Interview mit Kardinal Reinhard Marx zum Kommunionempfang
Wunsch des Papstes eingehalten
Die Deutsche Bischofskonferenz hat nach kontroversen Debatten einen Text veröffentlicht, der evangelischen Partnern katholischer Eheleute im Einzelfall den Kommunionempfang ermöglichen soll. Im Gespräch erläuterte ihr Vorsitzender, Kardinal Reinhard Marx, wie es zu dieser Lösung kam, die nach seinen Worten keine neue Regel darstellt.
Herr Kardinal, haben die deutschen Bischöfe ihren Streit um den Kommunionempfang für Nichtkatholiken beigelegt?
Wir haben jedenfalls aufregende Wochen der Diskussion hinter uns. Die werden auch nicht so schnell zu Ende sein, weil es um ein wichtiges Thema geht: Die Eucharistie ist für uns als Kirche der Schatz, den uns der Herr geschenkt hat. Da darf es nicht überraschen, dass es Diskussionen um diesen Kern unseres Glaubens und Lebens gibt.
Wie geht es in der Sache weiter? Die Handreichung heißt jetzt "Orientierungshilfe" und hat keinen Herausgeber. Wie verbindlich ist sie - und für wen?
Es ist kein normativer Text, es wird auch keine verbindliche Regel aufgestellt. Daran war auch nie gedacht. Das haben manche missverstanden. Diese Missverständnisse gab es schon bei der Debatte um die wiederverheiratet Geschiedenen. Es geht auch nicht um eine generelle Einladung zur Kommunion, da wurde vieles durcheinandergeworfen. Es geht um eine Hilfestellung für konfessionsverbindende Ehen, intensiv über ihren Glaubens- und Lebensweg nachzudenken, damit sie eine Entscheidung verantworten können, die nicht die Bischöfe oder Priester zu treffen haben, sondern die Eheleute in ihrem Gewissen in begründeten Einzelfällen. Eigentlich sind diese Kriterien auch eine Hilfestellung für alle, wenn sie sich die Frage stellen: Was bedeutet es, wenn ich zur heiligen Kommunion gehe? Was heißt kommunizieren?
Hat die in der ursprünglichen Abstimmung in der Bischofskonferenz unterlegene Minderheit diese Form der Veröffentlichung gebilligt?
Ja. Der Ständige Rat hat einmütig beschlossen, dass wir jetzt so verfahren.
Im Brief des Glaubenspräfekten Ladaria vom 25. Mai heißt es, der Papst sei «zu der Auffassung gekommen, dass das Dokument nicht zur Veröffentlichung reif ist». Nun wurde es doch veröffentlicht, sogar offenbar mit Zustimmung von Franziskus, nachdem Sie noch einmal mit ihm gesprochen haben. Wie konnten Sie ihn dafür gewinnen?
Weil jetzt klar ist, dass es kein Text der Bischofskonferenz ist, und weil der weltkirchliche Aspekt der Thematik noch deutlicher geworden ist. Deshalb halten wir uns an den Wunsch des Papstes. "Nicht reif" heißt aber nicht, dass der Entwurf nicht zur Orientierung dienen kann und öffentlich bekannt gemacht wird. Inhaltlich hat Papst Franziskus das Papier auch nicht kritisiert. Aber auch unser Text ist insofern "nicht ausgereift", als dass damit alle Fragen letztgültig beantwortet wären. Nun sollen die Bischöfe in ihren Diözesen selber damit pastorale Akzente setzen, die sie für wichtig halten.
Nämlich welche? Was werden Sie als Erzbischof von München und Freising tun?
Ich denke, ich werde an die Priester und Seelsorger in unserem Erzbistum schreiben. Die Orientierungshilfe lädt zu einer Vertiefung ein, nicht leichtfertig und gedankenlos mit der Eucharistie umzugehen. Das ist ja ein gemeinsames Anliegen aller Bischöfe und auch des Heiligen Vaters. Dazu ist der Text eine hilfreiche Orientierung. Deshalb war es uns auch wichtig, dass er jetzt zugänglich ist, um das Thema vertiefen zu können.
Die Bischöfe haben ihren Streit teils öffentlich und auch mit harten Bandagen ausgetragen. Bleiben Verwundungen zurück?
Jeder muss sich selber fragen, wie das Miteinander gewesen ist. Da will ich keine Schuldzuweisungen machen. Es bleibt die Frage, wie wir solche Debatten in der Kirche künftig führen. Manches in den vergangenen Wochen war da für mich grenzwertig.
Die Bischofskonferenz habe nicht nur eine Botschaft, sie sei auch eine, hieß es mehrfach. Ist das Gremium beschädigt worden?
Naja, welche Gremien sonst bekommen eine Dreiviertelmehrheit hin? Da finde ich es schon etwas stark, von einer Spaltung zu reden. Eine, wenn Sie so wollen, Faustregel der Kirchengeschichte verlangt bei wichtigen Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit, etwa bei der Papstwahl. Natürlich sucht man nach Einmütigkeit. Aber Einstimmigkeit hat es selten gegeben, selbst bei Konzilien. Irgendwann kommt man an einen Punkt, wo sich die Frage stellt, ob wir überhaupt noch entscheiden können. Dass da von manchen der Streit personalisiert wurde zu einem Ringen von Personen, hier Kardinal Marx, da Kardinal Woelki, das fand ich nicht richtig. Auch kann von einem Alleingang meinerseits keine Rede sein. Vielmehr muss ich als Vorsitzender einen Beschluss der Bischofskonferenz vertreten, öffentlich und auch in Rom. So sehe ich meine Aufgabe, die ich in den letzten Wochen nach bestem Wissen und Gewissen wahrgenommen habe.
Wie erklären Sie den neuen Sachstand Ihrem Kollegen Bedford-Strohm? Versteht die evangelische Seite, worum es in diesem innerkatholischen Ringen geht?
Doch. Ich bin wirklich sehr dankbar für die sensiblen und verständnisvollen Reaktionen. Die evangelische Seite wusste stets, dass es in unseren Überlegungen nur um die Frage der Kommunion im Einzelfall in konfessionsverbindenden Ehen ging und geht. Hier ein Signal der Ermutigung zu setzen für die Menschen, das war der Punkt. Dass wir uns sogar darüber freuen, wenn ein Partner in einer konfessionsverbindenden Ehe nach reiflicher Überlegung und im Glauben an die Gegenwart Christi in der heiligen Eucharistie zur Kommunion hinzutritt. Sollen wir darüber traurig sein? Ich bin es nicht.
kna