Studieren in Corona-Zeiten
Alle Welt redet von Homeschooling, dem Lernen zu Hause. Nicht nur Schüler tun das zurzeit, auch Studierende büffeln daheim. Ein Blick auf den Start des Sommersemesters der katholisch-theologischen Fakultät an der Uni Mainz. Von Klaus Altenbach.
Stell dir vor, es ist Semesterbeginn, und keiner geht hin. In Abwandlung eines Spruchs aus der Friedensbewegung in den 1980-er Jahren könnte man so die Situation an der Mainzer Universität am 20. April beschreiben. Auf dem Campus und in den Hör-sälen herrscht am Tag des Vorlesungsbeginns im Sommersemes-ter gähnende Leere.
Innerhalb kurzer Zeit Systeme modernisiert
Doch der Vergleich hinkt: Nur allzu gern hätten sich Studierende und ihre Dozentinnen und Dozenten in gewohnter Weise zu Vorlesungen, Seminaren und weiterer wissenschaftlicher Arbeit persönlich zusammengefunden. Die Corona-Pandemie hat dies verhindert. Der Semesterbetrieb konnte trotzdem pünktlich starten, denn die Universität hat auf digitale Lehre umgestellt. Innerhalb weniger Wochen haben die Lehrenden mit ihren Teams die Inhalte ihrer Veranstaltungen digital verfügbar gemacht.
Wie kann das funktionieren? Grundsätzlich ist die Arbeitsweise nicht neu. Schon länger gibt es unterstützende elektronische Lernplattformen, wo Literatur und Arbeitsmaterialien abrufbar sind. Diese bieten unter anderem auch Foren für wissenschaftliche Diskussionen. Die Universität hat nun zusammen mit namhaften Herstellern der IT-Branche innerhalb weniger Wochen die Systeme modernisiert und ausgebaut. Auch die katholisch-theologische Fakultät stellt sich dieser Herausforderung, eröffnet in den verschiedenen Lehrfächern, je nach technischen und persönlichen Voraussetzungen, unterschiedliche Wege der Lehre aus der Distanz: Literaturstudium, Diskussionen in Foren und Live-Chats, digitale Referate, aufgezeichnete Vorlesungen und auch Videokonferenzen in Echtzeit, beispielsweise für Seminarsitzungen.
Theologie hat eine Art Vorreiterrolle
Auf die breite Vielfalt neuer Formate haben sich alle Beteiligten erstaunlich schnell eingestellt. Nachdem kleinere technische und organisatorische Schwächen in den ersten Tagen überwunden waren, hat sich nun fast schon eine „neue Normalität“ eingestellt. Der Theologiestudent Sebastian Bleek meint: „Ich habe den Eindruck, dass die Theologie den Übergang sehr gut gemeistert hat und eine Art Vorreiterrolle einnimmt.“ Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigen Berichte von Studierenden anderer Fächer, die mit größeren Startschwierigkeiten kämpfen. Die Theologie hat den Vorteil überschaubarer Gruppengrößen, die einfacher zu handhaben sind als bei Massenfächern mit hunderten Studierenden in einer Veranstaltung. Bei aller Unterstützung durch moderne Technik gibt es dennoch Bereiche, die schmerzlich vermisst werden. Dazu gehört die theologische Bereichsbibliothek, die erst vor wenigen Monaten im Gebäude an der Wallstraße neu eröffnet hat. Gerade in der Theologie sind große Teile des Bestands nicht digitalisiert, und so ist die Bibliothek in normalen Zeiten eine Art Werkstatt der Studierenden, wo man viel Zeit verbringt. Dies ist jetzt vorübergehend nicht möglich, denn die Bibliothek hat vom Präsenzbetrieb mit vielen Arbeitsplätzen vor Ort auf einen Notbetrieb mit reiner Ausleihe umgestellt.
Auch Exkursionen und Besichtigungen sind zurzeit nicht möglich und studienbegleitende Angebote der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) sind stark eingeschränkt. Gottesdienstbesuche bei anderen Konfessionen, die von der Liturgiewissenschaft regelmäßig angeboten werden, müssen vertagt werden.
Trotz aller derzeitigen Beschränkungen ist eine große Zuversicht zu spüren und die feste Absicht, auch unter den veränderten Bedingungen das Studium bestmöglich fortzuführen. Alle Beteiligten freuen sich auf den Tag, an dem sie wieder „hingehen“ können und der persönliche Austausch möglich wird, wann auch immer das sein wird.
Nachgefragt: „Bis auf Weiteres in einem Notbetrieb“
Stephan Goertz ist Professor für Moraltheologie und Dekan der katholisch-theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz.
Ist die digitale Lehre im Sommersemester wie geplant angelaufen?
Nachdem im März rasch deutlich wurde, dass es in diesem Sommersemester wohl keine Präsenzlehre an den Universitäten geben würde, war die Vorlaufzeit zum Glück genügend lang, um sich auf die neue Form der Lehre vorzubereiten. Und es gab auch viel Unterstützung von den verschiedenen Abteilungen der Hochschulleitung. Zugleich muss man sagen, dass es allen viel Zeit und Mühe abverlangt, die Lehre auf digitale Formate umzustellen. Die wenigsten haben damit bisher Erfahrungen sammeln können.
Gibt es Besonderheiten, die speziell den Fachbereich Theologie betreffen?
Im Vergleich zu anderen Fächern, die zum Beispiel auf Laborarbeiten angewiesen sind, ist die Situation in den Geisteswissenschaften sicher weniger problematisch. Hier lässt sich die Zeit ohne Präsenzlehre doch durch digitale Formate oder Lektürestudium relativ gut überbrücken, auch wenn der unmittelbare Austausch in Vorlesungen oder Seminaren digital nicht zu ersetzen ist. Dass eine geplante Israelexkursion nicht stattfinden konnte, war ein erster schmerzhafter Einschnitt ins Leben der Fakultät. Und wir denken auch an die Erstsemes-ter, die nun erst einmal nicht die Möglichkeit haben, ihren Kommiliton(inn)en und Dozent(inn)en persönlich zu begegnen.
Ist eine teilweise oder schrittweise Wiederaufnahme der Präsenzlehre unter besonderen Hygienemaßnahmen geplant?
Wir gehen davon aus, dass in diesem Semester erst einmal keine Präsenzlehre stattfinden wird. Die Universität befindet sich bis auf Weiteres in einem sehr reduzierten Notbetrieb.
Gibt es bereits Konzepte für den Ablauf von Klausuren und mündlichen Prüfungen?
Auf jeden Fall werden die Studierenden am Ende des Semesters ihre Prüfungen, seien es mündliche oder schriftliche, ablegen können. Die Studienbüros arbeiten hier seit einigen Wochen an entsprechenden Lösungen. So wird es etwa die Möglichkeit geben, dass man sich für eine mündliche Prüfung nicht in einem Büro, sondern in einer Video-Konferenz trifft. In der momentanen Lage geht es der Universität darum, dass die Studierenden kein Semester verlieren.
Interview: Klaus Altenbach