Pro und Contra

Zahlen fürs Volksfest?

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Die öffentlichen Kassen sind leer. Wäre es da nicht angeraten, wenn Städte bei den großen Festen einen Eintritt von den Besuchern erhöben? Schließlich sind mit der Organisation hohe Kosten verbunden. Die Meinungen im Pro und Contra: Johannes Becher ist dafür, weil dieses Feiern persönlicher Luxus ist. Anja Weiffen ist dagegen, weil sie um den Zusammenhalt der Gesellschaft fürchtet.



Jetzt geht’s rund. Und: Spaß darf sein. Aber müssen Volksfeste kostenlose Veranstaltungen sein?


PRO
Wochen vorher ist er da: der mannshohe Zaun. Vier städtische Arbeiter haben ihn in zwei Tagen Handarbeit rund um das große Blumenbeet hochgezogen. Es ist schließlich Johannisfest. Da gilt es, die Blüten vor dem Vandalismus des feiernden Volks zu schützen. Ähnliches geschieht vor dem Rosenmontagszug mit den historischen Brunnen in der Stadt, die eine Holzrüstung verpasst bekommen. Ja, inzwischen hat sich sogar das samstägliche Marktfrühstück so ausgewachsen, dass allfreitäglich mobile Toilettenhäuschen im Dutzend aufgestellt und zusätzliche Müllkübel herangekarrt werden. Was früher eine lukrative Einnahmequelle für die heimischen Winzer war, ist längst zur lärmenden Selbstbespaßung von sich in Rekordzeit betrinkenden Feierhorden geworden. Druckbefüllung nennen das die anrainenden Kaufleute und sperren ihre Geschäfte zu.
Da mag man von Tradition, Brauchtum, Stadtkultur sprechen; von einer alljährlichen Hommage an Stadtgründer oder – wie in Mainz – eine feierliche Verbeugung vor Johannes Gutenberg, dem Erfinder der Druckkunst und berühmtesten Zögling der Gemeinde. Das Gros der Kommenden weiß davon nichts mehr. Und will es auch nicht wissen. Das Motto heißt „Ich will Spaß!“ Was ja zuerst völlig berechtigt klingt, entpuppt sich realiter als egoistisches Event-Abhaken: heute Marktbetrinken, morgen Weinfest, nächs-te Woche dann Kerb oder Oktoberbetankung.
Nein, verbieten muss man das nicht. Aber bezahlen sollten all jene für ihren Spaß, die es heutzutage so auf ihre besondere Art feiern. Warum sollte die Allgemeinheit dafür zahlen, dass sich eine Vielzahl von Festbesuchern (und -innen) nicht mehr einfachsten Anstandssregeln verpflichtet weiß?
Man kann ja den Eintritts-preis mit einer Fahrkarte fürs Karussell oder nicht-alkoholischen Verköstigungen verrechnen. Dann zahlt sich der Besuch auch für diejenigen aus, die nur mal flanieren wollen oder mal eben einen Reibekuchen essen. Aber: Druckbefüllung auf Kosten aller ist kein Grundrecht.

Johannes Becher, Redaktionsleiter

 

CONTRA
An mittelalterlichen Wegezoll erinnert die Idee des Eintritts bei Volksfesten. Wenn Feste im öffentlichen Raum zunehmend zugangsbeschränkt und privatisiert würden, stellt sich mir die Frage: Ist das gut für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Mutieren Feste dann nicht zu abgezirkelten „Special-Interest“-Veranstaltungen? Denn dazu verleitet der Eintritt. Er hält Gesellschaftsschichten fern, die sich ein Ticket nicht leis-
ten können. Auch diejenigen, die nur mal ein bisschen Festatmosphäre schnuppern wollen. Denn das Bezahlen macht das Feiern zur Ware: Ein zwangloses Schlendern etwa über einen Weihnachtsmarkt würde sich dann nicht mehr „lohnen“. Ja, erst dann müsste sich ein Festbesuch lohnen. Wenn nicht nur die Bratwurst oder der Veggie-Burger gegen Geld über die Theke gehen, sondern die reine Präsenz auf einer Festmeile verkauft wird, höhlt das den Sinn von Festen aus.
Kürzlich mussten Besucher des Darmstädter Schlossgrabenfestes erstmals ein klassisches Ticket für 14,98 Euro (Tagesticket) kaufen statt einen Trinkbecher für fünf Euro. Klar, es müssen Müllentsorgung und eventuelle Sicherheitsdienste finanziert werden. Aber zu meinen, Eintritt hält Menschen davon ab, Müll zu hinterlassen, dieser Gedanke kann sich ins Gegenteil verkehren. Schließlich hat man hat ja fürs Aufräumen bezahlt! Zu überlegen wäre eher, ob in einer Stadt unbedingt gefühlt alle vier Wochen ein größeres Fest stattfinden muss. Geht es nicht auch kleiner und dezentraler und damit der gesellschaftlichen Situation, die sich gerade stark verändert, angemessener?
Gemeinsames Feiern ohne Hürden darf kein Auslaufmodell werden. Allein schon die notwendigen Corona-Maßnahmen haben gezeigt, wie negativ sich Zugangsbeschränkungen auswirken können. Wir reden aktuell viel von Demokratie. Aber Demokratie fängt im öffentlichen Raum an, indem wir diesen miteinander gerecht teilen und nicht wie im Auktionshaus versteigern.
Anja Weiffen
Redakteurin