Heuschreckenplage in Ostafrika
Überlappende Krisen
Neben der Corona-Pandemie erlebt Ostafrika gerade auch eine zweite Welle der seit mehr als einem Jahr grassierenden Heuschreckenplage. Laut Helfern ist es die schlimmste Plage seit 50 Jahren. Sie befürchten schwere langfristige Folgen.
Ostafrika wird derzeit von einer zweiten Welle der seit mehr als einem Jahr grassierenden Heuschreckenplage heimgesucht. "Wir beobachten mit großer Sorge, dass die Schädlinge in Ländern wie Kenia, Somalia und Äthiopien erneut die Ernährungssicherheit der Bevölkerung bedrohen", sagte der Geschäftsführer des katholischen Entwicklungshilfswerks Misereor, Martin Bröckelmann-Simon. Im südlichen Teil von Somalia wurde deshalb bereits der Ausnahmezustand verhängt.
Auch die Welternährungsorganisation FAO hatte Mitte Januar gewarnt, dass Kenia und das südliche Äthiopien von einer zweiten Invasion der Heuschrecken betroffen seien. Die Insekten könnten sich auch in weiteren Staaten wie Uganda, Südsudan, Eritrea und Dschibuti breitmachen. Heftige Regenfälle und Zyklone hätten zu einer neuen Generation von Heuschrecken geführt.
Allerdings betont die UN-Organisation, dass die neue Situation nicht mit der dramatischen Ausbreitung der Insekten im vergangenen Jahr vergleichbar sei. Ein wichtiger Grund: Den ostafrikanischen Staaten sei es im vergangenen Jahr mit Hilfe der FAO in Rekordzeit gelungen, eine Flotte von 28 Flugzeugen und Hubschraubern sowie von 60 Boden-Teams und 3000 neu ausgebildeten Heuschrecken-Bekämpfern aufzubauen.
In über 6000 Flugstunden seien die Schädlinge aus der Luft mit Pestiziden besprüht worden, um die Schwärme einzudämmen. Mit Hilfe von digitaler Technik und Satellitenbildern seien Brutstätten und Wanderungswege der Heuschrecken erkundet worden. Seit Januar 2020, so die Bilanz der FAO, wurden 1,5 Millionen Hektar Land in Ost-Afrika und dem Jemen behandelt.
Allerdings: Mittlerweile sind die Finanztöpfe leer. Ohne weitere Gelder für Sprit, Flugzeiten und Piloten-Stunden könnten die 28 Maschinen bereits im März nicht mehr abheben, so die FAO. Um den Betrieb bis Juni am Laufen zu halten, würden etwa 28 Millionen Euro benötigt, sagte der stellvertretende FAO-Generaldirektor, Laurent Thomas. "Es wäre tragisch, diese Errungenschaften wegzuwerfen, gerade jetzt, da die Länder in Ostafrika anfangen, Licht am Ende des Tunnels zu sehen."
Solche Naturereignisse sind nichts Neues: Im Alten Testament sind gefräßige Heuschrecken-Schwärme eine der zehn Plagen, die über Ägypten hereinbrechen, weil der Pharao das Volk Israel nicht ziehen lassen will. 2004 fraßen 70 Kilometer lange Heuschreckenschwärme in Afrika zwischen drei und vier Millionen Hektar Land kahl. Doch die jetzige Krise hat ein besonderes Ausmaß, auch weil sie durch die Corona-Pandemie verstärkt wird. Die FAO spricht von der schlimmsten Heuschreckenplage seit über 50 Jahren.
Das Wetter hat die Krise begünstigt: 2018 brachten zwei Zyklone ungewöhnlich viel Regen in die Sandwüsten der Arabischen Halbinsel. Feuchtigkeit und sprießende Vegetation boten günstige Bedingungen für die Heuschrecken. Doch auch der Krieg im Jemen und die unsichere Lebenssituation in der Region verhinderten eine schnelle Bekämpfung der Plage. Daten konnten nicht weitergeleitet werden; Material sei zerstört worden.
Einzelne Tiere sind harmlos. Wenn sie jedoch dicht zusammengedrängt leben, ändern die Insekten ihr Verhalten und bilden Schwärme, die losziehen und auf ihrem Weg alles verschlingen. Drei Generationen lang vermehrten sich die Heuschrecken auf der Arabischen Halbinsel unbemerkt, bevor die Schwärme in den Jemen wanderten und Ende 2019 dann auch in Ostafrika einfielen. Zuvor war dort im Sommer 2019 ebenfalls überdurchschnittlich viel Regen gefallen - ein guter Nährboden für weitere Generationen. "Unter solchen Bedingungen kann es schon nach drei Monaten die nächste Generation geben", sagt der Trierer Heuschrecken-Experte Axel Hochkirch. Im Prinzip wächst die Menge der Heuschrecken mit jeder Generation um das 20-Fache.
Misereor warnt vor langfristigen Schäden: Erfahrungen zeigten, dass eine solche Plage mehrere Jahre andauern könne, warnt Sabine Dorlöchter-Sulser, Fachreferentin des Hilfswerks für ländliche Entwicklung. Diesmal sei die Lage besonders bedrohlich, weil die Bevölkerung teilweise unter den Folgen mehrerer überlappender Krisen gelitten habe: Dürren und Überschwemmungen, Epidemien und Kriege.
kna/Christoph Arens