Diakon Mathias Kugler eine Pfarrei in Erfurt
„Mehr Stühle im Altarraum“
Foto: Michael Reddig
„Für viele Leitungsaufgaben in der Pfarrei braucht es keinen Priester und noch nicht einmal einen Theologen.“ Das ist Diakon Mathias Kugler in den zurückliegenden Monaten noch bewusster geworden. „Da mir Barrierefreiheit ein wichtiges Anliegen ist, habe ich mich zum Beispiel um einen Rollstuhllift für das Gemeindehaus in St. Josef gekümmert“, sagt Kugler, der seit September vergangenen Jahres die Pfarrei St. Josef Erfurt-Nord im Rahmen eines Modellprojektes leitet. Oder: Bei einer Überprüfung habe sich gezeigt, dass an vier der fünf Kirchorte der Pfarrei der Blitzschutz verbessert werden muss. Auch darum müsse sich kein Theologe kümmern.
Neben solchen alltagspraktischen Herausforderungen als Leiter einer Pfarrei erlebt sich der Ständige Diakon und studierte Theologe aber auch seelsorglich gefordert und freut sich darüber: „An den Werktagen leite ich die Wortgottesfeiern in unseren Kirchorten und bin auch als Prediger gefragt.“ Sonntags würden weitgehend Kaplan Johannes Kienemund, der als moderierender Priester zum Pfarreiteam gehört, aber auch Pensionärs- und andere Priester die Eucharistie feiern. Zunehmend seien jedoch auch die fünf Diakonatshelfer in der Pfarrei gefordert, Wort-Gottes-Feiern anzubieten, so Kugler. Für den „Großteil der Gemeindemitglieder ist das Wichtigste, dass sie sonntags zum Gottesdienst zusammenkommen können“, vermutet der Diakon.
Gemeindemitglied Susanne Apel hat zwei Kinder, die Ministranten sind. „Für die Messdiener ist der häufige Wechsel der Priester nicht so einfach, da sie manches unterschiedlich handhaben“, sagt Apel. „Möglicherweise müssen die Ministranten etwas selbstbewusster werden und den Zelebranten sagen, wie manches in der Gemeinde üblich ist.“ Grundsätzlich glaubt Apel, dass viele Pfarreimitglieder der neuen Situation mit Diakon Kugler als Pfarreileiter durchaus offen gegenüberstehen. „Jedem ist bewusst, dass es nicht mehr genug Priester gibt und es neue Formen braucht, Gemeinde zu leben. Das hat durchaus Chancen für alle, sich selbst aktiv einzubringen.“
Im Alltag manchmal schwierig sei, dass Kaplan Kienemund angesichts seiner anderen Aufgaben nur am Wochenende in der Gemeinde zur Verfügung steht, sagt Diakon Kugler. „Es braucht auch in der Woche immer wieder einen Priester, zum Beispiel, wenn es um die Krankensalbung oder um ein Requiem geht.“ Bisher würden da Nachbarpfarrer einspringen. Das gehe in Erfurt, sei aber im ländlichen Bereich nicht so einfach.
Gemeinsam mit Gemeindereferent Gerhard Thon und Kaplan Kienemund stimme er sich bei wichtigen Entscheidungen oder Vorhaben wie einem Klausurtag für die Pfarreigremien ab. Zuletzt sei dies wegen Krankheit beider allerdings schwierig gewesen.
Als Leiter einer Pfarrei vielseitig gefordert
Dass er als Leiter der Pfarrei jetzt mehr gefordert ist als bei seinem vorherigen Dienst in der Pfarrei Saalfeld, bekommt Kugler von seinen vier Kindern „zurückgemeldet“, wie er sagt. „Am Anfang ist manches noch zeitintensiver. Außerdem will ich bei vielen Terminen präsent sein, damit die Gemeindemitglieder mich und ich sie besser kennenlerne.“ Zudem fordere ihn und seine Frau, die zugleich Pfarrsekretärin ist, auch das Wohnen im Pfarrhaus heraus, was natürlich erwartbar sei. Zur Pfarrei St. Josef gehören neben Erfurt-Nord die Kirch- und Gottesdienstorte Gebesee, Gispersleben, Stotternheim und Witterda – ein Büro gibt es nur in St. Josef. Rund 3200 katholische Christen gehören zur Pfarrei.
„Wichtig ist, bei den Gemeindemitgliedern weitere Talente und Charismen zu entdecken“, sagt Kugler. „In der Fastenzeit haben wir nacheinander in allen fünf Kirchort-Gemeinden in einem Sonntagsgottesdienst entsprechende Impulse gegeben: Jedes Gemeindemitglied sollte sich nach den eigenen, besonderen Fähigkeiten fragen, diese aufschreiben und zur Gabenbereitung mit vor den Altar bringen. Darauf hätten sich zahlreiche Gottesdienstteilnehmer eingelassen. Am Sonntag drauf wurden diese Talente dann zur Gabenbereitung vorgelesen. Und die Gemeindemitglieder ermutigt, sich damit nach dem Gottesdienst beim Kirchortrat zu melden. Das tat aber fast niemand. „Am Ende sind es zirka fünf Prozent der in der Pfarrei gemeldeten Katholiken, die gelegentlich ein Projekt mittragen oder sich wirklich kontinuierlich aktiv in der Gemeinde einbringen, also eine recht kleine Zahl“, stellt der Diakon fest.
Dankenswerterweise habe sich in der Pfarrei eine kleine Arbeitsgruppe gebildet, die die Pfarrei-Website auch im Blick auf die Nutzung am Handy überarbeitet, sagt der Diakon. Dabei habe man sich praktische Unterstützung im Blick auf die Homepage-Plattform von Seiten des Ordinariats erhofft, aber nicht bekommen. Andererseits habe ihn das Ordinariat zum Beispiel sehr gut in für ihn noch neuen Finanzamts-Angelegenheiten unterstützt.
Froh ist Kugler, dass es zum Familiengottesdienst im Juli einen Kinderchor gibt, in den sich auch Eltern einbringen. Überhaupt gebe es jetzt regelmäßig einmal im Monat einen Familiengottesdienst in St. Josef und an einem anderen Sonntag einen in Witterda, zudem immer wieder Kindergottesdienst parallel zum Gottesdienst der Erwachsenen, so der Seelsorger, der auch Vorstandsvorsitzender des Familienbundes in Thüringen ist. Auch der Ministrantentreff in Witterda einmal im Monat und das 14-tägliche Kindertreffen in St. Josef gehöre zu den Angeboten. Das freut auch Susanne Apel.
Diakon Kugler sieht die Situation aber auch nüchtern: Seit Herbst vergangenen Jahres habe man auf 180 versandte Begrüßungsbriefe an zugezogene Katholiken nicht eine Rückmeldung erhalten. Und auf 40 Schreiben an Familien mit Neugeborenen gab es gerade mal eine positive Reaktion. Von 14 Kindern, die in diesem Jahr zur Erstkommunion gegangen sind, habe sich ein Mädchen für den Dienst als Ministrantin interessiert.
Dennoch freut sich Kugler über die stattliche Gruppe von Ministranten in St. Josef und in Witterda. Der Kirchortrat habe schon festgestellt: „Wir brauchen mehr Stühle im Altarraum.“ Auch eine Flötengruppe sei entstanden.
Jeder muss den Glauben weitertragen
„Man muss die Menschen und Gott lieben.“ Das halte ich für die Kernkompetenz eines jeden, der mit der Leitung einer Pfarrei betraut wird, sagt Kugler. Und was will Gott den Gemeinden in der gegenwärigen Situation vielleicht sagen? „Ich vermute, er will uns sagen, dass wir das Glaubensleben und die Weitergabe des Glaubens nicht allein von den Hauptamtlichen abhängig machen dürfen. Und dass es stattdessen wichtig ist, dass die Gläubigen aus sich heraus dafür sorgen, dass der Glaube lebt und weitergegeben wird.“ Ihm selbst sei es dabei ein Anliegen, „dass sich jeder – auch bei manchen unterschiedlichen Sichtweisen – einbringen kann und seinen Platz findet“, so Kugler.