Schweine-Fleisch-Kennzeichnung für mehr Tierwohl

Tierwohl: "Kriterien sind zu lasch"

Zehntausende Besucher drängen in diesen Tagen auf die Grüne Woche in Berlin. Zeitgleich demonstrieren Tierschützer und Umweltverbände für mehr Tierwohl. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte eine neue Kennzeichnung des Landwirtschaftsministeriums sein.

Wie gut hat das Schwein gelebt, dessen Fleisch im Supermarkt nur drei Euro pro Kilogramm kostet? Wie viel Platz hatte es im Stall? Gab es einen Auslauf? Fast 90 Prozent der Konsumenten sind bereit, mehr Geld für Fleisch zu zahlen, wenn die Tiere besser gehalten werden. Doch am Produkt können die Käufer nicht erkennen, ob Landwirt, Spediteur und Schlachter auf das Tierwohl geachtet haben. Das soll sich nach den Plänen von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ändern. Sie will 2020 eine staatliche Tierwohl-Kennzeichnung für Schweinefleisch einführen. Kennzeichnungen für Rinder und Geflügel sollen folgen.

Die Idee ist nicht neu. Schon vor zwei Jahren hat der damalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt einen Entwurf dafür vorgestellt. Doch lange passierte nichts. Ministerin Klöckner sprach im vergangenen Jahr von „festgefahrenen Gesprächen“ zwischen Tierhaltern, Verbraucherzentrale, Tierschutzbund und Handel. „Außerdem hat man sich lange hinter der Europäischen Union versteckt und behauptet, ein Alleingang in Deutschland wäre rechtlich nicht möglich“, sagt Katrin Wenz, Agrar-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Wenz freut sich über jeden noch so kleinen Schritt hin zu mehr Tierschutz. Sie sagt aber auch: „Es müsste viel mehr passieren. Die Kriterien sind zu lasch.“

Das freiwillige Label soll Schweinefleisch in drei Stufen einteilen. Die Kriterien der ersten Stufe liegen nur leicht über dem gesetzlichen Mindestmaß. Um die zu erfüllen, reicht es, weniger Tiere einzustallen. Statt dem gesetzlichen Mindestmaß von 0,75 Quadratmetern hat ein gut hundert Kilogramm schweres Schwein nach den aktuellen Entwürfen 0,85 oder 0,95 Quadratmeter Platz. „Das ist immer noch viel zu wenig“, sagt Wenz. Die Tiere bräuchten mindestens 40 Prozent mehr Raum. Der BUND fordert außerdem, die Ställe mit Stroh auszulegen, das Verbot des Schwänzekupierens durchzusetzen und für zusätzliches Spielzeug wie Holz- und Sisalbälle zu sorgen, damit die Schweine Abwechslung im Stall haben und sich nicht gegenseitig verletzen. „Das ist das Minimum. Das müsste es schon in der ersten Stufe geben“, sagt die Expertin. 

Verbraucher werden Fleisch der Einstiegsstufe bevorzugen

Nach den Entwürfen des Ministeriums muss der Landwirt erst für die zweite und dritte Stufe des Tierwohl-Labels die Ställe umbauen und für Tageslicht, Auslauf und mehr Spielmaterial sorgen. Katrin Wenz befürchtet allerdings, dass die wenigsten Bauern sich darauf einlassen werden. „Ein Landwirt wird nicht viel Geld investieren, wenn er nicht weiß, ob die Kunden sein Produkt zu einem teureren Preis noch kaufen werden. Er braucht Planungssicherheit. Daher muss Frau Klöckner einen gesetzlichen Rahmen schaffen und die Kennzeichnung verbindlich machen“, sagt sie.

Umfragen zeigen, dass die Verbraucher bereit sind, einen Aufschlag von bis zu 33 Prozent zu zahlen. Die Expertin vermutet daher, dass viele Verbraucher Fleisch der Einstiegsstufe kaufen werden, das ungefähr 20 Prozent teurer sein wird. „Deshalb ist es besonders wichtig, dass dort, wo Tierwohl draufsteht, auch Tierwohl drin ist“, sagt Wenz.

Kerstin Ostendorf