Pastorale Erneuerung
Was willst du, dass ich dir tue?
Reformen allein werden die Kirche nicht retten. Sie braucht auch eine pastorale Erneuerung. Sie sollte sich künftig als Dienstleister am Seelenheil der Menschen verstehen – und die Botschaft Jesu stärker in den Mittelpunkt stellen als bisher.
Von Ulrich Waschki
Wie ein Brandbeschleuniger hat Corona in vielen Kirchengemeinden gewirkt. Einige zuvor treue Gottesdienstbesucher haben sich endgültig verabschiedet. Die Zeit der Volkskirche ist vielerorts zu Ende. Die Zahl der Kirchenaustritte für 2021, die Ende Juni veröffentlicht wird, dürfte hoch sein wie nie – und 2022 noch weiter steigen. Das muss nicht das Ende der katholischen Kirche oder gar des Christentums in unserem Land bedeuten. Aber: Damit es gut weitergeht, müssen sich die Kirche und unsere Art, den Glauben zu leben und zu feiern, ändern.
Der Religionssoziologe Michael Ebertz kritisiert im Interview mit dieser Zeitung die mangelnde Innovationskraft der Kirche. Er sagt, es sei klar, dass das Modell der Pfarrgemeinde, die sich an örtlichen Grenzen orientiert und Menschen verschiedener Milieus verbinden will, nicht funktioniert. Menschen verschiedener Milieus „wollen auch gar nichts miteinander zu tun haben“. Die Kirche müsse es den Menschen erleichtern, spirituelle Angebote zu finden, die zu ihnen passen – auch jenseits der eigenen Pfarrei.
Chancen sind da. Eine Szene aus Vorstellungsgesprächen in einem kirchlichen Unternehmen: Zwei Frauen, beide um die 20 Jahre alt, werden provozierend gefragt, warum sie ausgerechnet in diesem frauenfeindlichen Unternehmen Kirche arbeiten wollen. Beide bringen ihre Sympathie für die Frauenweihe zum Ausdruck, machen aber auch klar, dass das Thema für ihre Kirchlichkeit nicht im Zentrum steht. Sie hätten so viele gute Erfahrungen in der Kirche gemacht, dass sie gerne dort arbeiten würden.
Strukturreformen reichen nicht
Und so werden allein die strukturellen Reformen des Synodalen Wegs, so wichtig sie sind, die Kirche nicht retten. Es braucht auch eine geistliche und pastorale Erneuerung. Der Kommunikationsberater Erik Flügge sagt: „Weil Gott in heutiger Zeit nicht mehr selbstverständlich ist, muss immer zuerst von Gott gesprochen werden und dann erst von der Kirche.“ Die Kirche als Institution muss sich zurücknehmen, auch die Pfarrgemeinde. Es geht nicht um sie, sondern um ihre Botschaft.
Im Kern der Verkündigung muss die Frage Jesu stehen: „Was willst du, dass ich dir tue?“ Deshalb sieht Flügge auch in der Diakonie, also der gelebten Nächstenliebe, den Mittelpunkt des Gemeindelebens. Flügge sagt auch: Die Kirche soll nicht warten, dass Menschen zu ihr kommen, sondern zu ihnen gehen. „Der Tempel Gottes ist da, wo die Menschen sind“, formulierte kürzlich ein Pfarrer.
Manch einem missfällt der Gedanke, dass die Kirche ein Dienstleistungsbetrieb ist. Aber genau das ist sie: ein Dienstleister am Seelenheil der Menschen. Und die kommen halt nicht mehr jeden Sonntag. Weil der soziale Druck weg ist, aber auch, weil der Gottesdienst ihnen oft nichts mehr sagt. Pastorale Chancen gibt es dennoch: die Begleitung eines Ehepaares, die Segensfeier zur Einschulung, der Kita-Gottesdienst und die Begleitung im Trauerfall. Wenn die Kirche den Menschen Anknüpfungspunkte auf ihrem Lebensweg bietet, ohne sie rekrutieren zu wollen, können wir unsere Botschaft lebendig halten. In kleineren Zahlen als früher, aber vielleicht sogar erfüllender.