Was uns diese Woche bewegt

Was bleibt nach 40 Jahren?

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40 Jahre ist es her, dass uns die Schule ins Leben verabschiedet hat, ausgerüstet mit einem Papier, das uns die Hochschulreife bescheinigte. Jetzt sitzen wir wieder zusammen, älter geworden, mancher tatsächlich gereift, mancher nur grauhaarig geworden. Gestandene Frauen und Männer, einer, der Oliver, immer im Fernsehen, ist so richtig berühmt geworden, andere sind immer noch so zurückhaltend wie damals. Wir erzählen uns von Träumen, die Wirklichkeit geworden sind und von denen, die wir noch umsetzen wollen. 

Es ist seit dem Abitur nicht das erste Treffen. Anne ist es, die alle fünf Jahre trommelt. Die mit monatelangem Vorlauf ein Lokal organisiert, eine Führung durch die frühere Schule, die ehemalige Lehrerinnen und Lehrer einlädt. Wäre sie nicht, wir wären heute gar nicht hier. Jeder Schuljahrgang braucht so eine rührige Person, die sich selbstlos einsetzt.

Was hat sich verändert seit dem Meeting vor zehn oder 20 Jahren? Wir erkennen nicht mehr alle. „Bist Du das wirklich?“, heißt es hier und da zur Begrüßung. Auch bei den Namen gibt es Aussetzer. Aber: Wir müssen uns nichts mehr beweisen. Keiner muss Fotos zücken von seinem Haus, seinem Auto oder seinem Boot, wie es vor Jahren mal in einer Fernsehwerbung üblich war. Es geht mehr um inhaltliche Fragen. Wie kommst du klar in deinem Alltag? Wie ist das, wenn man mit knapp 60 schon Oma oder Opa ist? Und immer wieder: Wie lange hast du noch bis zum Ruhestand? 

Dann plötzlich die Frage: War der da drüben auch in unserem Jahrgang? Ein paar ehemalige Lehrer haben sich dazugesellt, bei ihnen fällt die Wiedererkennung oft noch schwerer. Aber es entwickeln sich plötzlich Gespräche auf anderem Niveau als früher. Damals existierte das Gefälle: ich der kleine Schüler, du bzw. Sie der Erwachsene, der mich zu beurteilen hat. Heute können wir Anekdoten von früher austauschen, ohne dass wir Rücksicht nehmen müssen auf mögliche Bewertungen. Können erzählen, was am Unterricht schön war und was nicht. Es geht um Gott und die Welt, um das Damals und das Heute, schließlich sogar ums Sterben. Ehrlicher Austausch auf Augenhöhe mit einem Lehrer – früher undenkbar.

Was bleibt? Es ist schön, sich mal wieder an früher zu erinnern, wieder in die Rolle der Jugendlichen zu schlüpfen, die wir mal waren, aber wir haben uns natürlich weiterentwickelt. Wäre ja noch schöner, wenn sich in 40 Jahren in der Persönlichkeit nichts getan hätte. Dankbarkeit: Trotz mancher Einschränkung geht es uns insgesamt gut. Schließlich die Erkenntnis, dass früher längst nicht alles besser war als heute. Freuen wir uns auf das nächste Treffen. Anne wird bald wieder trommeln.

Matthias Petersen