Studie zur Entwicklung der Zahl der Kirchenmitglieder

Wir müssen junge Leute halten

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Die Zahl der Kirchenmitglieder wird in den nächsten Jahrzehnten massiv sinken. Das Ausmaß des Rückgangs hat jetzt eine Studie der Universität Freiburg berechnet. Der Berliner Generalvikar Pater Manfred Kollig aber sagt: „Wir sind dieser Entwicklung nicht hilflos ausgeliefert.“

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Viele junge Menschen verlassen die Kirche. Sie fühlen sich von ihrer Botschaft und den Gottesdiensten nicht mehr angesprochen. Foto: kna


Wer einen normalen Sonntagsgottesdienst irgendwo im Land besucht, den werden die Ergebnisse der neuen Studie zur Zahl der Kirchenmitglieder wenig überraschen. Angesichts der Überalterung der Gottesdienstgemeinde und der leeren Kirchenbänke verwundert es kaum, dass die Kirche massiv schrumpfen wird. Neu ist allerdings, dass dieses Gefühl von Wissenschaftlern bekräftigt wurde. Das renommierte „Forschungszentrum Generationenverträge“ der Uni Freiburg hat berechnet, dass die beiden großen Kirchen bis 2035 fast ein Viertel ihrer Mitglieder verlieren werden. Bis 2060 schrumpfen sie sogar um fast die Hälfte. War 2017 noch mehr als jeder zweite Einwohner Deutschlands Mitglied einer christlichen Kirche, wird es 2060 höchstens jeder Dritte sein. Weniger als heute, aber immer noch eine Präsenz, die eine Gesellschaft prägen kann.

Mit dem Mitgliederschwund sinken die Einnahmen: Bis 2035 büßen die Kirchen mehr als ein Viertel ihrer Kaufkraft ein, bis 2060 gut die Hälfte. Insgesamt trifft es die katholische Kirche etwas weniger heftig als die evangelische. 

Überraschender als die Prognosen sind die Ursachen für den Rückgang. Hier liefern die Forscher neue Erkenntnisse, die aufrütteln sollten: Danach ist nämlich die demografische Entwicklung nur zu einem Teil schuld. Hauptgrund für den Mitgliederschwund ist, dass Christen ihren Kirchen den Rücken kehren. Es sind vor allem junge Menschen, denen die Kirche offenbar nichts mehr zu bieten hat. Fast ein Drittel aller Getauften tritt bis zum 31. Lebensjahr aus. Und fast ein Viertel aller jungen Eltern, die selbst noch getauft wurden, verzichtet darauf, den eigenen Nachwuchs taufen zu lassen. 

Weil die Ergebnisse der Studie zunächst einmal so wenig überraschen, droht die Gefahr, dass alles so bleibt, wie es ist, Gemeinden einfach nur den Rückgang verwalten. Dabei ist die Studie für Verantwortliche wie den Berliner Generalvikar Pater Manfred Kollig ein Weckruf. „Wir sind der Entwicklung nicht hilflos ausgeliefert“, betont er. So braucht die Kirche Wege gegen den Exodus der jüngeren Generation. 

Gottesdienst und Seelsorge müssen besser werden

„Die Qualität der Pastoral ist ein Schlüssel. Wir müssen Standards entwickeln und überprüfen“, sagt Kollig. Heute ist die Qualität von Gottesdienst und Seelsorge je nach Gemeinde vollkommen unterschiedlich, manchmal auch schlecht. Wer nur zu Weihnachten, zur Erstkommunion oder Beerdigung in die Kirche findet und dann noch einen schlechten Gottesdienst erlebt, lässt sich nicht begeistern und schon gar nicht binden. Auch einigermaßen treue Kirchgänger lassen sich auf Dauer nicht mehr mit uninspirierten Predigten abspeisen. 

Folgen hat die Prognose auch für den Umgang mit Geld. „Wir müssen noch sorgfältiger planen“, sagt Kollig. Wofür gibt man künftig Geld aus? Ist das neue Gemeindezentrum nötig oder wäre eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen sinnvoller? „Wir müssen Geld zurücklegen, damit auch künftige Generationen noch gestalten können“, sagt Kollig. Und:  „Glocken können wichtig sein, sie ersetzen aber nicht das Gespräch über den Glauben.“ 

Ulrich Waschki