Auferstehung und das Leben nach dem Tod
Was kommt danach?
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Gerechtigkeit und Frieden
Dass Menschen sterben, erlebe ich bei meiner Arbeit oft. Seit ungefähr zehn Jahren arbeite ich jetzt bei den Maltesern in Hamburg. Vor der ersten Reanimation hatte ich Angst zu sehen, dass jemand es nicht zurück ins Leben schafft und stirbt. Ich habe immer gedacht, hoffentlich trifft es nicht mich, da gibt es doch andere Sanitäter, die viel mehr Erfahrung haben. Heute kann ich es gut annehmen, wenn ältere Menschen auf natürlichem Wege und in einem behüteten Umfeld sterben.
Wenn jemand in der Wohnung stirbt, mache ich das Fenster auf. Ich glaube, die Seele fliegt dann aus dem Körper heraus ins Himmelreich. Das stelle ich mir vor wie eine tiefe Bewusstlosigkeit, in der man noch alles hört und sieht, aber es geht einen nichts mehr an. Totales Loslassen. Das ist für mich die Auferstehung. Ich denke, dass alle Toten im Himmelreich vereint sind. Als meine Mutter kurz nach meinem Vater an Krebs starb, war ich gar nicht traurig: Ich wusste, sie wollte zu meinem Vater in den Himmel. Sie selbst hatte nie Angst, sie wusste, dass sie jetzt erlöst wird. Das hat mir auch die Angst genommen.
Ich glaube, dass im Himmel jeder gleich ist, egal, was er auf der Erde hatte oder welche Hautfarbe er hat. Da oben gibt es kein Geld, keinen Neid, keine Schmerzen. Nur Gerechtigkeit und Frieden. Manchmal sagen mir Kollegen, die nicht religiös sind, dass sie sich für die Patientin nicht so viel Zeit genommen hätten. Dann denke ich: Das muss man doch, man darf die Leute doch nicht alleinlassen. Dann komme ich mir vor wie ein kleiner Engel, der durch Hamburg flitzt.
Wenn Menschen sich das Leben nehmen, kann ich das nicht so leicht wegstecken. Vor allem, wenn sich ein junger Mensch, der psychisch krank war, umbringt. Gleichzeitig werde ich dann dankbar dafür, dass es meiner Familie gutgeht. Je mehr Leiden ich sehe, desto stärker wird mein Glaube. In der Situation selbst bin ich natürlich verzweifelt und frage Gott: Warum musste das jetzt passieren?
Dann hilft es mir, mich daran zu erinnern, dass ich als Rettungssanitäterin auch nur ein Mensch bin und nicht alles verstehen kann. Wenn ich dann meine Gebetskette dabeihabe, spüre ich, dass ich gesegnet bin, und das tröstet mich.
Monika Könnecke ist Rettungssanitäterin in Hamburg.
Ein helles großes Glück
Als Kind hatte ich Angst, alleine über den Friedhof zu gehen. Ich stellte mir vor: Was ist, wenn jetzt die Toten aus den Gräbern herauskommen und auferstehen? Heute glaube ich an die Auferstehung der Toten, aber anders.
Meine Nahtoderfahrung hat mich da einiges gelehrt. Mein Körper war nach einer missglückten Routineoperation plötzlich im Sterbeprozess. Meine Frau überlegte bereits, wo sie mich beerdigen lässt. Für mich selbst war es so: Ich saß auf einem Stuhl und drehte gegen eine Radwalze, die sich links und rechts vor mir eingehängt auf mich zudrehte. Ich drehte gegen den Tod, erschöpft, verschwitzt, schwer atmend. Plötzlich sagte eine Stimme zu mir: „Jetzt ist es so weit, jetzt bist du ja gleich im Himmel. Daraufhin hast du doch so oft gepredigt.“
Es entstand ein grenzenloses helles Glück, geradezu eine Explosion von Glück. Und in dieses Glück hinein wollte ich gehen. Ich war spitzbübisch neugierig: Jetzt sehe ich gleich GOTT, den wollte ich doch immer schon mal sehen. Noch einen Millimeter, dann sehe ich gleich GOTT ... Aber es ging und ging nicht und ich probierte es immer wieder.
Nach langer Zeit in diesem Glück sagte die Stimme zu mir, „Schade um deine Frau.“ Das Glück ist zusammengebrochen und ich musste zurück in meinen Körper mit Darmlähmumg, septischem Schock und Magensaft in der Lunge. Nach einer weiteren Notoperation wurde ich nach einiger Zeit aus dem künstlichen Koma zurückgeholt.
Wie erkläre ich mir diese Nahtoderfahrung? Zunächst einmal ist es mir als Theologieprofessor wichtig zu betonen, dass sie kein Beweis für die Existenz Gottes ist und auch keiner dafür, dass und wie es ein Leben nach dem Tod gibt. Aber es ist ein Hinweis dafür, wie sterben offensichtlich gehen kann. Auch wenn ich nicht zu Ende gestorben bin.
Durch die Nahtoderfahrung ist meine Angst vor dem Tod zerplatzt wie ein Luftballon. Dieses große Glück will ich ja wieder erleben. Respekt und Befürchtungen habe ich im Blick auf den Prozess des Sterbens. Dies kann je nach Krankheit, Alterungsprozess oder Zusammenbruch eines Organes ja auch ein ganz schmerzlicher Weg sein. Aber: Am Ende kommt wieder das große Glück, das explosive Glück und wie es dann weitergeht, wenn ich diese Grenze dann spitzbübisch neugierig endgültig überschritten haben werde, lasse ich mich überraschen.
Die oft vorgetragene Argumentation, der biologische Tod sei so, wie wenn die Festplatte im Computer für immer gelöscht wird, halte ich für grundfalsch. All das, was mein Gehirn an Geistigem hervorgebracht hat in dieser meiner Lebenszeit auf der Erde, kann nämlich gar nicht sterben. Geist kann nicht sterben, Geistiges kann man nicht messen, nicht wiegen, man kann Geist nicht in die Hand nehmen und man kann Geist auch nicht einfach begraben und verwesen lassen. Ich bin mehr als mein Körper, ich nehme all das mit, was geistig ist an mir und was ich in diesem meinem jetzigen Körper an Kommunikation, an guten und an bösen Gedanken umgesetzt habe.
Es bleibt ein großes Geheimnis, wie wir dann bei Gott existieren, für uns außerhalb von Raum und Zeit. Ist es liebende Kommunikation mit und in Gott, die uns glücklich und zufrieden macht? Wird unser jetziges Leben in die Einheit Gottes hinein geeint, aus der alles kommt und die das große Ziel von allem ist? Geheiligt auch in dem, was in meinem Leben nicht geklappt hat? Welcher Mensch, muss sich diese Frage nicht stellen? Nur wer narzisstisch und egozentrisch unterwegs ist, kann behaupten, dass er keine Fehler macht und nicht auch schuldig wird.
Albert Biesinger ist Theologieprofessor in Tübingen.
Humor und gute Musik
Ich hatte eine Nahtoderfahrung. Ich ging ins Licht und musste dann umkehren. „Du nicht!“, hieß es. Der Nahtod ist freilich eine menschliche Erfahrung und sagt uns noch nichts aus über das, was danach kommt. Die von so vielen Menschen geteilte Erfahrung eines Übergangs im Licht ist verheißungsvoll. Dennoch wissen wir nicht, was wirklich kommt.
Als ich ein Kind war, lernte ich Botschaften wie „Gott sieht alles“. Das erschien mir zwar einleuchtend, weil es mit dem Gedanken der Allmacht Gottes in Verbindung stand. Gleichzeitig gefiel mir die Idee eines obersten Aufpassers ganz und gar nicht.
Die Frage nach dem, was nach dem Tod kommt, ließ mich nicht los. Ich lernte etwas über Grabbeigaben in alten Kulturen. Und je älter ich wurde, desto mehr fragte ich nach der „himmlischen Gerechtigkeit“. Kann es denn sein, dass all das Leid auf dieser Erde ohne Folgen bleibt? Ist Gott nicht doch der oberste Richter, der ausgleicht und richtet, was böse und schräg war? Werden wir bereuen, was wir falsch gemacht haben? Immer deutlicher verstand ich, dass Menschen ihre eigene Sehnsucht nach Gerechtigkeit ins Jenseits projizieren. Aber was passiert wirklich?
Religionen versuchen, Antworten darauf zu finden, was nach dem Tod kommt. Dabei stoßen sie an die Grenzen des Verstandes, denn niemand weiß es, wenn er nicht selbst gestorben ist. Trotz aller Physik und Naturwissenschaft können wir weder definitiv wissen noch definitiv ausschließen, dass uns ein Leben nach dem Tod erwartet.
Als gläubiger Mensch setze ich darauf, dass Gott niemanden fallen lässt. Daher bin ich zuversichtlich, das Leben nach dem Tod tatsächlich erfahren zu dürfen. Aber wie so viele Menschen sage ich: muss ja nicht gleich morgen sein. Wenn es überhaupt ein Leben nach dem Tod gibt, dann bin ich mir in einer Sache ganz sicher: Gott ist nicht der oberste Kontrollfreak, sondern er meint es gut mit uns. Und vor allem: Er hat Humor und einen guten Musikgeschmack. Sonst könnte er diese ganze verrückte, zerrissene und großartige Menschheit ja gar nicht aushalten.
Ulrich Hemel ist Theologe und hatte eine Nahtoderfahrung.
Ein Park am Wasser
Beim Leuchtturmverein bieten wir Kindern nach dem Tod eines Angehörigen einen geschützten Raum, damit sie ihre Trauer in neue Lebensenergie verwandeln können. Wir begleiten Kinder und Jugendliche ab drei Jahren. Trauerbegleitung ist vielschichtig. In der Trauerbegleitung teilen wir mit ihnen auch die Vorstellungen und Hoffnungen von dem, was nach dem Tod passiert. Für manche Kinder ist es zum Beispiel ganz normal, dass es im Himmel Himbeereis geben muss, das die Mama zu Lebzeiten so gerne gegessen hat. Oder dass ihre verstorbene Schwester jetzt im Himmel Wolkenschuhe hat und wunderbar tanzen kann, weil sie dies beim Musikhören so gerne getan hat. Wenn ich so etwas höre, denke ich oft: Wow! Wie tröstlich!
Wenn ein Kind mich fragt, wo denn die Mama jetzt ist, dann frage ich nach seinen Vorstellungen und woran die Familie des Kindes glaubt. Ich erkläre, dass es viele verschiedene religiöse Ideen dazu gibt. Erst dann teile ich meine Vorstellung. Ich selber glaube, dass der Tod ein Durchgang ist. Wie eine Tür in eine andere Welt. Ich wünsche mir, dass mich in dieser Welt jemand abholt, am liebsten meine Eltern. In dieser Welt passt Gott gut auf alle auf. Was man da alles machen kann, weiß ich nicht. Aber ich würde mir wünschen, dass Menschen, die sich kennen, sich dort wiedertreffen. Und vielleicht gibt es da auch Musik, zu der man tanzen kann, und einen schönen Park, wo man spazieren und am Wasser sitzen kann.
Vor dem Tod habe ich Respekt. Einfach, weil ich nicht genau weiß, was auf mich zukommt. Aber durch meine Arbeit als Trauerbegleiterin ist mein Glaube durch die Erfahrung reicher geworden, dass eine Verbindung zu unseren Angehörigen im Jenseits bleibt. Die Menschen, die ich begleite, und auch ich selber spüren, dass es eine Nähe zu Verstorbenen gibt, aus der man Kraft schöpfen kann. Verstorbene sind dann wie Schutzengel. Wenn ich zum Beispiel den Apfelkuchen backe, den meine Mutter früher gemacht hat, dann duftet es wie damals und ich habe das Gefühl, meine Mutter ist bei mir. Unsere Verstorbenen haben im Herzen weiterhin einen festen Platz.
Walburga Schnock-Störmer ist Trauerbegleiterin für Kinder.
Muntere Gespräche
Ein Alarm geht los, der Blick aufs Handy zeigt mir, wo es einen Einsatz gibt. Ich entscheide mich, ihn anzunehmen, rufe im Krankenhaus an und kläre, wann ich kommen kann.
Ich fotografiere Familien und Neugeborene – und seit 2014 auch Sternenkinder. Das sind Kinder, die den Sprung ins Leben nicht geschafft haben, weil sie vor, während oder nach der Geburt sterben. Oder Babys, die krank sind und nur ein kurzes Leben erwarten. Ich schenke den Eltern das erste und letzte Bild von ihrem Sternenkind. Ein Beweis dafür, dass sie Eltern sind und eine wertvolle Erinnerung, wenn sie den Schmerz darüber aufarbeiten, dass sie ihr Kind nur noch im Herzen tragen können.
Jeder Einsatz ist anders, aber eines ist immer da: mein Hadern mit Gott. Warum musste dieses Kind sterben, bevor es überhaupt gelebt hat? Warum darf es nicht an der Hand der Eltern laufen? Warum tut Gott nichts, um solches Leid zu verhindern? In solchen Momenten ist es für mich schwierig, eine gute Christin zu sein. Gleichzeitig wird mir bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, ein gesundes Kind zu haben, und ich werde besonders dankbar für die lebenden Neugeborenen, die ich fotografieren darf. Mit jedem Wunder, jedem Sternenkind, das doch überlebt und das ich schreien hören darf, weiß ich, dass Gott da ist.
Und wenn ein Kind stirbt, glaube ich daran, dass es nicht einfach weg ist, sondern dass es ein Leben nach dem Tod hat. Ich glaube daran, dass jeder Mensch ein zweites Leben im Himmel hat, egal wie alt er geworden ist, ob er getauft ist oder nicht.
Wenn ich an einem Feiertag die Gräber meines Mannes und meines Vaters besuche, denke ich daran, wie die beiden im Himmel zusammensitzen und sich munter miteinander unterhalten. Ich habe Angst vor dem Tod, aber mich trägt die Hoffnung, dass ich meine Lieben im Himmel wiedersehen werde.
Anja Joas ist Sternenkindfotografin in Rot am See