Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Paragraphen 219a
Werbeverbot bei Schwangerschaftsabbruch
Seit Jahren wird über das Werbeverbot bei Schwangerschaftsabbrüchen diskutiert. Die neue Koalition hat nun einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Paragraphen 219a auf den Weg gebracht. Von kirchlicher Seite gibt es Kritik.
Eine große Überraschung ist es nicht: Die Parteien der Ampelkoalition hatten die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibung jeweils in ihren Wahlprogrammen versprochen und im Koalitionsvertrag festgehalten. Die Umsetzung soll nun schnell erfolgen. Das Kabinett brachte am Mittwoch den entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg. Er geht nun in das parlamentarische Verfahren.
Bundesgesundheitsminister Marco Buschmann (FDP) bezeichnete den derzeitigen Zustand als "unhaltbar". Ärzte, die im Internet sachlich über ihre Arbeit und mögliche Methoden informierten, müssten mit strafrechtlichen Ermittlungen und Verurteilungen rechnen. Zugleich suchten Frauen in einer schwierigen Gewissensentscheidung heute auch im Internet nach Rat. Hier müsse das Recht der Gegenwart angepasst werden. Anstößige oder anpreisende Werbung werde schon durch das Berufsrecht ausgeschlossen, meint Buschmann. Und: Der entsprechende Paragraf 219a im Strafgesetzbuch sei nicht Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Lebensschutzkonzepts.
Besseren Zugang zu durchführenden Ärzten ermöglichen
Dabei hatten Union und SPD den Streit um den Paragrafen vor rund drei Jahren zunächst befriedet. Schon damals war allerdings klar, dass der ausgehandelte Kompromiss wohl nicht lange halten werde: Die SPD wollte den Paragrafen eigentlich ganz streichen, die Union nichts ändern. Inhaltlich untersagt der Passus das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in grob anstößiger Weise geschieht. Damit soll auch sichergestellt werden, dass Abtreibung nicht als normale Dienstleistung angesehen wird.
Der zunächst gefundene Kompromiss sieht eine Ergänzung vor, um Schwangeren, wie es heißt, einen besseren Zugang zu Ärzten zu ermöglichen, die Abtreibungen vornehmen. Ärzte und Krankenhäuser dürfen auf ihrer Internetseite darüber informieren, dass sie die Eingriffe durchführen. Zudem erstellte die Bundesärztekammer eine Liste der Ärzte und Krankenhäuser, in denen Abbrüche möglich sind. Sie wird regelmäßig aktualisiert.
Ausgelöst hatte die Debatte ein Urteil des Amtsgerichts Gießen. Ende 2017 verurteilte es die Ärztin Kristina Hänel wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe. Abtreibungsgegner hatten auf ihrer Homepage entdeckt, dass sie Abbrüche anbietet, und Hänel angezeigt. Inzwischen liegen ihre Klage und die weiterer Ärzte vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Bundesregierung kündigte bereits an, dass die nach dem Paragrafen verurteilten Ärzte und Ärztinnen rehabilitiert werden sollen.
Kirchen setzen wegen des Schutzes ungeborenen Lebens auf bisherige Regelung
Die katholische und evangelische Kirche kritisieren die geplante Streichung des Paragrafen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hatte noch im Januar betont, die Streichung nehme den Schutz des ungeborenen Lebens zurück und könne "nicht für sich in Anspruch nehmen, fortschrittlich und modern zu sein". Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Dutzmann, mahnte ebenfalls zum Festhalten an der derzeitigen Regelung. Diese berücksichtige den Schutz des ungeborenen Lebens und die möglichen Konfliktlagen von Schwangeren.
Auch das Kolpingwerk Deutschland kritisiert die von der Bundesregierung geplante Abschaffung des Paragraphen 219a. Der Paragraph sieht in seiner aktuellen Fassung ein sogenanntes "Werbeverbot" für Abtreibungen vor.
Eine Abschaffung dieser Regelung verschiebt nach Ansicht des Kolping-Bundesvorstandes die Prioritäten zu Ungunsten des ungeborenen Lebens. Er forderte am Mittwoch insbesondere eine flächendeckend sichergestellte Beratung betroffener Frauen sowie eine den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechende Versorgungslage, etwa für ungewollt Schwangere. Hier sieht Kolping die Regierungskoalition in der Pflicht, die Beratungsangebote dauerhaft rechtlich abzusichern und für die Beratungsstellen beste Rahmenbedingungen zu schaffen.
Zielsetzung muss es nach Ansicht des katholischen Sozialverbandes außerdem sein, professionelle medizinische Beratung deutlich von Werbung abzugrenzen. Der Schwangerschaftsabbruch dürfe nicht als normale medizinische Dienst- und Regelleistung betrachtet werden.
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) betonte, schwangeren Frauen, die eine so folgenschwere Entscheidung treffen müssten, sei mit diesem politischen Schritt nicht geholfen. Wenn Bundesrat und Bundestag dem Gesetzentwurf mehrheitlich zustimmen, sei dies ein erster Schritt zur Aufhebung eines gesellschaftlichen Konsenses.
Mehrheit für Streichung zu erwarten
Eine Mehrheit für die Streichung des Paragrafen im Bundestag gilt als sicher. Widerstand dagegen ist nur von Parlamentariern der Union und der AfD zu erwarten. Der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Günter Krings (CDU), erklärte am Mittwoch, Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, ist mit einer Streichung des Paragrafen nicht geholfen. Vielmehr werde dadurch die grundrechtliche Verpflichtung des Staates, auch das ungeborene menschliche Leben zu schützen, missachtet. Menschenwürde komme schon dem ungeborenen Menschen zu.
Indes bereitet den Kirchen ein weiterer Passus im Koalitionsvertrag der Ampel Sorge, wonach eine Kommission prüfen soll, ob "Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches" möglich sind. Fraglich ist allerdings, ob die Ampelkoalition in dieser Legislaturperiode tatsächlich eine solche Reform anpacken wird. Denn nach der Wiedervereinigung rangen die Parlamentarier in den 90er-Jahren sehr lange um einen Kompromiss in der Abtreibungsfrage, der schließlich die unterschiedlichen Lager befriedete.
kna/Birigit Wilke