Eigenanteil für Platz im Pflegeheim

Wer Hilfe braucht, bekommt sie

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Symbolbild Finanzierung der Pflege
Nachweis

Foto: imago/Bihlmayerfotografie

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Die Unterbringung in einem Pflegeheim wird in den nächsten Jahren noch kostenintensiver werden.

Ständig steigende Eigenanteile verunsichern Bewohner von Altenheimen. Katholische Träger stellen klar: Wer seinen Pflegeplatz nicht bezahlen kann, wird auch künftig von den Kommunen unterstützt.

„Es ist glücklicherweise so, dass in Deutschland jeder sein Heim frei auswählen kann“, betont Philipp Nitsche vom Caritasverband in Erfurt. Wer in ein Altenpflegeheim der Caritas möchte, der könne dies auch, sofern er sich rechtzeitig anmeldet. Das ist die eigentlich gute Nachricht. Bei den Eigenanteilen, die von den Bewohnern zu entrichten sind, wird es etwas kompliziert. Obwohl auch hier eigentlich kein Grund zur Beunruhigung da ist. „Dennoch, es ist ein sensibles Thema und wir wissen darum“, sagt Nitsche.
Die Eigenanteile der Bewohner setzen sich aus den Kosten für Pflege, Unterkunft und Verpflegung sowie den Investitionskosten für Modernisierungen und Reparaturen zusammen. Alle Komponenten des Preises treibt die Inflation in die Höhe. Dabei waren die Eigenanteile in den Einrichtungen der Caritas schon immer höher als bei den meisten Anbietern, die erst seit 2022 Tariflöhne zahlen müssen. Preistreiber ist auch die Verringerung der Wochenarbeitszeit auf 39 Stunden, betont Nitsche. Ebenso die Zahlung eines Inflationsausgleichs für die Mitarbeiter. Neues Personal müsse eingestellt werden und das wird durch neue Gesetze seit Anfang Juli den Bewohnern in Rechnung gestellt.

Angehörige werden nur selten belastet

In Deutschland übernehmen die Kommunen und Landkreise die Eigenanteile, wenn die Rente nicht reicht. Haus- und Wohneigentum sowie etwaige Wertgegenstände müssen allerdings hinzugezogen werden. Behalten dürfen die Bewohner ein Guthaben von 10 000 Euro. Angehörige werden nur belastet, wenn sie über ein Bruttojahreseinkommen verfügen, das höher als 100 000 Euro ist. „Wie viele Bewohner unserer Altenpflegeheime tatsächlich Sozialhilfen erhalten, wissen wir als Verband nicht“, sagt Philipp Nitsche. Die Anträge auf Kostenübernahme der Eigenanteile stellen Bewohner oder deren Angehörige selbst bei den Sozialämtern. Die überweisen dann das Geld auf die privaten Konten. Von dort ziehen es die Heime ein.
Dass das Thema Eigenanteile viele Menschen verunsichert, weiß auch Norbert Frangenberg, Geschäftsführer der Deutschordens-Altenzentren Konrad Adenauer in Erfurt und Jena. Frangenberg beklagt, dass die Gesetze rund um die Pflege zu kompliziert geworden seien. „Wir müssen Briefe an unsere Bewohner versenden, die sie überhaupt nicht verstehen“, bedauert er. Natürlich seien die Mitarbeiter bereit, zu erklären und zu unterstützen. 
Größer als die Sorge um die Eigenanteil-Finanzierung sei in  Erfurt und Jena die Angst, ob die Pflegekräfte durchhalten und das System stabil bleibt, nimmt Frangenberg wahr. „Das sind subjektive gefühlte Ängste. Die Bewohner möchten zudem, dass höhere Anteile bei den Einrichtungen verbleiben und den Mitarbeitern zugute kommen.“
Die Zusammenarbeit mit dem  Erfurter Sozialamt funktioniere sehr gut. Die Stadt regelt mit den Bewohnern alles Notwendige,  dies ist längst nicht in allen Kommunen so“, weiß Norbert Frangenberg. Wie viele der Bewohner in Erfurt Sozialhilfe beziehen, weiß er nicht. Im Jenaer Luisenhaus seien die meisten Selbstzahler. In der Stadt werden die höchsten Einkommen Thüringens gezahlt. 

Tendenz zur Sozialhilfe steigt

Im sächsischen Leipzig-Engelsdorf finanzieren etwa ein Viertel der Bewohner des Caritas-Altenpflegeheims Sankt Gertrud ihren Anteil über die Sozialhilfe. Die Tendenz sei steigend, sagt Einrichtungsleiter Klaus Mildner. Derzeit sind in Engelsdorf Eigenanteile in Höhe von 2500 Euro fällig. In den kommenden Jahren könnten diese jedoch auf 4000 bis 5000 Euro ansteigen. Insgesamt nimmt der Heimleiter wahr, dass die Bewohner wenig Sorge um die Bezahlung der Eigenanteile haben. In Deutschland gebe es niemanden, der aus Geldnot nicht in die Pflege kommt. „Das Sozialkassen springen immer ein“, weiß Klaus Mildner. Selbst für diejenigen unter den Pflegebedürftigen, die – aus welchen Gründen auch immer – keinen Versicherungsschutz haben, übernehmen die Sozialkassen den Eigenanteil als Sozialhilfe. 
Die derzeitigen Regelungen zur Finanzierung der Pflege könnten bald ausgereizt sein, schätzt der Heimleiter ein. Die Kommunen seien bereits jetzt zu hoch belastet. Neuregelungen würden die Pflegeversicherungsbeiträge der Berufstätigen ansteigen lassen, sieht er voraus. Die Gesellschaft müsse sich mit der Frage beschäftigen, was ihr gute Pflege wert sei. Es sollte auch diskutiert werden, ob sich die Länder und der Bund an der Finanzierung beteiligen. Diskutiert werden solle  auch eine für jeden verpflichtende Pflegeversicherung.

Kirche und Caritas wollen sich nicht bereichern

Immer wieder hört Klaus Mildner den Vorwurf, dass Kirche und Caritas mit den Heimen Geld verdienen. Das macht ihn zornig. Er stellt klar: die Eigenanteile steigen nicht aus Gewinnsucht. Derartige Vorurteile tragen dazu bei, dass viele Menschen beim Thema verunsichert sind. „Heime der Caritas arbeiten voll gemeinnützig, sie erwirtschaften keine Gewinne. Alles kommt den Bewohnern zugute“, sagt der Engelsdorfer Heimleiter. Mit Blick auf seine Mitarbeiter sagt er: „Pflege ist Schwerstarbeit, psychisch und körperlich. Das sollte in den Diskussionen um die Kosten nie vergessen werden.“
Andrea Stützer, die Geschäftsführerin der Katholischen Altenpflegeheime Eichsfeld, beobachtet eine wachsende Dünnhäutigkeit bei Bewohnern. Sie fahren schneller aus der Haut, wenn ein Auszubildender einen Fehler macht oder wenn der Fußboden nicht sofort gewischt wird. „Wir bezahlen das ja alles“, hört man häufiger von ihnen. Dies führe dazu, dass auch das Pflegepersonal dünnhäutiger und sensibler werde.

Angst vor eventuell drohendem Auszug

Im Eichsfeld wurden die Pflegesätze und die Eigenanteile gerade neu ausgehandelt. Zuerst wird die Kalkulationsgrundlage den Heimbeiräten in den Einrichtungen vorgelegt. Sind diese einverstanden, beginnen die Verhandlungen zwischen dem Träger, dem Sozialhilfeträger und den Pflegekassen. Derzeit betragen die Eigenanteile in den Eichsfelder katholischen Pflegeheimen 2900 bis 3100 Euro monatlich. Eine hohe Summe, die auch hier zu Verunsicherungen und Diskussionen führen. „Bei uns hat kein Mensch 3000 Euro Rente“, sagt Andrea Stützer. Einige Heimbewohner haben Angst, ausziehen zu müssen, wenn das eigene Vermögen nicht mehr ausreicht und sie auf soziale Unterstützungsleistungen angewiesen sind. 
In einem Schreiben an die Pflegeeinrichtungen weist der Landkreis explizit darauf hin, dass die Einrichtungen neue Bewohner mit Pflegegrad zwei bis zur abschließenden Hilfsbedarfsermittlung durch den zuständigen Sozialhilfeträger auf eigenes Kostenrisiko aufnehmen, sagt Stützer. Aktuell liegt ihr ein Schreiben eines Bewohners vor, der genau in dieser Notlage ist. 
Im Großen und Ganzen laufen die Gespräche um die Eigenanteile aber auch im Eichsfeld ruhig. Die meisten Bewohner hätten Verständnis, sähen auch die angespannte Situation in den Heimen. Andrea Stützer schlägt Betroffenen und ihren Angehörigen vor, sich bei offenen Fragen an die Gesundheitsministerien des Bundes und der Länder zu wenden. Oft höre sie da die Antwort: „Es nützt sowieso nichts, wir werden ja nicht gehört.“ Die Thüringer Caritas plant daher, demnächst Politiker zu einem Gespräch mit Heimbewohnern, Angehörigen und Pflegekräften einzuladen.

Holger Jakobi