihre Schwierigkeiten haben. Der Sohn im Evangelium zum Beispiel, der keine Lust hat, dem Befehl seines Vaters zu folgen, im Weinberg zu arbeiten. „Später aber reute es ihn“, heißt es, und er ging doch. Ein Gleichnis für all die Menschen, die schon mal dumme Entscheidungen getroffen haben und es hinterher bereuen.

Selbsterkenntnis statt Schönreden

Oder der Prophet Ezechiel. Er kritisert seine Umwelt oft wegen ihrer unsozialen und lieblosen Einstellung und droht Strafe an. Er sieht auch Chancen: „Wenn ein Schuldiger von dem Unrecht umkehrt, das er begangen hat, und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er sein Leben bewahren. Wenn er alle seine Vergehen, die er verübt hat, einsieht und umkehrt, wird er bestimmt am Leben bleiben.“

Die Aussicht ist gut: Jesus lobt den aufmüpfigen Sohn mehr als den Ja-Ja-Sager, der dann doch nichts auf die Reihe bekommt. Und Ezechiel macht klar, dass es niemals zu spät ist, dass Gott niemanden aufgibt, auch keinen Übeltäter. Umkehr ist immer möglich. 

Klar ist aber auch: Voraussetzung ist, dass die Schuld eingesehen wird. Ohne Einsicht keine Reue, ohne Reue keine Umkehr, ohne Umkehr kein Neubeginn. Und da sind wir wieder bei dem schulterzuckenden Satz „Ich bin halt so“. Sich selbst das Leben schönredend, wird dann aus cholerisch temperamentvoll, aus unzuverlässig wird spontan, aus besserwisserisch wird gebildet, aus egozentrisch wird selbstgenügsam, aus streitsüchtig wird meinungstark – und sicher können Sie diese Reihe aus Ihrer eigenen Erfahrungswelt problemlos fortsetzen.

Vielleicht ist das die eigentliche Botschaft der biblischen Texte dieses Sonntags: ein Blickwechsel. Nicht zu sagen: „So bin ich halt!“, sondern zu fragen: „Wie will ich sein?“ Paulus setzt in seinen Anforderungen ganz oben an: Seid wie Jesus! Puh. Geht es auch eine Nummer kleiner?
Der Sohn im Evangelium – vielleicht ist er außer faul auch noch übellaunig oder streitbar. Darum geht es aber nicht, er muss nicht von heute auf morgen zum Vorzeigesohn mutieren. Mit den anderen im Weinberg arbeiten; nicht nur den Wein trinken, sondern auch mithelfen, ihn zu produzieren – das reicht fürs Erste.

Oder die Zöllner, die Jesus im Evangelium erwähnt: Sie müssen keine Heiligen werden, aber einige von ihnen haben nach der Predigt des Johannes offenbar eingesehen, dass es ungerecht ist, die Leute zu betrügen – und sie haben sich vorgenommen, die Zölle nach Recht und Gesetz einzuziehen. Ein erster Schritt.

Wie will ich sein? Diese Frage wird dann interessant, wenn sie konkret wird. Nicht pauschal „wie Jesus“, sondern an einem Punkt, der, wenn ich länger und ehrlich darüber nachdenke, vielleicht ein wunder Punkt in meinem Leben ist. Denn vermutlich gibt es das doch bei jedem: eine Eigenschaft oder eine Gewohnheit im Umgang mit anderen Menschen, die mir an mir selbst nicht wirklich gefällt – auch wenn ich mir das manchmal schönrede. Die ich theoretisch gerne ändern würde. Und praktisch ändern kann – das behaupten zumindest die biblischen Texte.

Ein Versuch mit Aussicht auf Erfolg

Wenn Sie das jetzt mal bei sich selbst ausprobieren wollen, dann gibt es zwei Punkte, die dafür motivieren können. 

Erstens: Der Vater im Evangelium hat Geduld. Nirgends ist die Rede davon, dass er seinen Sohn beschimpft, bestraft, verurteilt. Er wartet ab im Vertrauen darauf, dass Selberdenken schlauer macht, als bepredigt zu werden. Beweisen Sie ihm, dass das stimmt!

Zweitens: Das Projekt hat mit Gottes Hilfe Aussicht auf Erfolg. Denn was gibt es Besseres als das Versprechen des Ezechiel: „Er wird bestimmt am Leben bleiben. Er wird nicht sterben.“ Und damit meint der Prophet nicht das himmlische Gericht oder das Leben nach dem Tod. Er meint das ganz irdisch. Das Leben wird besser, schöner, glücklicher, wenn wir uns auf den Weg der Umkehr machen, wenn wir unser Bestes hervorholen und unser Umfeld positiv überraschen. An einem Punkt nur – aber an dem richtig.

Susanne Haverkamp