Modernes Fundraising in Kirchengemeinden
Wer spendet besser?
Die arme Witwe im Evangelium wirft nur zwei Münzen in den Opferstock. Doch die Gabe bedeutet ihr viel. Kleine Summen sind auch beim kirchlichen Fundraising bedeutsam, der modernen Beschaffung von Spendenmitteln.
Im Evangelium an diesem Sonntag wird beschrieben, wie Jesus im Tempel in der Nähe des Opferkastens sitzt. Er beobachtet die Menschen: Wer gibt Geld? Wer geht achtlos daran vorbei? Einige wohlhabende Juden bleiben stehen und geben viel von ihrem Vermögen. Jesus beobachtet auch eine arme Witwe, die nur zwei Münzen hineinwirft. Wer ist der bessere Spender? Die Witwe oder die Reichen?
Zehn Euro sind proportional oft mehr
„Wer der bessere Spender ist, kann man so gar nicht sagen“, sagt Christian Fischbach. Er und seine Kollegin Gabriele Koy sind Referenten in der Stabsstelle Fundraising im Erzbistum Hamburg. „Uns ist kein Spender lieber als der andere“, sagt Koy. „Egal ob jemand zehn Euro oder 1000 Euro gibt – jeder ist uns gleich wichtig.“ Natürlich sei es mühsamer, wenn etwa ein Kirchturm für mehrere Zehntausend Euro saniert werden müsse und nur kleine Summen gespendet werden. „Aber oft sind die zehn Euro, die jemand gibt, ja proportional viel mehr als die 1000 Euro“, sagt Koy.
Für einen älteren Mann, der nur eine kleine Rente hat, oder für eine alleinerziehende Mutter können diese zehn Euro schon viel Geld sein. Wie die arme Witwe im Evangelium müssen sie vielleicht genau darauf achten, wie viel Geld sie für etwas ausgeben, damit es bis zum Monatsende ausreicht. Doch sie wollen ihren Beitrag leisten, damit der Kirchturm erhalten bleibt. „Dieses Engagement sieht man bei vermögenden Menschen oft nicht in dem gleichen Maß“, sagt Koy.
Anders als zur Zeit Jesu geht es heute bei der Spendenwerbung darum, Teil eines großen Projektes zu sein. Heute läuft das unter dem modernen Stichwort Fund-
raising. Viele Bistümer haben eigene Abteilungen dafür.
Die Experten dort beraten und unterstützen Gemeinden und Verbände, führen Spenderdatenbanken, entwickeln Konzepte und planen Aktionen. „Fundraising ist mehr als nur ein nettes Werkzeug, um möglichst viel Geld zu sammeln“, sagt Klaus Heil, Leiter des Fundraisingbüros im Bistum Hildesheim. „Es geht darum, sich das Gesamtpaket anzuschauen.“ Das heißt: Welche Außenwirkung hat die Gemeinde? Was wird positiv wahrgenommen? Was könnte man verbessern? „Wir wollen nicht einfach nur Geld sammeln, sondern insgesamt Unterstützung für ein Projekt gewinnen“, sagt Heil. Er erinnert sich an die katholische Kirche „Zu den heiligen Engeln“ in Glinde bei Hamburg. Eigentlich sollte die Kirche, die als Notkirche in der Nachkriegszeit gebaut worden war, geschlossen werden. Das Erzbistum konnte sich die hohen Kosten einer Sanierung nicht leisten. „Aber es gibt dort eine sehr lebendige und wachsende Gemeinde“, sagt Heil. Eine kleine Gruppe, die zum Kern der Pfarrgemeinde gehört, machte sich auf, die Kirche zu retten.
„Sie konnten den ganzen Stadtteil mobilisieren. Es ging nicht nur darum, ein Gotteshaus zu erhalten. Sie haben gefragt: Was liegt euch an diesem Ort?“, sagt Heil, der damals gemeinsam mit seinen Hamburger Kollegen das Projekt unterstützte.
In dem Stadtteil entstand eine Gemeinschaft, die der Kirche zugeneigt ist, auch wenn sie nicht jeden Sonntag in den Gottesdienst geht. „Aber den Leuten war es wichtig, dass es in Glinde einen spirituell geprägten Ort gibt, an dem sich etwa Senioren treffen können, oder der ein Treffpunkt für Jugendliche ist, damit die nicht auf der Straße herumhängen“, sagt Heil.
Zusätzliche Aktionen, um Menschen zu binden
„Jedes Projekt erzählt seine eigene Geschichte und baut so Beziehungen zu den Spendenden auf“, sagt Christian Fischbach. Das heißt: Bei jeder Aktion muss geschaut werden, wie man die Menschen ansprechen kann. In Glinde haben sie mit Plakaten, Artikeln im Stadtteilheft und einem Gemeindefest auf die drohende Schließung aufmerksam gemacht.
„Denn durch Spenden für Kirchstandorte oder karitative Zwecke können auch kirchenfernere Menschen wieder eine Beziehung zu ihrer Gemeinde aufbauen und sich so engagieren“, ergänzt Gabriele Koy. „Mit ihrer Spende werden die Menschen Teil des Projekts und diese Beziehung wollen wir als Kirche pflegen. Das verstehen wir als unsere Aufgabe als Fundraiser: Es soll nicht bei einer einmaligen Spende bleiben, sondern eine langfristige Bindung aufgebaut werden.“ Wer etwas Geld gespendet hat, wird informiert, wofür sein Geld konkret genutzt wurde, und er wird etwa zu Konzerten oder zur Eröffnungsfeier, eingeladen.
„Diese Bindung aufzubauen, ist viel wichtiger als große Summen“, sagt Klaus Heil aus Hildesheim. Seine Hamburger Kollegen stimmen ihm zu. Vor einigen Jahren habe eine Pfarrgemeinde im Stadtgebiet versucht, eine neue Orgel mit vielen Aktionen zu finanzieren.
Dank guter Kontakte und gezielter Gespräche sei dann aber die Orgel mit einer Großspende auf einen Schlag bezahlt gewesen. „Das ist ein besonderer Erfolg. Um die neue Orgel zu einem Gemeinschaftsprojekt der Gemeinde werden zu lassen, wurden dann zusätzliche Aktionen durchgeführt“, sagt Christian Fischbach. Gabriele Koy sagt: „Jeder ist wichtig. Wer heute zehn Euro für eine Kirchensanierung gegeben hat, der engagiert sich vielleicht in zwei Jahren schon mit 1000 Euro für ein Projekt.“ Ebenso wichtig sei auch die Zeitspende. „Wenn jemand kein Geld spenden kann, kann er sich vielleicht ehrenamtlich in dem Projekt engagieren.“ Fischbach erinnert sich an eine Gemeinde in Itzehoe, die durch einen Spendenaufruf einen ehrenamtlichen Organisten gefunden hat, und an eine Gemeinde, in der die Seniorenarbeit so wiederbelebt werden konnte.
Kerstin Ostendorf