Anstoß 38/21
Stärker als es scheint
Der Gott der Bibel wird zuweilen unterschätzt. Wenn das Volk Gottes in Bedrängnis war, konnte ihr Gott Jahwe schon mal recht flexibel und unorthodox eine Lösung auf den Weg bringen.
Etwa, als Jahwe kurzerhand den Perserkönig Kyrus mit Heiligem Geist salbte und ihn für die Rettung der Bedrängten im Babylonischen Exil einspannte (vergleiche Jesaja Kapitel 45 bis 46). Kyrus wurde so zum Werkzeug, durch das Gott Befreiung bewirkte: Den Aufbruch aus der Gefangenschaft und die sichere Rückkehr nach Jerusalem. Die Unzufriedenen und die Zweifler an Jahwe, diesem einzigartigen Gott Israels, wurden beschämt. Ausgerechnet einem Perser, einem Andersgläubigen, vertraute Gott ihre Rettung an.
2600 Jahre später. Köln-Niehl. Ein kleiner Junge kommt mit dreckigen Klamotten vom Fußballplatz nach Hause. Er ist der Sohn einer türkischen Einwandererfamilie. Seine weitere Laufbahn scheint vorgezeichnet. Hauptschulempfehlung – hat sein Lehrer gesagt. Aber es kam anders. Das verrät ein Blick auf seine Webseite: „Erst durch das Einschreiten meines deutschen Nachbarn konnte ich aufs Gymnasium“, ist da zu lesen. Offensichtlich erkannte der Nachbar: Der Junge ist stärker als er scheint. Der kann doch mehr! Mit nachbarschaftlich beherzter Fürsprache wurde der Weg frei zum ersten türkischstämmigen Abiturienten am Erich- Kästner-Gymnasium in Köln-Niehl. Respekt.
Das deutsche Bildungssystem befördert oder benachteiligt bis heute Schüler nach ihrer familiären Herkunft. Gegen diese Ungerechtigkeit stand der Nachbar auf. Das türkischstämmige Gastarbeiterkind verdiente eine echte Chance.
Gott Jahwe hat bei Kyrus auch das Potenzial gesehen und gestärkt. Ob Weltenherrscher oder Nachbar – beide tragen mit ihren Möglichkeiten dazu bei, den Weg für mehr Gerechtigkeit und Freiheit zu ebnen. Ich glaube, dass Gott auf vielfältige Art und Weise, damals wie heute, Menschen beruft. Auch mit kleinen Taten können wir die Welt verändern!