Corona-Kollekte am 6. September
„Unvergleichlich größere Not“
Das Virus hat die Welt im Griff. Immer noch. Im Frühjahr startete das Bistum eine Corona-Soforthilfe für Projektpartner weltweit. Fragen an Weihbischof Udo Markus Bentz anlässlich der „Corona-Kollekte“ am Sonntag, 6. September.
Aufgrund der Situation rund um das Coronavirus hat das Bistum Mainz seit April eine Haushaltssperre. Warum ist es dem Bistum wichtig, trotzdem eine Corona-Soforthilfe für Partner der Eine-Welt-Arbeit bereitzustellen?
Corona fordert uns alle auf ungeahnte Weise. Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Krise zwingen uns zu einer klaren und straffen Steuerung bei den Finanzen. Das ist meine Verantwortung als Ökonom des Bistums. Das ist aber nur ein Aspekt. Ich möchte nicht, dass wir nur um uns selbst kreisen. Ich will und kann nicht ausblenden, dass in vielen Regionen der Welt durch Corona die Menschen in noch unvergleichbar größere Not geraten sind als wir. Deswegen möchte ich, dass wir als Bistum Mainz ein deutliches Zeichen der Solidarität setzen trotz unsrer eigenen Schwierigkeiten.
Wir haben im Bistum Kontakte zu unseren Partnern in der weltkirchlichen Arbeit vor allem nach Lateinamerika und Afrika. Dort gibt es keine vergleichbaren Auffangsysteme wie bei uns. Menschen leben vom kleinen, täglichen Handel auf der Straße. Wovon sollen sie leben, wenn es strikte Ausgangssperren gibt? Die medizinische Versorgung war in vielen Regionen schon vor der Corona-Krise mangelhaft. Jetzt ist die Versorgung der Menschen erst recht prekär. Die Versorgung mit Masken, Desinfektionsmittel und ähnlichem hat uns hier in Deutschland vor enorme logistische Herausforderungen gestellt trotz unserer Möglichkeiten. Um wie viel schwieriger ist das in den wenig entwickelten Regionen. Unsere Partner berichten von ihrer Hilflosigkeit, angemessene Unterstützung geben zu können. Deshalb habe ich mich mit den Mitarbeitern in der Geschäftsstelle Weltkirche entschieden, die sonst üblichen Projektanträge zurückzustellen zugunsten einer Corona-Soforthilfe. 100.000 Euro haben wir bereits in den vergangenen Wochen verausgabt. Jetzt haben wir entschieden, dass wir weitere 100.000 Euro zur Verfügung stellen werden.
Nach welchen Kriterien wird die Corona-Soforthilfe für die Projekte beziehungsweise Partner genehmigt?
Wie gesagt, die partnerschaftlichen Kontakte, die wir in der Vergangenheit aufgebaut haben, stehen jetzt im Mittelpunkt. Wir müssen unsere Hilfe fokussieren, eben jene langjährigen Kontakte aus unserer Projektarbeit, zum Beispiel Missionare und Missionarinnen aus unserem Bistum, oder Projekte, die wir kennen und von denen wir wissen, dass es verlässliche Strukturen gibt, sodass die Hilfe schnell und direkt ankommt. Die kirchlichen Hilfswerke beraten und unterstützen uns bei Fragen. Wir stehen auch im Austausch mit Partnerschaftsvereinen aus unserem Bistum, die ihre Projekte vor Ort unterstützen wollen. Der Projektantrag auf Soforthilfe orientiert sich an der Nothilfe, die andere Bistümer und Hilfswerke geben. In dieser Situation ist es besonders wichtig, dass die Unterstützung ohne größere bürokratischen Hürden ermöglicht wird. Wir bitten auch um Kurzberichte, wie das Geld eingesetzt wurde. Das hilft uns, ein besseres Bild über die Lage vor Ort zu bekommen.
Manchmal leiden die Menschen, beispielsweise in Afrika, nicht so sehr unter der Pandemie selbst, sondern vielmehr unter den weltweiten wirtschaftlichen Folgen. Stichwort drohende „Hunger-Pandemie“. Was liegt in der Macht eines Bistums beziehungsweise der Kirche, dauerhafte Hilfe zu leisten, um Länder krisenresistenter zu machen?
Wir wissen oder ahnen doch alle, dass auch uns hier in Deutschland eine „Krise nach der Krise“ bevorsteht. Alle Verantwortlichen sind längst damit beschäftigt, neben der akuten Krisenbewältigung Lösungsansätze für die mittel- und langfristigen Konsequenzen aus der Krise zu erarbeiten. Das braucht es auch im Blick auf unser weltkirchliches Engagement.
In den wirtschaftlich und strukturell armen Ländern wird es ebenfalls diese „Krise nach der Krise“ geben – aber mit noch gravierenderen und längerfristigen Folgen als bei uns. Deshalb braucht es nicht nur die jetzige Corona-Soforthilfe. Wir müssen schon jetzt daran arbeiten, wie wir die Menschen über die Soforthilfe hinaus unterstützen können: klar im Rahmen des uns Möglichen, aber mit dem festen Willen, auch wirklich all unsere Möglichkeiten dabei auszuschöpfen. Wie das konkret aussehen kann, ist jetzt noch nicht konkret abzusehen. Aber die Grundprinzipien sind klar: enge Kooperation mit vertrauten und verlässlichen Projektpartnern, wirkliches Hinhören auf die Bedarfe der Menschen vor Ort, Hilfe zur Selbsthilfe.
Ich staune und bin sehr dankbar, wenn ich sehe, wie großzügig die Menschen in unserem Bistum die Hilfswerke mit ihren Aktionen unterstützen und wie viele zusätzliche Projekte auf Gemeindeebene über lange Jahre hinweg mit viel Engagement und Herzblut mitgetragen werden. Dafür möchte ich ausdrücklich danken! Das stimmt mich zuversichtlich auch für die vor uns liegenden Herausforderungen.
Fragen: Anja Weiffen
Zur Sache: Geld für Essen und Medizin
Der Vergabeausschuss des Bistums unter Leitung von Weihbischof Bentz hat seit Beginn der Krise Missionare des Bistums sowie langjährige Partner der Einen Welt-Arbeit mit einer Corona-Soforthilfe in Höhe von 5000 Euro pro Projekt unterstützt. Bisher wurden 105.000 Euro des Gesamtbudgets für weltkirchliche Projekte als Direkthilfe überwiesen. Bis Ende 2020 werden weitere 95.000 Euro des Gesamtbudgets bereitgestellt. Alois Bauer, Referent für Weltkirche, Gerechtigkeit und Frieden, erläutert: „Das Geld wird direkt eingesetzt, um Nahrungsmittel zu kaufen oder medizinische Notbetreuung zu gewährleisten.“
Solidarität in Corona-Zeiten: Zwei Beispiel-Projekte
Das katholische Pfarramt St. Peter und Paul in Dieburg unterstützt das Projekt "Casa do Menor":
Mit Sorge blicken wir aus Dieburg nach Brasilien. Dort ist die Situation sehr ernst. Das Straßenkinderprojekt "Casa do Menor - São Miguel Arcanjo" im Hinterland von Rio de Janeiro, dem wir seit über 30 Jahren mit der "Brücke der Freundschaft" unterstützend verbunden sind, hat durch den Ausbruch von Covid-19 noch mehr Baustellen als sonst schon: Die Familienhäuser für elternlose und verwahrloste Kinder, die von der Schließung der Projekteigenen Berufsschule betroffenen Jugendlichen, die arbeitslos gewordenen Menschen auf der Straße, die Caritas, die Pfarr-Gemeindezentren und die der Modedroge Crack verfallenen Ausgestoßenen der Cracolandia. All diese Realitäten erfordern Hilfe, um zu überleben.
Das Projekt hilft mit Lebensmittelpaketen, Desinfektionsmitteln, Beratungstelefon und therapeutischer Nothilfe. Wir konnten und können das Engagement nur mit Spenden unterstützen.!"Weitere Infos zu diesem Projekt: www.casadomenor.org
Das zweite Beispiel-Projekt ist das Kinder- und Jugend-Projekt Tres Soles, Quillacollo,Bolivien
Als langjährige, freiwillige Assistentin des Projektleiters, in Deutschland lebend, fühle ich mich hautnah betroffen von der Pandemie. Ein Gefühl der Ohnmacht, dass man auf schier unüberwindbare Hindernisse stößt, macht sich breit. Die langen Schlangen der Infizierten vor den Krankenhäusern, für die so manche Hilfe zu spät kommt, sind leider erschütternde Realität.
Und dann öffnet sich eine Tür in Gestalt von Weltkirche/Missio und bietet unbürokratisch, solidarisch eine Soforthilfe an. Solidarität hat, ach, so viele Gesichter – bei uns ist es ein lebensrettendes Sauerstoffgerät, unter schwierigsten Umständen zu bekommen und das jetzt bezahlbar geworden ist. – DANKE und VERGELT’S GOTT!
Sabine Jorkowski
weitere Infos zu diesem Projekt: www.tres-soles.de
Zitiert: Brief aus Peru
Pater Juan Goicochea schrieb zu Ostern während des Lockdowns an die Geschäftsstelle Weltkirche / Gerechtigkeit und Frieden im Bistum. Der Comboni-Missionar arbeitet in Lima in Favelas und wird immer wieder vom Bistum unterstützt. Auszüge aus seinem Brief:
„Ich verfolge die Nachrichten aus Italien, Österreich und Deutschland. Ich fühle viel Schmerz, besonders jenen gegenüber, die ihren Job verloren haben oder die um einen lieben Menschen trauern. Die Art und Weise, wie unter diesen Umständen die Verabschiedung eines geliebten Menschen stattfindet, ohne die Möglichkeit zu haben, seinen Kummer entsprechend zu leben, ist sehr traurig. Ich fühle mich mit euch verbunden, spreche euch meine Solidarität aus und bete für euch. Wir in Peru leben auch unsere Quarantäne und die angeordnete soziale Isolation. (…) Die große Sorge, die wir haben, ist, dass wir viele verzweifelte und hungrige Menschen haben. In Peru leben 72 Prozent der Bevölkerung von einem Tag auf den anderen. Wenn sie heute arbeiten, essen sie, wenn sie nicht arbeiten, essen sie nicht. Hinzu kommen fünf Millionen Peruaner, die keinen Zugang zu Trinkwasser haben, eine halbe Million von ihnen leben in Lima. (…) Ich denke, wir brauchen für die kommende Zeit eine Strategie, die unserer Realität entspricht, sonst wird es Menschen geben, die nicht am Virus sterben, sondern am Hunger! (…) Mit einer kleinen Gruppe von Freiwilligen und unter Berücksichtigung aller möglichen Vorsichtsmaßnahmen, um uns selbst und andere zu schützen, erreichen wir mit ein wenig Hilfe viele Familien. Wir werden ihre Probleme nicht lösen, aber wir werden ihnen durch diese Hilfe sagen, dass sie nicht allein sind und dass wir gemeinsam diese Krise überstehen.“