Jahresserie 2019 – Folge 4/1

Wenn Ostern durch Mark und Bein geht

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„Wir müssen reden!“ heißt die Jahresserie 2019. Auferstehung? Passion? Erlösung? Ist das nicht altbacken oder vom andern Stern? Wie ist es möglich, heute von Christus zu sprechen, ohne auf Unverständnis zu stoßen? Annabelle Kirchner und Sebastian Pilz von der Schülerseelsorge im Bistum Fulda erzählen, wie das geht. Von Anja Weiffen.

Stellen Sie sich vor, Sie sollen durch diese „Barrikade“ von Armen laufen und darauf vertrauen, dass Annabelle Kirchner und Sebastian Pilz rechtzeitig die Arme heben. Haben Sie Vertrauen? So wollen die beiden Referenten der Schülerseelsorge eine Ahnung von Tod und Auferstehung geben. | Foto: Anja Weiffen
Stellen Sie sich vor, Sie sollen durch diese „Barrikade“ von Armen laufen und darauf vertrauen, dass Annabelle Kirchner und Sebastian Pilz rechtzeitig die Arme heben. Haben Sie Vertrauen? So wollen die beiden Referenten der Schülerseelsorge eine Ahnung von Tod und Auferstehung geben. Foto: Anja Weiffen

„Frohe Ostern! Das kann man beim Einkaufen dem Menschen an der Kasse hierzulande schon noch sagen.“ „Aber den Ostergruß der Griechisch-Orthodoxen ,Christus ist auferstanden‘? Das geht hier gar nicht.“ „Und wenn das Gegenüber dann noch antwortet ,Christus ist wahrhaft auferstanden‘ – Man stelle sich die Gesichter der anderen Leute im Geschäft vor.“ 

Dieses Gespräch in der Redaktion der Kirchenzeitung über Ostergrüße zeigt, dass Ostern nicht gleich Ostern ist. Über die christliche Botschaft Klartext zu sprechen, erfordert einiges. Aber was? Mut? Theologiekenntnisse? Sprachgeschick? 

„Dass es jemanden gibt, der es unbedingt gut mit einem meint“ 

Um das herauszufinden, ist ein Besuch im Bischöflichen Generalvikariat in Fulda geplant. Dort ist die Schülerseelsorge des Bistums Fulda beheimatet. Sebastian Pilz und Annabelle Kirchner sind bereit, über ihre Arbeit zu berichten. 

Im Dachgeschoss eines Nebengebäudes des Generalvikariats befinden sich ihre Räume. Zusammengestellte Tische, die einen großen Tisch ergeben, prägen das Zimmer. Der Blick auf Fulda von oben gibt einem das Gefühl, hier Platz zum Reden und Nachdenken zu haben. Sebastian Pilz, Jahrgang 1982, ist Diplom-Theologe und seit elf Jahren Leiter der Schülerseelsorge. Seine Kollegin Annabelle Kirchner, angehende Sozialarbeiterin, ist mit halber Stelle dort tätig. Sie beide haben sich für das Gespräch Zeit genommen, obwohl ihre Terminkalender gerade überquellen. 

Zum Start gibt’s eine Tasse heißen Kaffee. Plötzlich holt Sebas-tian Pilz ein Einhorn aus Gummi hervor und drückt auf dessen Bauch. Plopp! Ein kleiner Ball springt aus der Schnauze des Fabelwesens . Die walnussgroße gelbe Kugel hopst durch den Raum und sorgt für Lacher. Nachdem der Ball wieder eingefangen ist, stellt Pilz das Tier mitten in eine Gruppe Playmobil-Feuerwehrmännchen. 

Mit einigen Requisiten bringen die Mitarbeiter der Fuldaer Schülerseelsorge Schwung in Gespräche. | Foto: Anja Weiffen
Mit einigen Requisiten bringen
die Mitarbeiter der Fuldaer
Schülerseelsorge Schwung in
Gespräche. Foto: Anja Weiffen

Eine Mischung aus Unschuld und Stärke vermittelt das Einhorn mit Kulleraugen und dem gedrehten Horn, das aussieht wie der Turm zu Babel. Ein Einhorn unter den Requisiten der Schülerseelsorge zu haben, kommt nicht von ungefähr: Es ist in der christlichen Mythologie ein Symbol für Christus. 

Sebastian Pilz freut sich, dass die Einhorn-Vorführung den gewünschten Effekt erzielt hat: Lachen. „Zur Jesus-Botschaft ,Werdet wie die Kinder‘ habe ich mir überlegt: Was macht eigentlich Kindsein aus?“ Kurze Pause. Nachdenken. „Kinder sind auf Hilfe angewiesen. Sie fühlen authentisch und leben im Moment. Wenn sie lachen, dann lachen sie – ist das nicht auch Ostern?“ Das Eis ist gebrochen. Von verkopftem Gespräch kann keine Rede sein. „Gott will, dass es mir gut geht“, sagt der Diplom-Theologe. Aber im Grunde geht es darum, das nicht nur zu sagen, sondern dabei zu helfen, (Gott)Vertrauen spüren zu können. „Dass es jemanden gibt, der es unbedingt gut mit einem meint“, sagt er. „Mir scheint, die Sehnsucht danach ist in den letzten Jahren unter Kindern und Jugendlichen noch größer geworden.“ 

1600 Schülerinnen und Schüler bekommen die insgesamt vier Mitarbeiter der Fuldaer Schülerseelsorge pro Jahr „vor die Nase“. Sehr viele auch von nicht-kirchlichen Schulen. 

Beziehungsebene – mit ihr steht und fällt die gesamte Kommunikation 

Um einen Zugang zu ihnen zu finden, brauche es eine gute Beziehungsebene. „Damit steht und fällt die gesamte Kommunikation“, ist Annabelle Kirchner überzeugt. Sie sieht lebens-orientierte Themen als „Brückenkopf“ zwischen den Referenten und den Schülern. Zum Beispiel das Thema „Klassenzusammenhalt“. Bei einem Impuls mit Schülern der fünften Klasse haben sie gemeinsam Herzen gebastelt und zusammen überlegt, „wie sie miteinander klar kommen und wo sie schon einmal etwas von ihrem Herzen gegeben haben“. Annabelle Kirchner sagt begeistert: „Es ist wichtig, auch etwas von sich zu geben. Als ich bei diesem Impuls etwas aus meiner eigenen Schulzeit erzählt habe, entstand dadurch eine Verbindung zu den Schülern. Das war ein sehr schöner Moment.“ 

Annabelle Kirchner und Sebas-tian Pilz zeigen, wie das Thema Vertrauen am eigenen Leib erfahren werden kann. Sie stellen sich in den Raum und strecken die Arme aus (siehe Foto oben). Sie bilden so eine Art Tor, das aber durch ihre Arme versperrt ist. Jetzt heißt die Aufgabe: Auf die beiden zulaufen, „volle Kanne“ durch das Tor rennen und darauf vertrauen, dass die beiden die Arme rechtzeitig heben. Weil das Zimmer zu klein für diese Übung ist, muss die Vorstellung im Kopf reichen. Und allein die genügt, um bei sich eine Hemmung festzustellen – wie ein Pferd, das vor einer Hürde bockt. Ist so Tod und Auferstehung? 

Die beiden Referenten nutzen solche Spiele, um christliche Botschaften erfahrbar zu machen und ins Heute zu übersetzen. Also statt vieler schöner Worte Leib-Erfahrungen? „Ja, ganz viel“, antwortet Sebastian Pilz. „Denn junge Menschen verstehen heute Wörter wie Gnade oder Barmherzigkeit oft nicht“, weiß er und ergänzt: „Immer wenn wir kirchliche Sprache verwenden, müssen wir sehr aufpassen. Wir müssen selbst merken, wenn Schüler diese Sprache nicht mehr verstehen. Denn wenige von ihnen sind sich überhaupt bewusst, dass ihnen die Worte unklar sind, und würden sich auch nicht unbedingt trauen, das zu sagen.“ 

Und worauf reagieren Jugendliche allergisch? „Auf eine schlechte Beziehungsebene und alles, was nicht authentisch rüberkommt“, sind sich die Seelsorger einig. Sebastian Pilz sagt es so: „Übergestülpte Themen sind Flops.“ 

Ja, aber – jetzt mal zum Eingemachten – wie kann man denn heute glaubhaft die Auferstehung Christi vermitteln? Können Jugendliche das in unserer naturwissenschaftlich geprägten Zeit überhaupt glauben beziehungsweise damit etwas anfangen? „Die Auferstehung Christi ist wissenschaftlich nicht zu beweisen. Hier geht es auch nicht um eine naturwissenschaftliche Frage“, antwortet der Leiter der Schülerseelsorge. „Was hält mich denn, wenn in meinem Leben alle Stricke reißen? Wenn etwa der Tod ins Leben einbricht?“ Dann stünden Sinn- und Beziehungsfragen an, aber keine naturwissenschaftlichen. 

Annabelle Kirchner wirft bei der Gelegenheit ein, dass es in der Seelsorge nicht unbedingt um Wissen geht: „Wir machen hier ja keinen Religionsunterricht.“ Sie kennt aus ihrer Erfahrung heraus auch Beispiele, wo Kommunikation über den Glauben schief gelaufen ist: „Wenn man erst einmal auf der Hexenverbrennungsschiene ist, wird die Diskussion fruchtlos.“ 

In ihrer Arbeit wollen sich die Referenten der Schülerseelsorge nicht auf theologische Frage versteifen. Aber die Sozialarbeiterin kennt eine gute Methode – zum Beispiel bei den älteren Jugendlichen – um auch in theoretischen Diskussionen Festgefahrenes buchstäblich in Bewegung zu bringen: die Vier-Ecken-Diskussion. Die vier Ecken eines Raums werden gekennzeichnet mit „Ja“, „Nein“, „Ja, aber“ und „Was soll das?“. Dann stellen sich die Schüler auf eine Frage hin in die Ecke, die ihrer Position entspricht. So komme man, erklärt Annabel Kirchner, zu differenzierteren Standpunkten und untereinander ins Gespräch. 

Sich verwundbar zeigen und sich dennoch angenommen fühlen 

Auch Videos und Kurzfilme anzuschauen, sei eine Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen – und bei Kindern und Jugendlichen beliebt. „Wenn sie merken, dass wir einen Film gucken, freuen sie sich“, berichtet Kirchner. 

Was die Arbeit mit neuen Medien angeht, sind die Referenten jedoch zurückhaltend. Ja, die neuen Medien seien Mittel, wie vieles andere auch. „Aber wir haben bei unseren Angeboten wie etwa den Kennenlern-Tagen oder den Tagen der religiösen Orientierung auch handyfreie Zonen. Die Jugendlichen lassen sich im Alltag schon genug berieseln“, sagt Annabelle Kirchner. 

Sebastian Pilz kommt auf die Leib-Erfahrungen zurück: „Es ist eine große kirchliche Herausforderung, tatsächliche Begegnungsräume dafür zu schaffen – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Strukturprozesse in den deutschen Diözesen.“ Nur in Begegnung könne erfahrbar werden, was es heißt, sich verwundbar zu zeigen und sich zugleich angenommen zu fühlen, ist er überzeugt. 

Pilz: „Gott hat sich durch Jesus maximal verletzlich gemacht. Er taucht als Mensch voll in das Beziehungsgefüge der Menschen ein. Die biblische Ostergeschichte ist voll davon. Da ist Jesus vor und nach seinem Tod mit ganz vielen Menschen unterwegs und begegnet ihnen an unterschiedlichen Ecken.“ Das in seiner Dynamik zu vermitteln, versichern Kirchner und Pilz, „geht nur von Angesicht zu Angesicht richtig gut“.

 

Zur Sache: Wie über den Glauben reden?

  • Zuhören 
  • Sich tatsächlich für sein Gegenüber interessieren 
  • Sich frei machen von eigenen Urteilen und sich nicht davon ablenken lassen 
  • In den Austausch gehen 
  • Von sich im Glauben etwas preisgeben 
  • Dem anderen die Freiheit lassen, es anzunehmen oder abzulehnen 
  • Das Leuchten in den Augen des Gegenübers erkennen, wenn er/sie sich verstanden fühlt oder einen Impuls aufnimmt (Tipps von Sebastian Pilz und Annabelle Kirchner, Schülerseelsorge Bistum Fulda)