Hilfswerk Renovabis beendet Pfingstaktion im Bistum Erfurt
Weiterbauen am Haus Europa
Das vor 25 Jahren gegründete Hilfswerk Renovabis hat seine diesjährige Pfingstaktion im Bistum Erfurt beendet. Vor allem im Eichsfeld gab es dazu zahlreiche Veranstaltungen.
Versöhnung ist das große Thema von Renovabis: Gruppenfoto mit Bischof Neymeyr, Gästen aus Osteuropa, Freunden und Unterstützern zum Abschluss der diesjährigen Pfingstaktion. | Fotos: Matthias Holluba |
Für den Schluss hatten sich Julia und Anja etwas Besonderes einfallen lassen: Die beiden jungen Polinnen sind die Sängerinnen der Jugendband Naczysie – was in der polnischen Jugendsprache soviel bedeutet wie „Zum Glück“. Normalerweise singen sie geistliche Lieder, meist in Polnisch oder Englisch. Nun haben sie extra einen deutschen Schlager einstudiert, den Hit von DJ Ötzi und Nik P. „Ein Stern“. Und mit dem begeistern sie das Publikum am Ende des Empfangs im Heiligenstädter Marcel-Callo-Haus.
Anlass war der Abschluss der Pfingstaktion des Hilfswerkes Renovabis, der in diesem Jahr im Bistum Erfurt stattfand. Die polnische Jugendband gehörte wie weitere Gäste aus Polen, Russland und Rumänien zu den Begleitern der Renovabis-Verantwortlichen, die bei einer Reihe von Veranstaltungen besonders im Eichsfeld von der Arbeit des Hilfswerkes berichteten. Auf dem Programm standen unter anderem Gottesdienste und Gesprächskreise in verschiedenen Pfarreien, ein Schulbesuch, ein Besuch im Grenzmuseum Schifflersgrund sowie der Abschlussgottesdienst am Pfingstsonntag in der Heiligenstädter Props-
teikirche St. Marien.
23 000 Projekte in 29 Partnerländern
Renovabis wurde vor 25 Jahren als Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa gegründet. Die Bilanz dessen, was in einem Vierteljahrhundert erreicht wurde, kann sich sehen lassen. Hauptgeschäftsführer Christian Hartl: Mit 715 Millionen Euro wurden 23 000 Projekte in 29 Partnerländern unterstützt und so ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zum gemeinsamen Europa geleistet.
Im Jubiläumsjahr stelle nicht nur die Aufarbeitung der oft gewaltbelasteten Vergangenheit in Mittel-, Ost- und Südosteuropa nach wie vor eine Herausforderung dar, betonte Hartl. Themen müssten auch aktuelle Konflikt-Szenarien und die im Zuge der Flüchtlingskrise immer deutlicher gewordenen Kommunikationsprobleme zwischen Ost und West in Europa sein. Die Schwerpunkte der Arbeit von Renovabis fasste Hartl in drei B’s zusammen: Bildung, Beziehung, Beisammenbleiben. Auch wenn Renovabis natürlich helfe, Gebäude wieder instand zu setzen – allein in Vilnius waren 80 Prozent der Kirchengebäude nach Ende des Kommunismus nicht mehr nutzbar – gelte für das Hilfswerk von Anfang an der Grundsatz: „Wir investieren in Menschen, nicht in Steine.“
Die Einnahmen des Hilfswerkes setzen sich zusammen aus Mitteln der deutschen Bistümer und aus Kollekten und Spenden. Hier gebe es aufgrund von Sparbeschlüssen beziehungsweise der kleiner werdenden Zahl von Gottesdienstbesuchern einen Rückgang, der aber durch andere Zuwendungen weitgehend ausgeglichen werden könne. Mit sechs Millionen Euro seien die Zuschüsse aus Entwicklungshilfe-Mitteln der Bundesrepublik gleich geblieben. Die Empfängerländer teilt Hartl in drei Kategorien ein: Länder wie Polen, die inzwischen selbst zu Geberländern geworden sind, Länder, die nach wie vor elementare Hilfe benötigten, wie etwa Russland, und Länder, deren Entwicklung zu größerer Selbstständigkeit einen Rückschlag erlitten haben, wie die Ukraine.
Die polnische Jugendband „Naczysie“ gestaltete Gottesdienste und den Empfang (Foto oben). Mitarbeiter und Gäste von Renovabis beim Besuch des Grenzmuseums Schifflersgrund (Foto unten). |
Solidarität statt „Unser Land zuerst“
In vielen Ländern seien momentan nationalistische Tendenzen zu beobachten nach dem Motto „Unser Land zuerst!“. Um so notwendiger sei es, am gemeinsamen Europa weiterzubauen, betonten die Renovabis-Verantwortlichen ebenso wie der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr. In seiner Predigt beim Pfingstgottesdienst in Heiligenstadt ging der Bischof auf das Leitwort der diesjährigen Renovabis-Aktion ein: „miteinander. versöhnt. leben. Gemeinsam für ein solidarisches Europa“. Dabei sagte er mit Blick auf die verschiedenen Migrationsbewegungen der letzten 100 Jahre: „Wir stehen in Europa ständig vor der Herausforderung, versöhnt miteinander zu leben, damit Menschen nicht gezwungen sind, in die Fremde aufzubrechen. Und wir stehen vor der Herausforderung, Fremde, die zu uns kommen, aufzunehmen.“
Erneuerung geschehe durch Versöhnung, so der Bischof weiter. Der Name des Hilfswerkes heiße übersetzt: „du erneuerst“ (aus Psalm 104, Vers 30). Erneuerung aber müsse durch Versöhnung geschehen. Die Christen seien Gottes Werkzeug für diese Versöhnung. Um die Welt für Gott offen zu halten und sich nicht der Welt anzupassen, bedürfe es des Rückenwindes des Heiligen Geistes.“
Von Matthias Holluba
Stichwort: Renovabis
Das Hilfswerk Renovabis ist eine Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit Osteuropa. Es wurde 1993 auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) von den deutschen Bischöfen gegründet. Seither gibt es jedes Jahr eine bundesweite Aktion. Sie endet jeweils am Pfingstsonntag mit einer Kollekte in den katholischen Gottesdiensten in Deutschland. Der lateinische Name des Hilfswerks geht auf einen Bibelpsalm zurück und bedeutet „Du wirst erneuern“.
Die Organisation mit Sitz in Freising bei München unterstützt Projekte zur Erneuerung des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens in den ehemals kommunistischen Ländern. Renovabis vermittelt Partnerschaften und will darauf hinwirken, „dass Menschen in Ost und West voneinander lernen, miteinander glauben und so eine vertrauensvolle Nachbarschaft entsteht“. Seit Gründung hat Renovabis mit 715 Millionen Euro 23 000 Projekte finanziert. Das Spektrum reicht von kirchlich-seelsorglichen über sozial-karitative Projekte bis hin zu Bildungs- und Medienvorhaben. Im Vordergrund steht die Hilfe zur Selbsthilfe. (kna)