Vertrauenskrise im Erzbistum Köln
Spekulationen um Rückkehr halten an
Seine Teilnahme am Aschermittwochsgottesdienst im Kölner Dom sagte Kardinal Rainer Maria Woelki ab. Grund genug für Spekulationen zu seiner Rückkehr.
Kommt er wieder oder nicht? Eine gute Woche vor der geplanten Rückkehr des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki nach beinahe fünf Monaten Auszeit schießen die Spekulationen in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese ins Kraut. Während die Kritik an Woelkis Rückkehr anhält, sagte der Kardinal zwei öffentliche Auftritte ab. Gleichzeitig kündigte er eine Medienmitteilung für den Tag seiner Wiederkunft und einen Fastenhirtenbrief an. Derartige Schreiben, die zum Beginn der Fastenzeit vor Ostern in allen Kirchen eines Bistums verlesen werden, sind üblicherweise den Bischöfen vorbehalten.
Wegen der Querelen um die Missbrauchsaufarbeitung befindet sich Woelki seit Oktober in einer mit Papst Franziskus vereinbarten "geistlichen Auszeit". Diese endet am 2. März - dem Aschermittwoch. Dann wollte der Kardinal eigentlich den traditionellen Gottesdienst im Kölner Dom leiten. Es wäre ein spannender Termin geworden: Am Aschermittwoch, an dem die katholische Kirche die Fastenzeit vor Ostern einläutet, sind Reue um Umkehr beliebte Themen in den Predigten. Es wäre interessant gewesen, was Woelki dazu gesagt hätte.
Doch nun kommt alles anders: Dem Gottesdienst am Aschermittwoch wird der Kardinal fernbleiben, wie das Erzbistum Köln am Montag bekanntgab. Woelki wolle nicht, dass "dieses wertvolle Ereignis von den aktuellen kirchenpolitischen Spannungen überschattet wird". Bereits am Wochenende war bekannt geworden, dass er sich am 5. März bei einem ökumenischen Gottesdienst in Düsseldorf vertreten lassen will.
Sind die Absagen ein Hinweis darauf, dass Woelki seine Amtsgeschäfte in Köln nicht wieder aufnehmen wird? Oder deutet sich darin bereis eine künftige Aufgabenteilung zwischen ihm und dem bisherigen Übergangsleiter Rolf Steinhäuser an? Dass Woelki einen Fastenhirtenbrief veröffentlicht, deutet jedenfalls darauf hin, dass er sich weiterhin als Erzbischof von Köln sieht - und es auch nach dem 2. März mit ihm weitergehen könnte.
Mehr und nicht weniger Konflikte
In den knapp fünf Monaten seiner Auszeit haben sich die Wogen im Erzbistum nicht geglättet. Auf Woelki wartet eine durch neue Konflikte aufgeheizte Lage. An der Bistumsspitze wie an der Kirchenbasis blicken viele mit großer Skepsis auf die Rückkehr. Die im Erzbischöflichen Rat vertretenen rund 20 Führungskräfte beklagen mehrheitlich fehlendes Vertrauen in Woelki und seine mangelhafte Kommunikation, wie es kürzlich nach einer Sondersitzung hieß. Der Diözesanrat-Vorsitzende Tim Kurzbach sieht den Vatikan "in der Verantwortung, das Erzbistum nicht sehenden Auges in die Kernschmelze laufen zu lassen".
Übergangsleiter Steinhäuser ist es offenbar nicht gelungen, die verhärteten Fronten aufzulösen. Immerhin erhält der Weihbischof von Bistumsgremien und Verbänden überwiegend positive Noten für seine kommunikative Art - eine Stärke, die Woelki nicht zugeschrieben wird. Doch um eine Wende herbeizuführen, blieb Steinhäuser zu wenig Zeit und ein zu geringer Spielraum.
Als "Chef der Täterorganisation Erzbistum Köln", wie er sich selbst in einem Bußgottesdienst zur Missbrauchskrise im Dom bezeichnete, setzte er aber einige Impulse. So legte er offen, dass Woelki und sein Generalvikar Markus Hofmann im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung für Juristen und PR-Experten 2,8 Millionen Euro ausgegeben und dabei möglicherweise das Kirchenrecht missachtet haben. Den Vorwurf, dass bei der Auftragsvergabe wichtige Gremien übergangen wurden, ließ Steinhäuser durch zwei Kirchenrechtler überprüfen. Ihr Urteil ist bisher nicht bekannt. Die Ergebnisse wurden, wie vom Vatikan gefordert, nach Rom geschickt.
Doch damit nicht genug. Offenbar gibt es weitere Zweifel an Auftragsvergaben, etwa beim Kauf von Möbeln für Tagungshäuser und bei technischen Anschaffungen. Deshalb wollten Steinhäuser, Vermögensrat und Domkapitel Prüfungen über die letzten zehn Jahren auf den Weg bringen. Doch der Vatikan bremste sie aus: Die Untersuchung soll erst erfolgen, wenn Woelki seine Amtsgeschäfte wieder aufgenommen hat.
Steinhäuser will "ungeschönte Rückmeldung" an Vatikan geben
Jenseits dieser Fragen schwingt noch ein anderes Thema in die Rückkehr des Kardinals: der ohne Woelki weiter fortgeschrittene Reformprozess Synodaler Weg. Der Kardinal steht dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Während seiner Auszeit stimmte die dritte Synodalversammlung mit großen Mehrheiten in Erster Lesung für Vorlagen, die eine moderne Sexualmoral samt Neubewertung der Homosexualität, eine Öffnung des Weiheamts für Frauen und eine Lockerung des Zölibats fordern - alles Positionen, die Woelki ablehnt. Die Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) im Erzbistum Köln, Elisabeth Bungartz, kann sich auch deshalb Woelkis Rückkehr "überhaupt nicht vorstellen".
Völlig offen ist, was der Papst denkt. In Rom liegt auch ein nicht veröffentlichtes Stimmungsbild zur Rückkehrfrage vor, das im Diözesanpastoralrat - dem zentralen Beratungsgremium des Erzbischofs - erhoben wurde. Steinhäuser wie Woelki waren inzwischen zu Gesprächen in Rom.
Steinhäuser hatte angekündigt, dem Vatikan zum Ende seiner Vertretungszeit eine "ungeschönte Rückmeldung" zu geben. Auf die Frage, ob er sich darin auch gegen eine Zukunft von Woelki an der Spitze des Erzbistums aussprechen könne, antwortete der Weihbischof: "Auch das ist denkbar."
kna