Weihnachten im Gefängnis
Zum Fest geraten die Gefühle ins Wanken
"Wir wollen hier kein Weihnachten": An Weihnachten fällt es den Insassen von Gefängnissen besonders schwer. Seelsorger versuchen das aufzufangen.
Es muss ein beklemmendes Gefühl sein, wenn sich die großen Stahltore für unbestimmte Zeit hinter einem schließen. Wenn man seine Alltagskleidung ablegt und in blaue Jogginghosen und verwaschene Sweatshirts schlüpft. Wenn man nirgendwo hinlaufen kann, ohne das Klimpern der Schlüssel im Schloss zu hören. Und wenn man drei Mal täglich von Edelstahl-Tellern isst - alleine. Irgendwann werde es zur Normalität, sagen die Gefangenen. Doch dann kommt Weihnachten, und die Gefühle geraten erneut ins Wanken.
Es ist kurz vor Weihnachten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldeck im mecklenburgischen Dummerstorf (Landkreis Rostock). Draußen vor dem Tor steht eine aus Holz geschnitzte Winterlandschaft. Ein Wichtel begrüßt den Besucher. Drinnen auf den Stationen stehen Plastik-Weihnachtsbäume. Mehr Festtagsstimmung ist nicht zu spüren.
Bernd (Name geändert) ist Häftling der JVA und weiß, warum es an diesem Ort nicht sehr weihnachtet: "Ich habe hier vor kurzem einen Weihnachtsbaum geschmückt, für alle Gefangenen. Da wurde ich angesprochen nach dem Motto: Eigentlich könnte der Baum doch weg. Wir wollen hier kein Weihnachten. So sieht es wohl bei den meisten innendrin aus. Die wollen von Weihnachten wenig wissen. Gerade, weil man an die Familie denkt und dort sein möchte."
Bernd erlebt Weihnachten hinter Gittern schon zum siebten Mal. Der 50-Jährige versucht, gelassen an das Fest heranzugehen, doch auch für ihn wird es in dieser Zeit schwieriger: "Dann denke ich an Menschen wie meine beiden Töchter, zu denen ich keinen Kontakt habe. Ich denke auch an die Menschen, die ich enttäuscht habe, dadurch, dass ich halt eben hier bin."
Gefängnisseelsorger versuchen, die Melancholie aufzufangen
In solchen Momenten sind die Gefängnisseelsorger gefragt. Ursula Soumagne von der katholischen Kirche und ihr evangelischer Kollege Martin Kühn versuchen, die Melancholie aufzufangen. Wenn Gefangene mit einem der beiden sprechen wollen, müssen sie einen Antrag stellen. "Wir haben in der letzten Zeit wirklich viele Anträge gehabt, da haben wir gemerkt, es geht auf Weihnachten zu", erklärt Soumagne. "Die Leute sind ja dann noch mal eher in der Phase, dass man sich mit sich selbst beschäftigt und sich Fragen stellt." Doch dass viele auch die Taktik der Verdrängung fahren, versteht sie gut. Trotzdem möchte die Seelsorgerin mehr weihnachtliche Stimmung ins Gefängnis bringen. In diesem Jahr gibt es das erste Mal in der JVA Waldeck einen echten Tannenbaum.
Doch sichtbarer als der Weihnachtsbaum ist die Paket-Aktion der Seelsorger. Seit 2014 dürfen Gefangene deutschlandweit keine Pakete mehr von Angehörigen bekommen. Grund ist ein neues Gesetz, um gegen Schmuggel und Handel im Gefängnis vorzugehen. In der JVA Waldeck bekommen die Insassen dennoch Geschenke. Denn, wie schon in den vergangenen Jahren, haben die Seelsorger öffentlich dazu aufgerufen, Päckchen zu packen und an die JVA zu schicken. Und die Idee kommt an.
Jeder der 250 Häftlinge wird am Morgen des 24. Dezember ein Präsent bekommen. Für Bernd ist das eine tolle Aktion: "Ich finde es extrem schön, dass fremde Leute Pakete für uns packen. Für mich fühlte sich das herzlicher an als das, was ich von zu Hause bekommen habe. Denn die Leute, die draußen sammeln, wissen nicht, für wen sie das tun. Vielleicht hätten sie ja auch Bedenken, wenn sie wüssten, an wen ihr Paket geht." Und gerade deswegen finde er es bewundernswert, dass sie für die Gefangenen sammeln. Die Seelsorger klopfen dann an jede Zelle, überreichen die Geschenke und wünschen "Frohe Weihnachten".
Für Soumagne ist dieser Moment "die gelebte Weihnachtsbotschaft". Den Rest des Tages über findet ein Skat-Turnier statt. Drinnen ist Weihnachten danach vorbei. Draußen feiern die Menschen noch zwei Tage weiter.
kna