Anfrage

Warum fehlt Jesu Wirken im Credo?

Im Glaubensbekenntnis folgt auf „geboren von der Jungfrau Maria“ direkt „gelitten unter Pontius Pilatus“. Warum fehlt Jesu Wirken? Hielten die Verfasser es für unwichtig, auch an das Abendmahl oder an seine Wunder zu glauben? Thomas Kreft, Aachen

Ja, man könnte sich das gut vorstellen: „Ich glaube an Jesus Christus, der Barmherzigkeit und Vergebung predigte, der Kranke heilte und Tote erweckte, der sein Leib und Blut schenkte, der gelitten hat unter Pontius Pilatus ...“ Warum ist sein irdisches Wirken komplett ausgespart?

Die erste Antwort ist vielleicht etwas unbefriedigend: Kein Glaubensbekenntnis ist vollständig. Das gilt im Credo etwa auch für die Gottesbeschreibung. Der Allmächtige: ja; der Barmherzige: nein; wobei nicht davon auszugehen ist, dass die Verfasser Gott nicht für barmherzig hielten oder nicht glaubten, dass Gott die Liebe ist. Also: Dass etwas nicht drinsteht, heißt nicht, dass es für unwichtig gehalten wird.

Die Frage ist deshalb umgekehrt zu stellen: Nicht, warum steht etwas nicht drin? Sondern: Warum steht etwas drin? Ein Grund ist, dass es absolut entscheidend ist. „Wir glauben, dass Jesus starb und auferstanden ist“, lautet ein Glaubensbekennntnis im Thessalonicherbrief (4,14). Das ist der Kern. Punkt. Man könnte auch etwas altertümlich formulieren: Das ist heilsnotwendig. Demgegenüber sind Jesu Predigt und seine Heilungswunder sekundär. 

Ein anderer Grund für eine Aussage ist oft, dass sie umstritten ist, dass also Pflöcke eingeschlagen werden sollen. So wurde gegen die Irrlehre, dass Jesus ein Mensch war, der später von Gott zum Sohn erhoben wurde, der Pflock eingeschlagen: „Empfangen durch den Heiligen Geist.“ Und gegen die Irrlehre, dass der göttliche Jesus gar nicht menschlich leiden und sterben konnte, der Pflock: „gekreuzigt, gestorben und begraben“. Dass Jesus Liebe predigte, heilende Hände hatte und das Abendmahl einsetzte, war unumstritten.

Zum Vergleich: das jüdische Bekenntnis „Höre Israel, dein Gott ist ein einziger Gott.“ Hochumtritten damals, schließlich hatten alle Völker rundherum viele Götter. Deshalb dieser Pflock. Was und wie Gott sonst noch ist, ist wichtig; dass er einzig ist, ist entscheidend.

Susanne Haverkamp