Neun Menschen berichten
Was den Menschen Hoffnung macht
"Hoffnungszeichen" ist das Motto des Kreuzfestes in Limburg in diesem Jahr. Am 19. und 20. September wird das Fest in Limburg gefeiert. Hier erzählen Menschen von ihren "Hoffnungszeichen" in der derzeitigen Situation.
Annemarie
Trauer und Corona – das ist eine harte Kombination. Wie kann ich von Hoffnung reden, wenn ich mit Menschen zu tun habe, die einen lieben Menschen verloren haben? Mit Menschen, die durch die Corona-Beschränkungen noch stärker ihr persönliches Kreuz, das Allein-Sein, spüren?
Ich kann es durch Menschen wie Annemarie. Sie hat Ende März ganz überraschend ihren Lebensgefährten verloren und war am Boden zerstört. Doch in den Gesprächen mit ihr durfte ich erfahren, wie sie, in aller tiefen Trauer, die auch weiter bleibt, Hoffnung schöpfen konnte. Wie sie davon lebte, dass manche aus ihrem Umfeld liebevolle, „coronataugliche“ Ideen hatten: Ihr eine persönlich gestaltete Karte schickten, deren Worte ihr Halt gaben. Eine nette Nachbarin ihr einen Topf Essen auf die Terrasse stellte. Wie sie selber das Sticken wieder entdeckte und merkte, wie gut ihr die Handarbeit tat, als ihr Kopf am Durchdrehen war.
Menschen wie Annemarie machen mir Hoffnung: Die in ihrem Kreuz, ihrem eigenen Schicksal durch andere oder in sich selbst (ich glaube durch Gottes Geist) Hoffnung schöpfen – zum Weiterleben.
Verena Maria Kitz ist Leiterin von St. Michael, dem Zentrum für Trauerseelsorge in Frankfurt.
Selbstlos
Die Corona-Pandemie hat uns etwas wieder sehr deutlich in Erinnerung gerufen. Entgegen unseres Fortschritts- und Machbarkeitsglaubens zeigt sich, dass wir nicht alles in der Hand haben. Die Kreuzreliquie, die im Zentrum des Kreuzfestes steht, ist für mich dabei ein deutliches Hoffnungszeichen: Sie erinnert uns daran, dass dem unheilvollen Ereignis auch der gegenwärtigen Pandemie nicht bloß eine irgendwie aufbauende Glaubensbotschaft gegenübersteht, sondern ein konkretes heilbringendes Ereignis: Tod und Auferstehung Jesu Christi.
Der menschgewordene Gott, der sich in unsere Hand gegeben hat und am Kreuz seine Hände ausgebreitet hat, hat sich als der erwiesen, der in Wahrheit alles in seinen guten Händen hat. Das ist Glaube! Ein Hoffnungszeichen sind für mich all jene Menschen, die aus diesem Glauben gerade jetzt nicht nachlassen zum Gottesdienst zu kommen, oder wenn sie das nicht können, zu Hause zu beten, und weiter auch jene, die neu entstandener Not mit selbstlosem Einsatz begegnen.
Klaus Nebel ist Stadtdekan in Wiesbaden und Pfarrer von St. Bonifatius.
Etwas bewegen
Ich bin optimistisch und sehe entsprechend viele Hoffnungszeichen. Eines ist zum Beispiel das Kreuzfest, wie wir es jetzt unter so ungewöhnlichen Umständen doch gemeinsam feiern. Ich freue mich an all der Kreativität und Flexibilität, die die Corona-Situation angestoßen hat.
Ein weiteres Hoffnungszeichen sind für mich die aktuellen kircheninternen Debatten, denn ich habe den Eindruck, dass sich etwas bewegen kann. Mich stimmt der Synodale Weg der deutschen Kirche optimistisch, weil es gut ist, dass wir miteinander reden – viele wichtige Themen, wie zum Beispiel die Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche, kommen dort in eine offene Debatte. Die klaren Ergebnisse des Projekts „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“ stimmen mich ebenfalls optimistisch. Sie sind ein so wichtiger Schritt hin zu einem Perspektivwechsel in Kirche.
Und natürlich stimmt mich der Blick auf den Ökumenischen Kirchentag hoffnungsvoll. Dieses Fest wird ein großes Hoffnungszeichen für die Ökumene.
Ingeborg Schillai ist Vorsitzende des Diözesan-Synodalrats.
Mieinander
Ich bin gefragt worden, worin für mich das Positive in der neuen Situation besteht, was meine „Hoffnungszeichen“ sind. Seit Tagen denke ich darüber nach:
» die Unterstützung meiner Kollegen, die ich täglich erfahre
» der umsichtige, achtsame Umgang miteinander
» wir müssen alle Abstand halten und deswegen genauer aufeinander achten, genau hinsehen, uns besser einfühlen: was braucht der andere?
» was kann ich ihm/ihr Gutes tun?
Das ist praktizierte Nächstenliebe und ich glaube, wir spüren alle, dass soziale Gemeinschaf-ten sich in diesem Sinne erneuern. In unserer Schulgemeinde spüren wir dieses Miteinander sehr konkret. Dieses neue Miteinander macht Mut. Es ist mein Hoffnungszeichen! So habe ich es beim Online-Schuljahrsgottesdienst formuliert.
Dr. Henrike Zilling ist Direktorin der Marienschule in Limburg.
Teilen
Das Leben in Zeiten der Corona-Pandemie macht uns deutlich, wie verletzlich wir sind und wie stark wir aufeinander angewiesen sind.
Vieles was selbstverständlich war, ist knapp geworden: Nähe, persönliche Begegnungen und Gemeinschaft. Wir organisieren uns von Tag zu Tag neu und hoffen auch auf einen Impfstoff.
Dankbar dürfen wir erfahren, wie groß die Solidarität und wie stark der gesellschaftliche Zusammenhalt ist. Hier müssen wir dranbleiben, Zeichen setzen, Beispiel geben und mit der Welt teilen.
Denn auch das zeigt uns die Corona- Pandemie: Die Welt kennt keine Grenzen. Alles hängt mit allem zusammen. Eine Krone ist ein Zeichen von Macht, Herrschaft und oft auch Unterdrückung. Wir erfahren täglich Einschränkungen unserer Grundrechte und der Freiheit. Es bleibt uns das Kreuz als Weg der Hoffnung in eine Welt auch ohne Corona.
Jörg Klärner ist Direktor des Diözesan-Caritasverbands.
Würzwisch
Mein persönliches Hoffnungszeichen in diesen Tagen ist der „Würzwisch“ in meiner Küche, das Kräutersträußchen, das an Mariä Himmelfahrt gesegnet worden ist.
Hoch oben auf einem Regal, habe ich es vom Küchentisch aus immer im Blick. Vor der Vase steht eine kleine Muttergottes aus Holz, über die sich die Blumen und Kräuter neigen, als wollten sie ihr Schatten spenden. So farbenfroh und frisch sehen sie aus, ein paar Tage nach dem Fest, und sie duften köstlich.
Im Laufe des Jahres werden sie dürrer, und nächsten Sommer wird ein bleiches Scheusal von einem Sträußchen übrig sein.
Die Muttergottes jedoch erträgt unbewegt und lächelnd diese Verschlechterung ihrer Umgebung. Sie weiß, dass eines Tages die Kräuter wieder treiben und die Blumen wieder blühen werden, dass ihr Fest wiederkommt, der Herr käme ihr denn zuvor.
Die Zeit schreitet voran, was sein wird, ist ungewiss, und das Vergangene kehrt nicht wieder. Linear sieht es für uns nicht gut aus. Aber Gottes Barmherzigkeit, die jeden Morgen neu wird, verschränkt mit dieser Bewegung eine andere, eine Kreisbewegung. In ihr dürfen wir wiederholen, vertiefen und auch etwas wiedergutmachen, was wir schlecht gemacht haben.
Beides zusammen – dass es vorwärts geht, und dass es immer neue Chancen gibt – : Das ist meine Hoffnung.
Johannes zu Eltz ist Stadtdekan in Frankfurt, Mitglied des Limburger Domkapitels und Pfarrer der Frankfurter Dompfarrei Sankt Bartholomäus.
Das Gute
Auch in diesen Zeiten gibt es in allem Negativen immer auch das Positive zu sehen, zum Beispiel, wenn Menschen den Mut haben, gegen Diktatur und Wahlbetrug zu demonstrieren, wenn Jugendliche regelmäßig auf die Straße gehen, um eine Klimakatastrophe zu verhindern, wenn Nachbarn füreinander einkaufen, weil sie wegen Corona in Quarantäne sind, wenn Menschen sich in der Kirche weiter engagieren und nicht aufgeben, obwohl es eine Meldung wert ist, dass bei dem ersten Treffen des Synodalen Weges, einem Treffen von Bischöfen und Nicht-Bischöfen, die Bischöfe nicht gesondert einziehen und nicht herausgehoben sitzen, wenn vom Missbrauch durch Kleriker Betroffenen geglaubt und geholfen wird, und die Taten öffentlich gemacht werden, wenn Kirche die Menschen wieder stärker in den Blick nimmt, weil die Zahl der Kirchenaustritte stark ansteigt.
Sind das dann Hoffnungszeichen? Vielleicht auch, aber vor allem ist es Vorbild und Ausdruck des Guten in den Menschen. Und das macht mich optimistisch.
Wiegand Otterbach, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Kopfhörer
„Egal was kommt, es wird gut – sowieso.“ – Eine Zeile aus den vielen Songs, denen ich schon über meine Kopfhörer gelauscht habe.
Kopfhörer lassen mich stets optimistisch bleiben. Ob beim Verreisen, beim Joggen oder beim Arbeiten am Schreibtisch beziehungsweise in der Werkstatt: Ich bekomme was auf die Ohren und bekomme einen Einblick in verschiedene Lebenswelten.
Auch jetzt in der Pandemie lassen sie mich hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Wenn ich telefoniere, nutze ich dazu mittlerweile die Kopfhörer als Headset – die Arme sind frei, die Ohren gespitzt und ich kann trotz Abstand anderen verbal begegnen und fühle mich gar nicht so allein. Die Kopfhörer sind aber auch mein Ausgang aus dem Alltag, wenn mir mal alles zu viel ist. Die passende Playlist angewählt und das Joggen kann beginnen.
Auch beim Beten, kreativen Denken oder Werkeln waren sie mir schon häufig eine Stütze, um den Gedanken freien Lauf zu lassen. Und gerade das große Angebot an Podcasts und Redebeiträgen sind mit Kopfhörern viel besser zu genießen.
Ebenso Konzerte, denn wie geht die Zeile nochmal: „Egal was kommt, es wird gut – sowieso.“
Manuel Gall ist Pastoralreferent in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden.
Kinder
Manches Mal stellt sich mir die Frage: Wohin soll das alles bloß führen? Ist die Welt bald am Ende? Eigentlich verantwortungslos, Kinder in diese Welt zu setzen. Sie müssen gegen ein Meer aus Plastik, Seuchen und den Klimawandel kämpfen.
Dann fallen mir Gespräche ein, die mich hoffen lassen. Gespräche mit meinem Vater, der erzählt, dass auch sie damals mit dieser Aussage konfrontiert wurden, als sie mich und meine Geschwister bekamen: „Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt’s doch auch nicht!“ Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen: Bis jetzt ist die Welt noch nicht untergegangen, es hat sich also gelohnt meine Geschwister und mich in die selbige zu setzen. Gespräche mit meiner Schwägerin, die mir sagt, dass unsere Kinder es besser machen werden als wir. Weil sie mit einem anderen Verantwortungsgefühl Gottes Schöpfung gegenüber aufwachsen.
Und dann schaue ich mir unsere Kinder an – begeistert, glücklich, wissbegierig und voller Hoffnung. Sie vertrauen darauf, dass alles gut ist. Dann weiß ich: Es besteht Grund zur Hoffnung. Egal was kommt, es lohnt sich mit hoffnungsvollem Blick in Richtung Zukunft zu schauen.
Wie heißt es auf den Postkarten: „Am Ende ist alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Ende.“
Linda-Maria Gall, Pastoralrefentin in der Pfarrei St. Peter und Paul Eltville