Benjamin Weiß wird am 11. Mai in Mainz zum Diakon geweiht

Vom Camino ins Seminar

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Wer die Jakobsmuschel und die Landschaftsbilder auf seiner Einladungskarte sieht, spürt: Der Jakobsweg ist für Benjamin Weiß mehr als ein Postkartenmotiv. Am 11. Mai lässt sich der Priesteramtskandidat zum Diakon weihen. Von Anja Weiffen.

Benjamin Weiß Foto: Anja Weiffen
Benjamin Weiß auf dem Jakobsweg, der auch durch Mainz führt. Foto: Anja Weiffen

Wo verläuft in Mainz der Jakobsweg? Irgendwo am Dom … In einer Seitenstraße „blinkt“ plötzlich an einer Straßenlaterne der blaue Aufkleber mit der Muschel. Auf dem Jakobsweg und dort, wo sich für Pilger der Blick auf die Mainzer Kathedrale eröffnet, ist für Benjamin Weiß der passende Ort, um sich für die Kirchenzeitung ablichten zu lassen.

Elf Wochen war er damals unterwegs. Benjamin Weiß lief von zuhause, von Heusenstamm aus los. Zu Fuß in Richtung Santiago de Compostela. „Der erste Tag endete in Darmstadt“, erzählt der heute 35-Jährige lachend. Vor vier Jahren war das. „Ich war zuerst schlecht vorbereitet, trug Turnschuhe. Später habe ich mir Wanderschuhe zugelegt.“ Er durchquerte Deutschland, Frankreich, Spanien, um an das Grab des heiligen Jakobus zu gelangen. Der eigentliche Endpunkt seiner Pilgertour hieß jedoch Muxia, circa 70 Kilometer nordwestlich von Santiago am Atlantik gelegen.

„Die Warum-Frage hat mich nie losgelassen“

Benjamin Weiß wollte sein Leben neu ordnen. Deshalb hatte er sich 2015 auf den Jakobsweg, auf den Camino (spanisch: Weg) gemacht. Der Glaube spielte für ihn früh eine Rolle, genauso die Naturwissenschaften. „Mein Interesse an Religion begann in der Grundschule. Mich interessierte: Woher kommen wir? Warum gibt es uns Menschen? Biologie war eines meiner Lieblingsfächer. Diese Warum-Frage hat mich seitdem nie losgelassen.“ 

Von seinen Großeltern lernte er beten. Als Jugendlicher brachte er sich in das Gemeindeleben in Heusenstamm ein, leitete zusammen mit seiner Schwester Messdiener-Gruppen. Eine Wegmarke, die ihn für den Glauben begeisterte, war der Weltjugendtag 2005, als seine Heimatgemeinde Austauschgäste aus Frankreich beherbergte. 

2006 begann er Theologie zu studieren, zuerst an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt, sattelte an der Uni Frankfurt noch ein Studium der Biowissenschaften drauf. Doch der Weg, der ihn ins Lehramt führen sollte, war nicht seiner. 

Benjamin Weiß: „In Kontakt mit engagierten pastoralen Mitarbeitern habe ich gemerkt: Kirchliches Engagement kann man ja auch beruflich ausüben.“ Sein Wunsch, sich auf den Weg zum Priester zu machen, wollte er für sich auf dem Jakobsweg prüfen. 

Bei einer Tasse Tee in einem Café in der Mainzer Altstadt berichtet Benjamin Weiß, was ihm von diesem Weg besonders in Erinnerung geblieben ist: „Ich habe unterwegs eindrucksvolle Menschen getroffen. Etwa eine Frau, die bei einem Unfall Arme und Beine sowie Teile ihres Gedächtnisses verloren hatte. Da war auch ein Banker, der sich im Ruhestand neu erfinden wollte.“

Neu erfinden, das musste sich Benjamin Weiß auf dem Jakobsweg auch organisatorisch. „Ich hatte zu viel Ballast mitgenommen und schickte mehrere Päckchen nach Hause, um etwas loszuwerden. Ich wollte nicht mehr so viel tragen. Zugleich wusste ich: Gott trägt mich.“ Auf dem Weg habe er gelernt, Prioritäten anders zu setzen und sich immer wieder zu verabschieden. „Das ist ein Weg vom Loslassen. Man kann an keiner Station bleiben.“ 

Buchstäbliche Sternstunden sind ihm noch sehr präsent. So erzählt er, wie er auf der Wegstrecke in Frankreich unter freiem Himmel übernachtete. Oder wie er in Santiago de Compostela die Kathedrale besuchte. „Dort sind über einer Tür die griechischen Buchstaben Alpha und Omega zu lesen, aber sie stehen dort vertauscht: erst das O, dann das A. Ich habe es so interpretiert: Das Ende ist ein Anfang.“

Ökologie, Klimawandel und Gerechtigkeit

Für Benjamin Weiß ist es so gekommen. Das Ende des Jakobswegs war für ihn der Anfang seiner Berufsausbildung zum Pries-
ter. Seit Oktober 2015 lebt er im Priesterseminar. Zuerst war er in Freiburg zum Propädeutikum, danach in Mainz. In einigen Tagen wird er zum Diakon geweiht. 

Diakon zu sein, bedeutet für ihn auch, mitzuhelfen, dass die Kirche nicht die Bodenhaftung verliert. „Zu schauen, dass sie nicht nur die gehobene Mittelschicht anspricht. Und daran zu arbeiten, dass die Gesellschaft sich nicht noch weiter in Arm und Reich spaltet“, erklärt Weiß. Den Aspekt des Helfens habe er während seines Zivildienstes bei der Caritas in Frankfurt kennengelernt. Im Bistum möchte er sich verstärkt in der Flüchtlingshilfe engagieren. Die weite Perspektive der Kirche interessiert ihn. Vor dem Hintergrund seiner naturwissenschaftlichen Studien speziell das Thema Ökologie. Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Gerechtigkeit unter den Menschen aus? Genauso reizen ihn Fragen der Moraltheologie. 

Dass die Kirche zurzeit wegen des Missbrauchsskandals in einer tiefen Krise steckt, sieht Benjamin Weiß. Er ist aber überzeugt, dass gerade viele Maßnahmen ergriffen werden, um die Vergangenheit konsequent aufzuarbeiten und solchen Taten vorzubeugen. „In der Ausbildung“, berichtet er, „wird mit dem Thema sehr sensibel umgegangen.“ 

Für seine Zukunft als „Hauptberufler“ fühlt sich Benjamin Weiß gut vorbereitet. Die Eltern, seine Schwester und seine Freunde stehen hinter seiner Entscheidung. Und auf den Weg der Erneuerung des Bistums Mainz ist er neugierig. Hauptsache, „dass wir auf Christus schauen, egal, wo wir hingehen, dann wird es ein guter Weg werden.“

 

Weihbischof Udo Markus Bentz weiht Benjamin Weiß am 11. Mai 2019 in der Augustinerkirche, Augustinerstraße 34, in Mainz zum Diakon. Der Gottesdienst beginnt um 9.30 Uhr.

 

Zur Person: Benjamin Weiß

Geboren am 19. Juli 1983 in Frankfurt am Main

Besuch der Grund- und Realschule in Heusenstamm, danach Besuch des Beruflichen Gymnasiums in Obertshausen

September 2003 bis April 2004: Zivildienst bei der Caritas in Frankfurt am Main

2006 bis 2011: Studium der katholischen Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main mit Diplom als Abschluss

2008 bis 2011: Studium der Biowissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, Abschluss Bachelor of Science

2011 bis 2013: Lehramtsstudium an der Frankfurter Uni in den Fächern Biologie und katholische Religion mit Abschluss 1. Staatsexamen

2012 bis 2015: mehrfache Tätigkeit als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft

seit Oktober 2015 Ausbildung im Priesterseminar in Freiburg und Mainz

In seiner Freizeit engagiert sich Benjamin Weiß seit 1999 bis heute in der Kinder- und Jugendarbeit in der katholischen Pfarrgruppe in Heusenstamm; auch in der Theatergruppe Liaison – 2006 von den Gemeinden der Pfarrgruppe Heusenstamm gegründet – ist er in der Leitung der Gruppe aktiv

11. Mai 2019: Weihe zum Diakon mit dem Weihespruch „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?“ (Lukas 24, 32)