Rechte und rechtskonservative Christen
Von Angst getrieben
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Populismus und religiösen Bewegungen. Darüber hat sie das Buch „Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirche unterwandern“ (Droemer-Verlag) geschrieben. Im Interview spricht sie über die Entwicklung.
Unter Christen dürften rechtsgerichtete, die Sie von konservativen abgrenzen, eine kleine Minderheit sein. Braucht es da Ihr Buch?
Ja, da es zwar um eine, gemessen an der Gesamtzahl der Kirchenmitglieder, kleine Gruppe geht. Doch die ist nicht nur in sozialen und anderen Medien sehr aktiv.
Worin liegt die Gefahr?
Darin, dass rechte Christen Themen salonfähig machen, die von Pegida bis zur AfD aufgegriffen werden. Dazu nutzen sie den nach wie vor vorhandenen Vertrauensvorschuss, den viele Christen – oft zu Recht – genießen. Außerdem befinden sich in Ost wie West unter „rechten Christen“ nicht nur Kirchgänger, sondern auch „Kulturchristen“ – ob als Kirchenmitglieder oder Konfessionslose. Das „christliche Abendland“ wird als Identitätsmarker für eine rechte Gedankenwelt instrumentalisiert, das Christentum der Nächs- tenliebe zu einer nationalen Kulturgemeinschaft umgedeutet.
Wie relevant ist das Milieu?
Eine Allensbach-Umfrage zur Anzahl der christlichen AfD-Wähler vom Frühjahr 2018 zeigt: Kirchennahe Christen wählen die Partei zwar weit seltener als kirchenferne oder Konfessionslose. Es sind circa drei bis vier Prozent. Grund zu Entwarnung ist das nicht. Denn das entspricht immerhin über 100 000 Personen. Und das Gedankengut ist nicht auf die Partei beschränkt, sondern reicht bis in Unionskreise.
Gibt es eine Art Typus, wie ihn die Forschung für Pegida-Demonstranten skizziert hat?
Es sind Menschen, die das konservative Denken sprengen und Schwarz-Weiß-Kategorien verhaftet sind. Klare Hierarchien spielen eine wichtige Rolle. Sie werten andere Menschen oft ab und sich auf, pflegen ihre Gruppenzusammengehörigkeit stark und befassen sich mit den immer gleichen Themen. Oft ist mir die Freudlosigkeit aufgefallen, der Kulturpessimismus. Dabei können Christen froh vorausschauen, nach dem Motto: Wir wollen als Salz der Erde Freude am Glauben vermitteln.
Wie wirkt sich das auf die Themen aus, die behandelt werden?
Der Umgang ist von Angst getrieben: etwa bei der Fixierung auf eine strenge Sexualmoral, die alles Nicht-Heterosexuelle diskreditiert und vor „Frühsexualisierung in Schulen“ warnt. Wladimir Putin soll als „Garant christlicher Werte“ gegen politische Korrektheit und moralischen Verfall helfen, auch gegen den Islam, der undifferenziert als Feindbild dient, das bis in atheistische rechte Kreise anschlussfähig ist. Die Religionsfreiheit wird von vielen infrage gestellt, getreu dem katholischen Motto aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil: Keine Freiheit für den Irrtum.
Gibt es Hochburgen?
Bei Katholiken sehe ich keine geografischen Schwerpunkte. Bei Protestanten betrifft es vorrangig Regionen, in denen der Pietismus stark ist oder das Evangelikale – die Gegenden um Wetzlar, das Sieger- und das Bergische Land, Pforzheim, Stuttgart, Augsburg und das jeweilige Umland sowie in Sachsen der Bibelgürtel im und nahe dem Erzgebirge.
Liane Bednarz | Foto: Privat |
Stehen auch Kleriker in Verbindung zur AfD und rechtem Gedankengut?
Ja, zum Beispiel der im Rheinland einflussreiche katholische Sozialethiker und Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels, der etwa dadurch auffällt, dass er im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung sitzt und rät, Bischöfe, die die Partei kritisieren, mit „Herr Hohlkopf“ anzusprechen.
Zum Kompass des Milieus gehört es auch, die Rolle der Frau traditionell auszudeuten. Wie wird das begründet?
Rechte Christen führen biblische Motive an: „Seid fruchtbar und mehret euch!“ Frauen mit vielen Kindern brauchen viel Zeit für die Familie. Das Thema spiegelt sich aber auch darin wider, dass Frauenquoten und Gleichstellungsbeauftragte abgelehnt werden. Frauen wollen eigentlich keine Karriere, heißt es. Und wer kinderlos ist, muss sich fragen lassen: Warum?
„Wie umgehen mit rechten Positionen aus christlichem Mund?“, heißt das letzte Kapitel Ihres Buches. Was raten Sie?
Dass sich moderate konservative Kräfte, wie auch jenseits der Kirchen, deutlicher zu Wort melden. Aus dem Gespräch mit AfD-Aussteigern weiß ich: Ausgrenzung und Bevormundung bewirken nichts. Sie schließen die Reihen. Als Christ muss man zwischen Haltung und Person unterscheiden. Vielen Leuten ist die Zuspitzung ihrer Positionen, die oft schleichend geschieht, gar nicht bewusst. Nötig sind gute Argumente und Geduld. Überzeugung ist ein Prozess, bis die eigenen Zweifel zu groß sind.
Gibt es Grenzen im Gespräch?
Ja, wo nur Hass oder Beleidigungen verbreitet werden, wird es schwierig. Wie soll da ein Gespräch gelingen? Nicht nur die Kirchen haben aber mittlerweile eine Reihe guter Handreichungen erarbeitet, wie der Gesprächseinstieg klappen kann.