Frauen berichten über ihre Hospizarbeit

„Sterben passiert nicht nur im Alter“

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Nachwuchs zu finden, bleibt für alle Hospizvereine und -gruppen eine drängende Aufgabe – vor allem auch unter jüngeren Menschen. Drei Frauen aus dem Emsland erzählen, warum das wichtig ist und warum sie sich in der Hospizarbeit engagieren wollen.


Beistand leisten im Angesicht von Tod und Sterben.

Wenn Kathrin Schnieders erzählt, dass sie die Hospizhilfe in Meppen leitet, sieht sie nicht selten ein verblüfftes Gesicht. „Die meisten rechnen wohl nicht damit, dass eine junge Frau bei uns die Vorsitzende ist“, sagt die 34-Jährige. Und tatsächlich sind nach ihrer Wahrnehmung viele der ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und -begleiter in den Gruppen älter als 50 Jahre. Aus guten Gründen, denn oft haben die meisten erst nach der Familienphase oder mit dem Eintritt in die Rente genug Zeit für diese anspruchsvolle Aufgabe. Dabei findet es Kathrin Schnieders ausgesprochen wichtig, dass sich auch jüngere Menschen in der Hospizarbeit einsetzen. „Sterben passiert nicht nur im Alter“, sagt sie und denkt zum Beispiel an Unfälle oder an schwere Krankheiten. „Und dann wäre es wichtig, dass junge Leute auch junge Leute auf ihrem letzten Weg begleiten können. Sie sind dann schneller auf einer Wellenlänge.“ Auf der anderen Seite hat Kathrin Schnieders zugleich erlebt, wie wertvoll es sein kann, wenn junge Menschen zum Beispiel Senioren zur Seite stehen. „Das ist einfach noch mal eine andere Perspektive für beide.“

Diese andere Perspektive – die bringt zum Beispiel Marie Kamps mit. Die 24-Jährige hat im vergangenen Jahr den Vorbereitungskurs bei der Hospizhilfe Meppen mitgemacht – als jüngste Teilnehmerin. Eine Freundin hatte ihr davon erzählt und beide haben das Seminar dann gemeinsam besucht – zeitweise unterbrochen und etwas verändert durch die Corona-Pandemie.

Ihr Engagement hängt auch mit ihrem Beruf zusammen. Als Gesundheits- und Krankenpflegerin weiß Marie Kamps, wie dicht Leben und Tod manchmal beieinander liegen. Zudem erlebt sie im Meppener Krankenhaus immer wieder, wie wertvoll und wichtig die Arbeit der Hospizhilfe ist. Wie die Ehrenamtlichen Sterbende und Angehörige begleiten, wie sie Menschen in der letzten Phase ihres Lebens Zeit, Beistand und Wärme schenken – das beeindruckt die junge Frau überaus. „Das wollte ich noch näher kennenlernen“, sagt sie. Und sie hofft, dass sie ihre Erfahrungen aus der Hospizarbeit mit ihrer pflegerischen Arbeit verknüpfen und die Zusammenarbeit mit der Hospizhilfe noch weiter verstärken kann.

Auch in ihrer Altersgruppe möchte sie den Hospizgedanken mehr bekannt machen. Sie weiß, dass Sterben kein Thema ist, mit dem junge Leute sich wie selbstverständlich auseinandersetzen. Schon, dass sie die Ausbildung zur Hospizbegleiterin absolvieren wollte, erstaunte einige ihrer Freunde. „Aber der Tod betrifft uns alle. Keiner weiß doch, wie früh oder spät es sein wird.“ Sie findet es wichtig, darüber zu reden und „das nicht einfach wegzuschieben.“ Der Kurs hat ihr dabei auch persönlich sehr geholfen. Sie fühlt sich dadurch gut vorbereitet und hat keine Scheu, wenn die Anfrage für eine Begleitung kommen wird. „Für mich wäre es das Schönste, wenn ich dann erkenne, was dieser Mensch wirklich braucht und was ich für ihn oder sie tun kann.“

Im selben Kurs wie Marie Kamps hat Berna Corduan gesessen. Auch sie hat aus der Ausbildung viel mitgenommen, nicht nur reine Informationen. „Es ging schon unter die Haut“, sagt die 39-Jährige. Aber zugleich empfand sie es als sehr heilsam, sich mit den Themen zu befassen und sich dabei auch eigenen Ängsten zu stellen. Die Förderschullehrerin hatte sich angemeldet, weil sie auf der Suche nach einem sinnstiftenden Ehrenamt war. Ein Vorbild dafür gibt es in der Familie. Mit einem Lächeln erinnert sie sich daran, „mit welchem Strahlen und mit welcher Freude“ die Frau ihres Cousins von der Arbeit als Hospizhelferin erzählt. „Das hat mich fasziniert.“

Zudem hat Corduan ihren erkrankten Stiefvater lange unterstützt – war in der Todesstunde bei ihm. „Im Nachhinein war es sehr tröstlich für mich, dass er auf seinem letzten Weg nicht allein gewesen ist.“ Diese Erfahrung hat sie darin bestärkt, sich selbst auf die Aufgabe als Hospizhelferin vorzubereiten.

Noch hat sie keine Begleitung übernommen, „aber ich bin und fühle mich bereit dazu.“ Mit „Ruhe, Empathie und Authentizität“ möchte sie dann Sterbenden zur Seite stehen. „Sterbenszeit ist auch Lebenszeit, und die verdient Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.“ Sie wünscht sich noch mehr Aufklärung über diese Arbeit – schon in den Kindergärten, Schulen oder in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit. „Wenn da Hospize stark präsent wären, würden sich bestimmt später mehr junge Menschen angesprochen fühlen. Dann entwickelt sich ein Hospizgedächtnis.“

Den Hospizgedanken schon in Schulen bekannt machen

Kathrin Schnieders ist zuversichtlich, dass die Hospizhilfe immer wieder und immer mehr junge Menschen gewinnen kann. Auch im nächsten Vorbereitungskurs machen zwei junge Leute mit – und wenn sie davon erzählen, ist das nach Einschätzung der Meppener Vorsitzenden die beste Werbung. Sie glaubt aber auch, dass die Öffentlichkeitsarbeit sich noch breiter aufstellen muss, um alle Altersgruppen zu erreichen. Schnieders denkt an zeitgemäße Flyer, neue Wege der Kommunikation und Soziale Medien wie Facebook und Instagram. „Wir machen damit schon sehr gute Erfahrungen.“
Für genauso wichtig hält sie es aber auch, den Hospizgedanken früh zu thematisieren. Wie mit dem Projekt „Hospiz macht Schule“, bei dem Ehrenamtliche in Grund- und weiterführenden Schulen Kinder und Jugendliche an Sterben, Tod und Trauer heranführen: durch Geschichten, Filme, Kunst oder Musik. Schnieders ist überzeugt, dass solche Aktionen helfen, die Themen zu enttabuisieren. Die Schulen in und rund um Meppen nehmen das Angebot seit elf Jahren rege an. „Vor Corona waren wir schon bis zum Jahr 2026 ausgebucht.“

Petra Diek-Münchow
 

Lemförde machte den Anfang

  • Der erste Hospizverein im Bistum Osnabrück wurde vor fast 30 Jahren in Lemförde gegründet. Mitbegründer war der damalige Lemförder Pfarrer und spätere Generalvikar Theo Paul. Er holte zwei Clemensschwestern aus Münster ins Osnabrücker Land: Schwester Irmtrudis Brüggehagen und Schwester Irmhild Espendiller (Foto oben, stehend). „Wir wollten uns den menschlichen Herausforderungen auch am Ende des Lebens stellen“, sagt Paul.
  • Mit zwei Betten war das kleine stationäre Hospiz dem Pfarrhaus angegliedert. Allein in den ersten vier Jahren pflegten und betreuten die beiden Ordensfrauen 34 Schwerkranke. Unterstützt wurden sie von einer Teilzeitpflegekraft, Pflegediensten und ehrenamtlichen Helfern.
  • Schwester Irmtrudis und Schwes­ter Irmhild waren viel unterwegs: vor Ort bei Schwerkranken und Sterbenden, aber auch bei Pflegediensten und Ärzten, in Krankenhäusern und Kirchengemeinden, um den Hospizgedanken bekannt zu machen. Bereits nach einem halben Jahr boten sie das erste Seminar für ehrenamtliche Hospizhelfer an. Für ihr Engagement erhielten die Ordensfrauen 2007 das Bundesverdienstkreuz.  
  • Heute arbeitet der Hospizdienst Lemförde ausschließlich ambulant. Eine Ordensfrau, Schwester Maria Thiede, und zwei weitere Mitarbeiterinnen koordinieren die ehrenamtlichen Einsätze.
  • Mittlerweile gibt es im Bistum Osnabrück fast 100 Hospizgruppen und -angebote – von ambulanten Hospizdiensten über Hospiz- und Palliativstützpunkte bis hin zum stationären Kinderhospiz.
  • Auch die Bremer Messe „Leben und Tod“ – sie findet vom 1. bis 8. Mai online statt – befasst sich mit dem Thema Hospiz. Weitere Infos: www.leben-und-tod.de (asa)