Anstoß 43/22
Vom Abschied
Wenn das Laub langsam, unaufhaltsam von den Bäumen fällt und am Boden liegt, zeigt uns die Natur, dass es Herbst ist. Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Erste Nachtfröste zeigen es uns an und wir wissen nicht, wie hart der Winter wird. Doch noch erhoffe und ersehne ich die letzten warmen Sonnenstrahlen und genieße es, wenn sie mich wärmen.
Es gibt die kleinen Abschiede, wenn ich meine Gäste an der Klosterpforte verabschiede und dankbar bin für die gemeinsamen Augenblicke, die wir am Kamin bei einem guten Glas Wein und anregendem Gespräch erleben durften. Ich bin dankbar für diese geschenkten Stunden, denn ich weiß, alles hat seine Zeit und keine Stunde ist wiederholbar, der Uhrzeiger tickt, die Zeit verrinnt.
Aber es gibt auch traurige Abschiede: das Ende von Freundschaften und Beziehungen. Jede Scheidung tut weh und ist oft Endpunkt einer längeren Abschieds- und Entfremdungsphase. Für viele Eltern ist es außerdem schmerzhaft, wenn ihre Kinder aus dem Haus gehen.
Oft höre ich, dass das Ende des Berufslebens ambivalent ist: auf der einen Seite die Freude auf den Ruhestand, auf der anderen der Abschied von der Arbeit. Ich blicke zurück und blicke nach vorn und in mir sind Fragezeichen. Wie viel Zeit bleibt mir noch? Was bringt das Alter und wann kommt der Abschied von meiner Vitalität? Diese Abschiede sind intensiver und gegen sie kann ich mich nicht wehren, kann sie nicht verdrängen.
Auch Schlager beschreiben diese Stimmung, so Roger Whittaker im seinem Song: „Abschied ist ein scharfes Schwert, dass oft so tief ins Herz dir fährt. Du bist getroffen und kannst dich nicht wehren, Worte sind nutzlos – du willst sie nicht hören, weißt, einmal geht auch die schönste Zeit vorbei.“
Der Tod eines lieben Menschen ist wohl der schmerzhafteste Abschied, der uns noch dazu manchmal ganz plötzlich und überraschend trifft. Dann ist er wirklich ein scharfes Schwert. Es braucht Zeit, bis wir den Verlust, wenn überhaupt, verarbeitet haben. Doch gibt mir der Glaube trotz allem etwas Trost. Ich glaube an Jesu Wort aus den Abschiedsreden:„Wir werden uns wiedersehen!“
Pater Josef Kleine Bornhorst