Theologinnen in der DDR
Das Studium war ein Geschenk
„Heute ist die Welt weiter, größer. Damals waren wir an die Begrenztheit gewöhnt“, sagte Maria Geburek – eine von 56 Frauen, die in der DDR in Erfurt Theologie studierten. Selbstverständlich war das nicht. In dem Buch „Frauenporträts – Katholische Theologinnen aus der DDR erinnern sich“ haben Exegetin Marlen Bunzel und Theologiestudentin Weronika Vogel die Geschichten ebenjener Frauen gesammelt.
Mit der Grenze zwischen DDR und BRD wurde es zunehmend schwierig, theologisch qualifiziertes Personal zu finden, sagt Weronika Vogel: „Die Kirche stellte fest, dass sie theologisch gebildete Frauen für diözesane Aufgaben im Osten braucht.“ Der DDR-Staat hatte das Studium der Theologie jedoch ausschließlich zur Ausbildung von Priestern zugelassen. Ein katholisches Theologiestudium für Frauen durfte es nicht geben, heißt es in dem Buch. So entstand das Edith-Stein-Seminar. Offiziell nur als Gasthörer nahmen die Frauen an den Vorlesungen teil. Anders als die Priesteramtskandidaten, die neun Semester lang studierten, waren für die Frauen nur sechs Semester und weniger Vorlesungen vorgesehen. Sie legten dennoch die regulären Prüfungen ab und erhielten am Ende ihres Studiums statt eines Diploms ein Abschlusszeugnis. Der Staat erkannte diesen Abschluss weder vor noch nach der Wende an.
Dass sie nun gemeinsam mit Frauen studierten, gefiel einigen Studenten anfangs nicht, erinnert sich Brigitte Schmeja. Es gab Getuschel und manche ärgerten sich, wenn die Frauen besser abschnitten als die Männer, liest man in ihrem Abschnitt des Buches: „Aber es gab nun mal auch solche, die haben nur stichprobenartig gelernt und sagten sich: ‚Ich bin eben berufen!‘“ Am Ende habe man sich aber aneinander gewöhnt.
Viele Freiheiten hatten die Frauen nicht – vom Bischof zum Studium berufen, kamen sie in Erfurt im Ursulinenkloster und bei Franziskanerinnen unter. Dort hatten sie keinen Schlüssel für ihre eigene Unterkunft, mussten sich auch mit Mitte 20 noch abmelden, wenn sie abends ausgehen wollten. Auch, dass die Theologistudentinnen nicht heiraten durften, habe einige belastet. Ein ungeschriebenes Gesetz, das normalerweise für Seelsorgehelferinnen galt und den Frauen nahegelegt wurde. Doch sie fanden sich damit ab. „Ich habe den geistlichen Beruf sehr schätzen gelernt“, heißt es in der Erinnerung von Maria Geburek, „Die Botschaft ist so groß und so toll. Durch die Theologie habe ich das noch ganz anders kennengelernt.“ Wer damals Theologie studierte, tat das aus Überzeugung und mit der Aussicht auf wenig Geld, glaubt auch eine Leserin.
„Für die Frauen war dieses Studium ein großes Geschenk“, sagt Marlen Bunzel. Anfangs begleitete Bischof Hugo Aufderbeck die Theologinnen geistlich, lud sie zu sich nach Hause ein. Dabei bezeichnen die Frauen selbst sich nicht als Theologinnen. Marlen Bunzel bedauert das. Mehrere lehnten damals den Ruf ab, als Dozentin Theologie zu lehren. „Sie hatten in einem männerdominierten Feld kein richtiges Diplom. Das macht was mit einem“, sagt die Exegetin. Und sie stellt fest: „Ich bin selbst gerade noch in der DDR geboren und habe in Erfurt Theologie studiert – trotzdem wusste ich bis vor Kurzem nichts von den Frauen, die hier studierten.