Erfurter Innenstadtpfarrei berät über Kirchenschließungen
Welche Kirchen trifft es?
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Ein Konzertsaal, eine Kunsthalle, ein Raum der Begegnung – deutschlandweit, aber auch in anderen europäischen Ländern suchen Pfarreien nach neuen Nutzungsideen für ihre Kirchen, weil sie den Erhalt nicht mehr finanzieren können. Für die Gemeindemitglieder ist der Vorgang oft schmerzhaft, sie haben in ihren Kirchen Heimat gefunden. Als Vorreiter im Bistum Erfurt hat der Kirchenvorstand der Pfarrei St. Laurentius die Mitglieder aller Kirchorte eingeladen, gemeinsam über die zukünftige Nutzung der Kirchen zu sprechen. „Wir wollen den Übergang so gestalten, dass es erträglich ist“, sagt Sebastian Ulbrich vom Kirchenvorstand.
Erfurt ist reich an Kirchengebäuden – allein zur Innenstadtpfarrei St. Laurentius gehören sieben. Doch das könne nicht mehr lange so bleiben, sagt Ulbrich. Da Mitglieder schwinden und Raumkosten einen Großteil der Einnahmen verbrauchten, brauche es neue Konzepte, damit der Pfarrei in fünf Jahren nicht das Geld ausgehe. „Wir wollen agieren statt reagieren.“, erklärt er. In öffentlichen Pfarreiversammlungen konnten die Gemeindemitglieder unter dem Thema „7 minus X“ nun die Zukunft ihrer Kirchorte diskutieren und Vorschläge erarbeiten. Dass eine oder mehrere Kirchen umgenutzt oder sogar abgegeben werden müssen, hat der Vorstand bereits festgelegt. Welche Kirche es treffen wird, ist jedoch völlig offen. „Das darf keine rein finanzielle Entscheidung sein“, so Ulbrich, „Wir brauchen ein Gesamtkonzept.“
Die richtigen Fragen stellen
Die Gemeinde darf und will sich aktiv an dem Wandel beteiligen. In Kleingruppen überlegten sie: Welche (Um-)Nutzungsideen gibt es für die einzelnen Kirchen? Nach welchen Kriterien kann entschieden werden, welche der Kirchen anderweitig genutzt werden müssen? Wie können Abschied und Übergang gestaltet werden?
Die Optionen für die Nutzung der Kirchen sind vielfältig: Weiter machen wie bisher und die laufenden Kosten in Kauf nehmen. Den Raum an eine andere christliche Gemeinschaft abgeben und die Kirche so als Gotteshaus aufrechterhalten. Auch die Profanierung, bei der eine Kirche entweiht und für weltliche Zwecke genutzt wird, steht im Raum.
In der Diskussion zwischen den Teilnehmern zeichnete sich ab, dass es ein ganzes Gefüge von Kriterien braucht, um zu entscheiden, welche Kirchen die Pfarrei nicht halten kann. Es muss im Zusammenhang miteinander betrachtet werden, nicht als Konkurrenz: Wie vital ist das Gemeindeleben, welchen historischen und ästhetischen Wert hat das Gebäude, steht es unter Denkmalschutz? Wie attraktiv ist der Kirchort für junge Menschen, wie viel kostet der Erhalt und nicht zuletzt: Wo ist die Kirche innerhalb der Stadt verortet und wo wäre der nächste Ort für einen Gottesdienst?
Die Angst vorm Abschied von der eigenen Kirchengemeinde war in den Diskussionen hörbar. In den Wortmeldungen wurde auch deutlich, wie sehr ein Kirchort Heimat sein kann. Eine Kirche ist eben nicht nur ein Gebäude und so wurde in den Pausen auch Skepsis am Vorgehen des Kirchenvorstands geäußert. Viele Stimmen fragten, ob man nicht doch alle Kirchorte retten könne, wenn man nur wirklich wolle. Allerdings gab Michael Neudert, Priester in St. Laurentius, zu bedenken, dass man die Situation mit christlichem Realitätssinn betrachten solle. Und so kam auch aus dem Plenum die Aussage: „Wir dürfen den Kirchenvorstand mit dieser Entscheidung nicht alleine lassen!“ - auch wenn der Abschied weh tut.