Zisterzienserpater Pech ist Unternehmer und Dozent für Führungsethik
Unternehmergeist für die Kirche
Sind Mönche die besseren Unternehmer?
Woran sollte man das messen? An den Unternehmensbilanzen? Dem Marketing? Der Personalführung? Unbestritten ist, dass die Zisterzienser in ihrer Anfangszeit im 12./13. Jahrhundert nicht nur geistlich, sondern auch wirtschaftlich prägend waren. Beim jährlich tagenden Generalkapitel des Ordens tauschten sich die Oberen auch über wirtschaftliche Themen aus; technische Innovationen breiteten sich infolgedessen europaweit schnell aus. Inwieweit das heute noch so ist, müsste man bei Teilnehmern der Generalkapitel nachfragen.
Pater Justinus im Leipziger Propsteihof. | Foto: Dorothee Wanzek |
Was sind für Sie die wichtigsten ethischen Maßstäbe unternehmerischen Handelns?
Für mich sind das die Prinzipien der christlichen Soziallehre: Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Nachhaltigkeit. Es geht in unserem wirtschaftlichen Handeln primär um Menschen, um Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten. Wenn ich beispielsweise Lieferanten schlecht behandle, schade ich damit nicht nur ihnen, sondern auch meinem Unternehmen. Dies gilt für alle Geschäftsbeziehungen eines Unternehmens. Das Prinzip des solidarisch miteinander Umgehens ist immer wieder neu in die Praxis zu übersetzen. Beispielsweise hat ein Unternehmer eine Verantwortung für die Gesellschaft, denn „Eigentum verpflichtet“, so steht es ja auch im Grundgesetz. Dieses muss gelebt werden und darf nicht nur ein Satz für Sonntagsreden sein.
Das Prinzip der Subsidiarität besagt folgendes: Jedem sollte in Unternehmen der Entscheidungsraum zugebilligt werden, der für ihn richtig ist. Das gilt auch für die unteren Ebenen. Um wirtschaftlich sinnvoll arbeiten zu können, brauchen Mitarbeiter Räume, innerhalb derer sie verantwortlich handeln und entscheiden können. Nur wenn sie ein Problem allein nicht lösen können, bekommen sie Hilfestellung von oben. Und schließlich das Nachhaltigkeits-Prinzip: nicht so wirtschaften, als wäre ich morgen wieder weg. Diese vier Prinzipien können eine gute Grundlage für ein ethisch richtiges Handeln sein.
Welche Bedingungen bräuchte es, damit die Sozialprinzipien in internationalen Wirtschaftsbeziehungen besser zum Zug kommen?
Da stehen wir gerade vor großen Herausforderungen und müssen neue Wege internationaler Zusammenarbeit finden. Was wir derzeit erleben, unterscheidet sich von dem, was wir seit 1949 gewohnt waren – wenn etwa die USA die Aufhebung von Zöllen daran bindet, dass die Handelspartner ihr teureres, durch Fracking gewonnenes Gas kaufen oder wenn China viele demokratische Grundrechte, die für uns selbstverständlich sind, nicht zu akzeptieren scheint, wir aber weiterhin Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik haben wollen, dann ist das für Europa eine nicht einfache Situation. Wir sollten hinterfragen, ob wir weiterhin vorrangig auf Wettbewerb über den Preis setzen wollen. Und wir brauchen Absprachen über Grundprinzipien, die nicht verhandelbar sind. Hinzu kommt, dass wir aufgrund des Nachhaltigkeitsprinzips unseren Umgang mit der Schöpfung und unseren Lebensgrundlagen verändern müssen. Bewahrung der Schöpfung ist ein Gottesauftrag.
In Ihren Vorlesungen und Seminaren steht eher der Beitrag im Vordergrund, den einzelne Führungskräfte leisten können. Gelingt es Ihren Studenten, die gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen?
Natürlich ist es nicht so, dass das Studium eine fertige Anleitung für alles bietet, was einem im unternehmerischen Alltag begegnet. Jede Führungsphilosophie muss sich in der Praxis bewähren und lebt von der Konfrontation mit der Erfahrung. Wenn ein Unternehmer etwa an Grenzen stößt, gilt es herauszufinden, ob es eigene Grenzen sind oder die anderer. Als Führungskraft bewegt man sich im Spannungsraum zwischen Selbstführung, Führung der Mitarbeiter und eigenem Geführt-Werden. An erster Stelle steht es, sich selbst kennen und führen zu lernen. Mir geht es selbst so, dass ich Erlebtes immer wieder wissenschaftlich abgeglichen und sinnvoll vertieft habe, so dass es mich dann wieder in der Praxis voranbrachte.
Um gute Unternehmensführung geht es ja auch bei Ihren Coaching-Angeboten. Nehmen vorrangig die Führungskräfte teil, die es eigentlich am wenigsten nötig haben?
Wenn Sie meinen, dass die Teilnehmer meines Coachingprogramms bereits ein hohes ethisches Bewusstsein haben: ja. Es sind beeindruckende Persönlichkeiten, die sich weiter verbessern möchten und dafür unterschiedliche Motivationsfaktoren mitbringen: Typische Situationen sind: Vorbereitung auf einen bevorstehenden Aufstieg oder eine neue Führungsfunktion. Einige sind auch an Grenzen geraten und wollen sich hinterfragen. Manche stehen in der Mitte des Lebens und kommen mit diesen Lebensfragen auf mich zu.
Könnte die Kirche in ihrer aktuellen Krise etwas von Unternehmern lernen?
Es wäre sicher befruchtend, wenn kirchliche Führungskräfte sich von Unternehmern inspirieren ließen. Bei Unternehmer-Weiterbildungen gibt es zum Beispiel das beliebte Planspiel „Grüne Wiese“. In Gedanken baut man sein eigenes Unternehmen noch einmal ganz neu auf, ohne dabei Entwicklungen zu berücksichtigen, die der Betrieb aus unterschiedlichsten Gründen im Laufe der Zeit genommen hat. Dabei fragt man sich, welches die Kernprodukte sind, wo der Kernmarkt liegt und wie man ihn am besten bedienen kann. Das Kernprodukt der katholischen Kirche ist das, was wir im Glaubensbekenntnis zusammenfassen, ist also theologisch gesprochen eher dogmatischer Natur. Man könnte sich in einem solchen Spiel fragen, wie bringen wir die Botschaft vom ewigen Leben, von Liebe, Glaube und Hoffnung zu den Menschen? Für die Frage nach dem „Kernmarkt“ gäbe es sicher keine Komplettlösungen. Sie wäre in Panschwitz-Kuckau anders zu beantworten als hier in Leipzig, einer studentischen Stadt mit jungem Altersdurchschnitt. In einer Stadt wie Leipzig könnte man mal schauen: Wie sind wir als katholische Kirche da präsent? Wie sind wir im Gespräch mit dieser pulsierenden Stadt, mit den Unternehmen, der Kultur, der Politik verankert? Wie bringen wir uns in die Wertedebatte ein? Wie begründen wir unsere Botschaft? ...
Umgekehrt: Können Unternehmen von Christen profitieren?
Ich sähe eine große Chance darin, dass katholische Unternehmer in Deutschland sich stärker vernetzen. Ansonsten: Christen müssen Salz der Erde sein, sie müssen die Botschaft des Evangeliums nach außen tragen, natürlich auch an ihren Arbeitsplätzen. Das fängt ganz banal an: Was erzähle ich, wenn ich im Kollegenkreis gefragt werde, was ich zu Ostern gemacht habe? Aber auch: Wie kann ich im Unternehmen dafür sorgen, dass die Prinzipien der katholischen Soziallehre gelebt werden? Hier gibt es auch tolle Beispiele von christlichen Unternehmern, die nachhaltig erfolgreich ihre Geschäfte führen.
Unternehmer, Mönch, Lehrer |
---|
Pater Justinus Pech (46) hat an der Handelshochschule Leipzig (HHL) Betriebswirtschaft und Unternehmensführung studiert und später dort über Wirtschafsethik promoviert. An der Gregoriana in Rom erwarb er einen zweiten Doktortitel in Theologie. Seit 2017 unterrichtet er an der HHL als Gastprofessor für Führungsethik. Pater Justinus gehört zum Zisterzienserkloster Bochum-Stiepel, einer Filiale der Abtei Stift Heiligenkreuz. An mehreren deutschsprachigen Hochschulen nimmt er theologische Lehraufträge wahr. Er engagiert sich auch für die Päpstliche Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. In vielfältiger Weise ist er seit Jahrzehnten auch unternehmerisch tätig. In Bochum hat er ein Institut für Führungsethik gegründet, das unter anderem Coaching für Führungskräfte anbietet. Er produziert und vertreibt hochwertigen Gin der Marke „Monastic Dry Gin“. www.monasticdrygin.de |
Mitunter wirken Christen resigniert. In Diskussionen über eine nachhaltige Lebensweise etwa ist zuweilen zu hören: „Man kann da eigentlich nur alles falsch machen“. Was hilft gegen die Resignation?
Bei Entscheidungs-Prozessen gilt es immer abzuwägen, das geringere Übel zu suchen. Gegen Resignation hilft meines Erachtens, sich erreichbare Ziele zu stecken. Ein Beispiel: Es wird schwierig sein, von heute auf morgen auf sämtliches Plastik zu verzichten.
Warum aber nicht ein überschaubares Projekt starten: Die katholische und die evangelische Kirche in Leipzig tun sich mit dem Naturschutzbund, dem Geschäft Konsum und den Rotariern zusammen und rufen dazu auf, die Fastenzeit ohne Plastik durchzuhalten. Das ist machbar, schafft neue Aufmerksamkeit für das Thema und neue Verbindungen zwischen Kirche und Gesellschaft.
Eine vielleicht etwas indiskrete Frage zum Schluss: Laufen Sie als so vielbeschäftigter Dozent und Unternehmer eigentlich Gefahr, das Mönch-sein ein wenig zu vernachlässigen?
Über die richtige Form monastischen Lebens gibt es eine umfangreiche Literatur und unterschiedliche Ansätze im Laufe der Zeit. Nehmen Sie nur das benediktinische Ordensleben, das es schon seit 1500 Jahren gibt. Hier gibt es Benediktiner, Zisterzienser und Trappisten. Und auch zisterzienisches Ordensleben kann heute ganz unterschiedlich gelebt werden. Wenn man genau hinschaut, sind die Zisterzienser von Anfang an nicht immer nur an ihrem Standort geblieben. Zum bereits erwähnten Generalkapitel sind die Oberen aus ganz Europa früher nach Frankreich geritten, da waren sie eine beträchtliche Zeit unterwegs.
Heute müssen wir mehr denn je um die richtige Form klösterlichen Lebens ringen. Als Mönche sind wir darauf angewiesen, unser Leben auch nach außen zu bringen. Ich bemühe mich darum, auch im Kontakt mit Studenten, Führungskräften und Kunden.
Wenn beispielsweise ein klösterliches Produkt wie ein Gin dazu beiträgt, dass Menschen mit einem Klosterprodukt und damit mit dem Faktum, dass es heute noch Klöster gibt, in Berührung kommen, ist schon etwas erreicht. „Made in Silence – in Stille hergestellt“ steht auf dem Flaschen-Etikett. Das macht neugierig. Auf der Rückseite ist auf jeder Charge ein anderer Papstname zu lesen, angefangen bei Linus, Cletus… So kommt nebenbei auch noch die Kirchengeschichte ins Spiel.
In unserem Bochumer Klosterladen haben wir auch Kunden, die wegen des Monastic Dry Gin zum ersten Mal auf unser Klostergelände kommen. Manchmal sind es ganz kleine Dinge, mit denen sich im Leben ein neuer Horizont auftut …
Fragen: Dorothee Wanzek