Wilhelm Busch – ein begnadeter Dichter und Zeichner
„Wie gut, dass ich kein Pfaffe bin“
In Wiedensahl im Schaumburger Land wurde Wilhelm Busch, der Vater von „Max und Moritz“ geboren. Hier lebte er später für etliche Jahre im Pfarrhaus seines Schwagers. Gleich zwei Museen erinnern an den begnadeten Dichter und Zeichner, der auch seine frömmelnden Zeitgenossen aufs Korn nahm.
Das Grab ist dicht mit Efeu überwachsen, aber die Inschrift lässt sich noch gut entziffern. „Hermann Nöldeke, Pastor“ und dazu das Sterbedatum: 27. August 1878. Wir stehen auf dem kleinen Friedhof von Wiedensahl bei Stadthagen im Schaumburger Land. Links von uns die Dorfkirche, rechts das alte Pfarrhaus. In dessen oberer Etage gibt es ein Fenster, an dem Wilhelm Busch, der begnadete und manchmal gnadenlose Zeichner und Dichter, oft gesessen hat und seinen Gedanken nachging. Wohl auch gerade dann, wenn er auf die letzte Ruhestätte seines Schwagers blickte. Nöldeke war mit Fanny verheiratet, der zwei Jahre jüngeren Schwester Buschs. Als sie ihm 1872 die Unterkunft anboten, hatte der geniale Künstler schon längst einen Namen: Seine Lausbubenstreiche „Max und Moritz“, sieben Jahre zuvor erschienen und bis heute ein Bestseller, hatten ihn zwar bekannt gemacht. Aber nicht reich; denn die Rechte trat Busch gegen eine überschaubare Einmalzahlung ab. Hat er sich über den Tisch ziehen lassen? Denkbar, aber wer hätte ahnen können, dass ihn die Geschichten einmal so berühmt machen würden?
Spitze Feder, starker Tobak
Wiedensahl, ein unspektakuläres Straßendorf und die meisten Stunden des Tages fast ausgestorben wie so viele andere Dörfer, war für Wilhelm Busch Rückzugs- und Inspirationsort, „hier konnte er sich gut verstecken“, sagt Frauke Quurck. Sie leitet die beiden Museen, die aus gutem Grund mit Busch verbunden sind: Nur einen Steinwurf vom Pfarrhaus entfernt, schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite, wurde Wilhelm am 15. April 1832 als erstes von sieben Kindern des Kaufmanns Friedrich Wilhelm Busch und seiner Frau Henriette geboren. Das immer wieder erweiterte und später dann grundsanierte Haus ist schon seit einigen Jahren eine liebevoll eingerichtete Erinnerungsstätte, die alle Lebensstationen von Wilhelm Busch in Bildern und Texten nacherzählt: die Kindheit zwischen Kühen und Schweinen und auf den Dorfwiesen. Der Umzug als Neunjähriger nach Ebergötzen zum Onkel, dem Pastor Georg Kleine (wo er sich durch die Freundschaft mit dem Müllerssohn Erich Bachmann und die eigenen Streiche wohl zu „Max und Moritz“ inspirieren ließ). Die ersten Zeichnungen, die in Münchener Studentenkreisen die Runde machten und erste Veröffentlichungen in den Satire-Zeitschriften „Fliegende Blätter“ und „Münchener Bilderbogen“. Die Jahre des Erfolgs und der Anfeindungen.
Ja, nicht jeder war begeistert von dem, was Wilhelm Busch da mit spitzer Feder und in seinen Bildern und kurzen Versen – eine damals neue Erzählform – unter die Leute brachte. Denn vieles war nicht erst auf den zweiten Blick starker Tobak: Zugespitzte Charaktere, eitel, frömmelnd, voller Schadenfreude. Das ging manchen zu weit. Balduin Bählmann, Hans Huckebein, Maler Klecksel, die Fromme Helene: Seinen Zeitgenossen hielt Busch zwar humorvoll, aber oft auch sehr direkt den Spiegel vor. Mancher konnte damit umgehen, und so folgte der Veröffentlichung seiner Geschichte „Der heilige Antonius von Padua“ kurz darauf ein Strafprozess gegen den Verleger, der allerdings mit einem Freispruch endete.
Auch wenn sich Wilhelm Busch zeitlebens mit theologischen Fragen und biblischen Themen auseinandersetzte (seine Taufhaube und eine Familienbibel sind im Gebursthaus zu sehen), wenn zwei Pastoren wichtige Bezugspersonen für ihn gewesen sind – zu den fleißigen Kirchgängern gehörte er nicht. Dafür sah er wohl zu sehr hinter die Kulissen. Trotzdem war er religiös alles andere als oberflächlich, schreibt der frühere hannoversche Stadtsuperintendent Hans Werner Dannowski, der sich vor Jahren in seinem Buch „Wie schad, daß ich kein Pfaffe bin“ mit der Religion im Werk von Wilhelm Busch befasst hat. Dannowski kommt zu dem Schluss: „Vielleicht hätte er selbst gern das Leben eines ‚Pfaffen‘ geführt. Aber seine Verletzlichkeit, sein Wissen um die Abgründe des Bösen haben es wohl verhindert.“ Das ist auch gut so, denn ob er im Talar wohl bis heute gern zitierte Sätze geschrieben hätte wie „Die erste Pflicht der Musensöhne, ist, dass man sich ans Bier gewöhne.“ oder „Dummheit, die man bei anderen sieht, wirkt meist erhebend aufs Gemüt“?
Über solche Sinnsprüche lässt sich bei einem Besuch in Wiedensahl mit seinen beiden Museen trefflich nachdenken. Während das im Geburtshaus inwzischen etabliert ist, gibt es in der Ausstellung im ehemaligen Pfarrhaus einen ganz neuen und sehr interessanten Aspekt zu Wilhelm Busch: Eine nachempfundene Dorfstraße zeigt das Leben der Menschen damals, das Handwerk, die Arbeit der Bauern und natürlich des örtlichen Müllers. Nur nach Witwe Bolte halten wir vergeblich Ausschau. Die soll tatsächlich in Wiedensahl gelebt und Wilhelm Busch inspiriert haben.
Stefan Branahl