Das Erzbistum Berlin hat jetzt eine Beschwerdemanagerin
Kritik ist willkommen
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Die heilige Messe im Jugendhaus des Erzbistums war gut besucht an einem Sonntag im letzten Herbst. Wie häufig an Sonntagen hatten sich zu Kursteilnehmern und Hausbewohnern auch Christen aus Gemeinden im nahgelegenen Südosten Berlins gesellt. Einige verließen den Gottesdienst an diesem Tag verärgert, darunter auch eine nicht mehr jugendliche Frau aus Erkner. Sie komme sonntags öfters ins Christian-Schreiber-Haus nach Altbuchhorst, um einen jugendgemäß gestalteten lebendigen Gottesdienst mitzufeiern, schrieb sie Wochen nach der Feier an den Tag des Herrn. Der junge Priester, der den Gottesdienst leitete, habe den Versammelten an diesem Tag nach dem Sanctus-Ruf mitgeteilt, dass an der Kommunion nur diejenigen teilnehmen dürften, die sitzen oder knien, berichtete die Katholikin. Etliche Frauen und Männer hätten seit Beginn der Messe gestanden, und einige von ihnen seien auch nach der Ansage des Priesters stehen geblieben. Der Zelebrant habe ihnen daraufhin die Kommunion verwehrt.
„Ich habe das als Missbrauch priesterlicher Macht empfunden“, erläuterte die Frau aus Erkner, die selbst nicht unter den Stehenden war. „Stehen ist doch eine würdige Gebetshaltung und es steht Geistlichen nicht zu, Christen mit einer solchen Willkür vom Kommunionempfang auszuschließen“, sagte sie. Es gehe ihr nicht darum, Dampf abzulassen. Sie wolle verhindern, dass weitere Katholiken ähnlich unangenehme Erfahrungen machten.
Die Empörung der Gottesdienstteilnehmer brach sich auf verschiedenen Wegen Bahn. Einige machten ihrem Unmut im Jugendhaus Luft, andere ließen ihn in ihren Gemeinden ab, wieder andere wandten sich an verschiedene Mitarbeiter des Erzbischöflichen Ordinariats bis hin zum Erzbischof. Der kümmerte sich um das Anliegen der aufgebrachten Messbesucher, hörte ihnen zu, führte Gespräche mit dem Priester und seinem direkten Vorgesetzten und betonte, dass er das Vorgefallene missbillige und an dem Thema dranbleiben werde.
Nicht immer sind Christen, die sich über Missstände beschweren wollten, in der Vergangenheit zum Ziel gekommen. Die Kommission, die 2022 das so genannte Missbrauchsgutachten für das Erzbistum auswertete, hatte der erzbischöflichen Verwaltung bescheinigt, dass sie im Umgang mit Beschwerden effektiver werden müsste. Manche Beschwerde versacke im kirchlichen Behördendschungel, weil die Verfahrenswege unklar seien. Nicht selten richten unzufriedene Katholiken ihre Beschwerden an mehrere Stellen gleichzeitig und erhielten dann im ungünstigen Fall verschiedene nicht aufeinander abgestimmte Reaktionen.
Im vergangenen Dezember hat Generalvikar Manfred Kollig deshalb ein Beschwerdemanagement eingerichtet, besetzt mit der Juristin Esther Große, Referentin in der Rechtsabteilung des Ordinariats. Sie nimmt Beschwerden über ein Kontaktformular auf der Bistums-Internetseite, per E-Mail, Postbrief oder telefonisch entgegen. Auch Lob und Verbesserungsideen sind bei ihr an der richtigen Adresse. In anderen Dienststellen eingehende Anliegen sollen bei ihr gebündelt werden. Sie reagiert auf schriftliche Beschwerden innerhalb von 48 Stunden mit einer Eingangsbestätigung, leitet Anliegen, die sie nicht selbst klären kann, an die Zuständigen weiter und hält die Beschwerdeführer auf dem Laufenden über den Bearbeitungsstand ihres Anliegens. Mehr als 30 Beschwerden sind seit Dezember bei ihr eingetroffen, viele davon über das Erzbischöfliche Büro, die Pressestelle oder die Katholischen Büros, manche auch direkt. „Die Bandbreite der Themen war groß“, erläutert sie und nennt Beispiele: Das Wort der ostdeutschen Bischöfe „Eintreten für die Demokratie“ sei für mehrere Katholiken Anlass zur Beschwerde gewesen. Andere hätten sich über den Verwaltungsleiter ihrer Pfarrei beschwert, über herumliegenden Müll auf dem Friedhof und Schimmelbefall in der Kirche. Ein Vater klagte, er sei mit seinem Kind aus dem Gottesdienst geschickt worden, weil es zu lange geweint habe, ein Elternpaar mokierte, dass ihr Kind keinen Platz an der katholischen Schule bekam.
„Alle finden Gehör und sollen erleben: Kritik ist für uns eine willkommene Chance, uns zu verbessern. Niemand bekommt hier die Antwort: Pech gehabt, wir sind nicht zuständig“, betont Esther Große. Sie nehme alle Beschwerden entgegen und leite sie in Absprache mit ihren Kolleginnen der Rechtsabteilung gegebenenfalls weiter – auch im Fall des Friedhofsmülls, obwohl die katholische Kirche nicht Träger des Friedhofs war. Die Informationen, die sie etwa aus dem Pastoralbereich, vom Büro des Erzbischofs oder von anderen Zuständigen erhalte, verarbeite sie in ein allgemein verständliches Antwortschreiben. „Auch wenn es nicht primär um die Klärung juristischer Sachverhalte geht, ist meine juristische Ausbildung bei der Einschätzung hilfreich.“ Sie sei gewohnt, sich mit Problemen auseinanderzusetzen und habe gelernt, beleidigende Äußerungen nicht persönlich zu nehmen. Allerdings habe sie nur bei zehn Prozent der bisherigen Beschwerden einen verletzenden Ton wahrgenommen.
Nicht alle Verfahrenswege seien bereits geklärt, sagt Esther Große, „in den ersten Monaten vernetze ich mich zum Beispiel mit der Caritas und grenze meine Zuständigkeiten ab.“ So ist es ihr wichtig, Beschwerden von politischen Debattenbeiträgen zu unterscheiden. Sobald sie einen Hinweis auf sexualisierte Gewalt erkennt, verweist sie auf die unabhängigen Ansprechpersonen für Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs. Wenn kirchliche Mitarbeiter sich über ihre Vorgesetzten beschweren, sei sie auch nicht die richtige Adresse. Eigens geklärt ist das „Digitale Hinweisgebersystem“ im Erzbistum für Regelverstöße, von denen Mitarbeiter im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis erlangt haben. Das Erzbistum Berlin ermutigt über einen externen Dienstleister Mitarbeiter, Ehrenamtliche und Außenstehende, Rechtsverstöße und Fehlverhalten innerhalb der Organisation anonym zu melden und mitzuhelfen, Schäden zu vermeiden.
Esther Große ist dienstags und mittwochs von 9 bis 11 Uhr unter 0 30 / 32 68 41 78 erreichbar und immer per E-Mail (beschwerde@erzbistumberlin.de)