Anfrage
Warum wurde Hitler nicht exkommuniziert?
Kürzlich gab es eine Anfrage zu Adolf Hitler. Ergänzend dazu die Fragen: Warum wurde Hitler nicht exkommuniziert und „Mein Kampf“ auf den Index gesetzt? W. T., Hannover
Über die Beweggründe des Umgangs der katholischen Kirche mit dem Nationalsozialismus und mit Adolf Hitler gibt es endlose Debatten. Leider oft ohne beweisbare Ergebnisse – es bleibt bei Vermutungen.
Bleiben wir zunächst in Deutschland: Zu Beginn der 1930er Jahre vertraten einige Bischöfe die Meinung, ein Katholik könne nicht Mitglied der NSDAP oder einer ihr nahestehenden Organisation sein. Exkommunikation wurde angedroht. Doch nach dem Wahlsieg im März 1933 und nach einem Gespräch, das Bischof Berning im Auftrag der deutschen Bischöfe mit Hitler führte, wurde das Verbot der Mitgliedschaft in einer Botschaft an die Gläubigen aufgehoben. Zum Schutz der Gläubigen? Aus Angst vor Repressalien? Aus Respekt vor dem gewählten Kanzler? Aus Überzeugung? Wer weiß ...
Im Vatikan gab es eine ständige Gratwanderung zwischen Ablehnung der NS-Ideologie und Sorge um den deutschen Katholizismus. Deshalb etwa das Reichskonkordat, mit dem man Freiheiten für die Kirche zu erreichen hoffte. Vielleicht noch wichtiger: Hitler war ein gewähltes Staatsoberhaupt war. Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf vermutet hier den Hauptgrund für die zurückhaltende Behandlung Hitlers. In einem Interview mit der „Welt“ sagte er: „Vermutlich stand im Hintergrund der Zweifel, ob man ein legales Staatsoberhaupt einfach so exkommunizieren kann, wo es doch im Römerbrief heißt: Alle staatliche Obrigkeit kommt von Gott, wer sich gegen die staatliche Obrigkeit auflehnt, lehnt sich gegen Gott auf.“
Gleiches gilt für „Mein Kampf“ und den Index. 1934 verurteilte der Vatikan Alfred Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts“. Hubert Wolf meint: Rosenberg, den Chefideologen einer weltanschaulichen Bewegung, die in klarem Widerspruch zum katholischen Glauben stand, konnte man jederzeit indizieren, die legale staatliche Obrigkeit, den Reichskanzler Hitler, jedoch keineswegs. Was für diese Vermutung spricht: Auch die Staatsoberhäupter Mussolini, Lenin oder Stalin landeten nicht auf dem Index.
Susanne Haverkamp