Anstoß 32/22

Von Heiligkeit war nicht die Rede

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Eine gottgefällige Lebensgestaltung bedeutet nicht, dabei alles andere außer Acht zu lassen, meint Andrea Wilke.


Neulich las ich ein Zitat, das mich gedanklich ins Stolpern brachte. Es ist von Ignatius von Loyola. Ich will dem Heiligen nicht ans Leder, aber das „Stolper-Zitat“ weckte die Rebellin in mir. Es lautet wie folgt: „Herr, lehre mich wahre Großmut! Lehre mich, dir zu dienen so wie du es verdienst: geben, ohne zu zählen, arbeiten, ohne Ruhe zu suchen, mich aufopfern, ohne einen anderen Lohn zu erwarten als das Bewusstsein, deinen heiligen Willen zu erfüllen.“ Aufmerksamen Kirchenzeitungslesern kommt das Zitat vielleicht bekannt vor, denn es stand in einer der letzten Ausgaben.

Was für ein hehres, also Ehrfurcht einflößendes, erhabenes Gebet! Auf jeden Fall ist erkennbar, welchen Platz Gott im Leben des Ignatius innehatte: ganz klar den ersten. Das spricht mich an, das Gott-den-ersten-Platz-im-Leben-geben. Ihm zu dienen, wie es ihm gebührt, verstehe ich auf dem Hintergrund des Ignatius-Zitats als: für Gott nur das Beste.

Aber was ist das Beste? Gibt es dafür ein Maß? Ich möchte mich und Gott nicht allabendlich fragen: War ich heute gut genug für dich? Gott ist doch keiner, der Druck ausübt, was Bewertungen, egal ob gute oder schlechte, jedoch tun. Am meisten stolperte ich bei den Worten „arbeiten, ohne Ruhe zu suchen, mich aufopfern“. Ich gestehe Ignatius diesen Anspruch an sich selbst zu. Doch ich möchte nicht (mehr) arbeiten, ohne Ruhe zu suchen. Zu viele Jahrzehnte habe ich mich nach Ruhe gesehnt und sie mir nicht gegönnt beziehungsweise nur mit schlechtem Gewissen.

Indoktrinationsähnliche „Glaubenssätze“ von klein auf, dass nur der gut ist, der etwas Vorzeigbares leistet, wirkten nachhaltig. Ich möchte mich auch nicht aufopfern. Sich aufopfern klingt wie nach Heiligkeit strebend. Gott möchte unser Heil; von Heiligkeit war nicht die Rede. Mein Leben ist ein Geschenk, von ihm. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er jetzt anspruchsvoll darauf wartet, dass ihm dieses Geschenk auf dem Altar des Lebens als Opfergabe dargebracht wird. Er weiß, dass wir am besten damit fahren, wenn wir lieben. Liebe ist kein Synonym für Opfer. Liebe und Lieben macht heil. Was meinen Sie?

Andrea Wilke, Erfurt