Bistum will sich von der Hälfte seiner Immobilien trennen
Welche Gebäude werden künftig noch gebraucht?
Das Bistum Hildesheim will sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren von der Hälfte seiner rund 1400 Immobilien trennen. Unter dem Titel „Zukunftsräume“ startet in diesen Tagen ein breit angelegter Prozess, der die Gebäudenutzung mit pastoralen Fragestellungen in Verbindung bringt.
Die Gemeinden im Bistum haben die Möglichkeit, innerhalb von zwei Jahren einen vierstufigen „Prozess der Vergewisserung“ zu durchlaufen, der neben der Immobiliennutzung vor allem die seelsorglichen Perspektiven in den Blick nimmt. Das Durchlaufen dieses Prozesses ist die Voraussetzung dafür, dass sich das Bistum künftig finanziell an baulichen Maßnahmen in der jeweiligen Gemeinde beteiligt. Das geht aus einer Broschüre hervor, die das Bistum jetzt veröffentlich hat.
In dem Prozess soll unter anderem geklärt werden, wie es um die personellen Ressourcen vor Ort bestellt ist, welche Verantwortung die Gemeinde für das nichtkirchliche Umfeld übernimmt, welche ökumenischen Aktivitäten es gibt, wie sich die Zusammenarbeit in der Gemeinde gestaltet und welche Rolle das Thema Nachhaltigkeit spielt. Ebenso sollen Szenarien für eine künftige Pastoral erörtert werden.
Auch über die gemeinsame Nutzung von Gebäuden mit anderen Organisationen oder das Anmieten von Räumen soll nachgedacht werden. Aus diesen Fragestellungen heraus soll sich das Immobilienkonzept einer Pfarrei entwickeln.
Hintergrund des Prozesses ist die Erwartung des Bistums, dass die Katholikenzahl von derzeit 580 000 auf schätzungsweise 300 000 im Jahr 2050 zurückgehen wird – und damit auch die finanziellen Möglichkeiten geringer werden. Schon heute sei der Bauetat in Höhe von 8 Millionen Euro nur dazu ausgelegt, 50 Prozent der derzeitigen Immobilien abzusichern, heißt in der Broschüre. Eine Erhöhung des Etats sei nicht absehbar.
Generalvikar sieht die Kirche vor neuer Epoche
In einem Begleitbrief erklärt Generalvikar Martin Wilk, das Bistum befinde sich in einem tiefgreifenden Wandel: „Das Bild einer Gemeinde, in der sich alle Generationen am Sonntag zum Gottesdienst treffen, besteht oft nur noch in unseren Köpfen. Es schmerzt, dass viele gewohnte Gruppen und Verbände überaltern und aussterben. Unsere Kirche steht vor einer neuen Epoche.“ Der Generalvikar sieht eine „wachsende Zahl innovativer Projekte und Initiativen“. Es gehe nicht einfach darum, Kirchen zu schließen oder Immobilien abzustoßen. Vielmehr gelte es, gemeinsam Zukunft zu gestalten, schreibt Wilk.
Für den Immobilienprozess werden den Gemeinden eine Reihe Vorgaben gemacht. So werden die einzelnen Schritte vom Erheben und Bewerten von Fakten, dem Entwickeln von Perspektiven und schließlich der Verabschiedung eines Konzeptes zeitlich terminiert, jeweils zwischen zwei und zwölf Monaten. Festgelegt wird auch die Gründung einer Projektgruppe in der Gemeinde, die in jedem Fall von einer weiteren Gruppe im Generalvikariat in ihrer Arbeit unterstützt werden soll. Zu Beginn des Prozesses muss eine schriftliche Vereinbarung mit dem Bistum geschlossen werden.
Zum Kreis der an dem Prozess Beteiligten sollen neben Priestern, Hauptberuflichen, Räten und Ehrenamtlichen auch Lehrer der Schulen, Mitarbeitende der Kitas, der Caritas sowie Mitarbeitende in kommunalen Einrichtungen gehören.
Nur wer mitmacht, bekommt Geld
Nur bei der Einhaltung des Fahrplans können Kirchengemeinden künftig noch mit Bistumsmitteln für ihre Gebäude rechnen. Dazu heißt es in der Broschüre: „Investitionen im Sinne einer Instandsetzung oder im Einzelfall auch die Weiterentwicklung durch Modernisierung der Gebäudesubstanz können nur dort umgesetzt und finanziell vom Bistum unterstützt werden, wo ein engagierter Prozess im vorgesehenen Zeitrahmen von 24 Monaten erfolgreich abgeschlossen wurde. Wo keine oder nur eine geringe Energie für Prozesse sichtbar wird, zieht sich das Bistum aus der Finanzierung der Gebäude zurück. Mit den Kirchengemeinden oder Einrichtungen wird gegebenenfalls der Verkauf oder die Aufgabe von Immobilien abgestimmt, wenn sie von der Kirchengemeinde nicht allein unterhalten werden können.“
Im Zuge der Maßnahmen soll auch die Schlüsselzuweisung an die Kirchengemeinden auf den Prüfstand. Heute erhalten Gemeinden aus Kirchensteuermitteln jährlich einen Betrag, der sich nach der Zahl der Gläubigen und den vorhandenen Gebäuden richtet. „Diese am Bestand orientierte Art der Finanzierung passt nicht mehr in eine dynamische und nach außen gerichtete Kirchenentwicklung“, heißt es.
Die Schlüsselfinanzierung solle künftig durch andere Zuschüsse ergänzt werden, die sich an Aufgaben und Projekten orientieren. Werden gemeindeeigene Gebäude verkauft, sollen die Erlöse in verbleibende Häuser oder in zukunftsorientierte seelsorgliche Vorhaben investiert werden.
Die komplette Broschüre unter: www.bistum-hildesheim.de/zukunftsraeume
Matthias Bode
Über 1400 Gebäude
Das Bistum Hildesheim besitzt, unterhält oder nutzt gut 1400 Gebäude. Von der Küste bis zum Harz geht es dabei um:
399 Kirchen und Pfarrzentren
53 Kapellen
265 Pfarrheime- und zentren
251 Pfarrhäuser
102 Kindergärten
10 Schulen
8 Pflegeheime
4 Studentenwohnheime
11 Jugendeinrichtungen
6 Bildungshäuser / Institute
6 Klöster
1 Museum
111 Wohngebäude
63 Gewerbliche Räume
113 Sonstige Gebäude
(Zahlen aus der Broschüre „Zukunftsräume“)
Deutlicher Rückgang
Seit 1980 nimmt die Zahl der Katholiken im Bistum ab, bis 2050 wird sie voraussichtlich auf 300 000 Mitglieder schrumpfen.
1940: 270 000
1950: 690 000
1980: 760 000
2010: 620 000
2021: 580 000
2050: 300 000 (geschätzt)
(Zahlen aus der Broschüre „Zukunftsräume“)