Anstoss 16/2018
Zahnarztseelsorge
Zahnarzt-Besuch ist etwas Schreckliches; zwar wichtig, aber nicht vergnügungssteuerpflichtig. Ganz anders bei meiner fünfjährigen Tochter.
Mit Schmerzen geht’s zum Zahnarzt. Das Wartezimmer ist leer. Okay, ist ja auch spät abends. Im Wartezimmer stehen Kinderbücher neben Spiegel, Geo und Rentner Bravos. Natürlich gibt’s auch Spielzeug und eine richtig gute Spiel- und Leseecke. Doch ehe wir zum Spielen kommen, werden wir schon aufgerufen. Der Zahnarzt steht draußen und sagt: „Hallo Henriette, sollen wir deinen Papa mitnehmen?“ Klar sollen wir. „Okay, du musst mir helfen, aber erst mal setzt sich dein Papa auf den Zahnarztstuhl und er nimmt dich auf den Schoß. Und jetzt zeige ich dir mal die Geräte, mit denen wir deinem Zahnteufel ans Leder wollen.“
Der Zahnarzt nimmt den Bohrer und den Sauger, als ob es das normalste von der Welt ist und sagt: „Zähl mal bis drei, dann startet das Ding auch.“ Die kleine zählt „eins, zwei, drei“. So lange läuft der Bohrer und saugt der Sauger. „Damit geht’s dem Teufel gleich an den Kragen. Und jetzt wird es mal ein wenig krabbeln und pieksen, denn wir müssen den Zahnteufel aus seiner Wohnung bekommen.“
Die Betäubungsspritze piekst und die Kleine ist neugierig wie ein Flitzbogen auf das, was in ihrem Mund passiert. „So jetzt nimm deine Hände hoch und zeige mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger eins, zwei, drei. Denn laut kannst du nicht zählen, weil du deinen Mund schön aufsperren sollst. Papa zählt laut für dich mit und du zeigst mir die Zahlen mit deinen Fingern.“ Und in den dreimal drei Sekunden in denen wir bis drei zählen mit kleinen Fingern und großem Mund, genau da bohrt der Zahnarzt. Alle Aufmerksamkeit ist auf’s Zählen gerichtet.
„Okay das war’s schon, jetzt müssen wir neu tapezieren und die Bude zu machen. Da gibt’s ein wenig Zement und Mörtel und Tapeten.“ Und er setzt die Füllung an. Zum Schluss gibt’s zur Belohnung für das tapfere Kind eine kleine Überraschung.
Beim Nachhause fahren sagt die Kleine: „Das hat Spaß gemacht, gehen wir wieder mal zum Zahnarzt?“ Mitgefühl, Hilfe, sich in andere hineinversetzten, Ängste nehmen, einbeziehen und anschaulich erklären, was Sache ist. Besser geht’s nicht.
Guido Erbrich, Roncalli-Haus Magdeburg