Zum Tod von Hans Joachim Meyer

„In keiner Schublade“

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Hans Joachim Meyer
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Foto: kna/Harald Oppitz

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Hans Joachim Meyer war ein gefragter Redner ohne ideologische Scheuklappen.

Er war Minister unter Lothar de Maiziere und Kurt Biedenkopf. Und er war oberster Laienkatholik in Deutschland. Am Karfreitag starb Hans Joachim Meyer im Alter von 87 Jahren.

Er mochte am liebsten in keine Schublade gesteckt werden. „In keiner Schublade“ lautete auch der Titel seiner Autobiografie von 2015. Hans Joachim Meyer hat turbulente Zeiten erlebt: als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), aber auch als Sächsischer Wissenschaftsminister und CDU-Politiker in den Kabinetten von Kurt Biedenkopf und zuvor als Bildungsminister der letzten, frei gewählten DDR-Regierung von Lothar de Maiziere. Am 29. März starb der gebürtige Rostocker im Alter von 87 Jahren in Potsdam.

Unabhängiges Denken und Hartnäckigkeit – diese Eigenschaften kamen dem Sohn eines Apothekers und einer Lehrerin schon zu DDR-Zeiten zugute. Das Jurastudium musste er 1958 aus politischen Gründen abbrechen, ein Jahr später durfte sich Meyer für Anglistik und Geschichte in Ost-Berlin einschreiben. Trotz Distanz zum SED-Staat schaffte er es zum Professor der Sprachwissenschaften.

In der Kirche gelernt, was freie und demokratische Debatte ist

Seit den 1970er Jahren engagierte sich der Katholik in der Kirche. Die Dresdner Pastoralsynode 1973 bis 1975 war für ihn „eine kostbare Lektion in praktizierter Freiheit“, eine Erfahrung, die DDR-Katholiken nur in der Kirche machen konnten. Weitere Stationen waren das Dresdner Katholikentreffen 1987 und die Ökumenischen Versammlung. 1989 engagierte sich Meyer zunächst in seiner Gemeinde in Babelsberg, dann aber auch weit darüber hinaus, um die entstehenden Gruppen engagierter Katholiken zu vernetzen.

Nach der Wende leitete Meyer den „Gemeinsamen Aktionsausschuss katholischer Christen in der DDR“ und wurde ins ZdK berufen – das höchste Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. In dieser Zeit begann auch seine politische Karriere. Lothar de Maiziere (CDU) machte den unbelasteten Akademiker 1990 zum Wissenschafts- und Bildungsminister der letzten DDR-Regierung.

Meyer weinte der DDR keine Träne nach. Aber er verleugnete nicht seine Prägung, sein „Ossi-Herz“, wie er selbst schrieb. So konnte er das Dilemma beschreiben, das viele frühere DDR-Bürger noch heute empfinden: „Wir wollten der Bundesrepublik beitreten und doch wir selbst bleiben.“ Doch während viele Westdeutsche in ihrem Alltag von der Wiedervereinigung nur begrenzt berührt waren, wurde das Leben der Ostdeutschen komplett umgekrempelt. Das Übermaß der Westbestimmung, westdeutsche Arroganz und Besserwisserei habe die Wirklichkeit des Ostens entwertet, schrieb er.

Von 1997 bis 2009 stand Meyer als erster Ostdeutscher an der Spitze des ZdK – das war noch vor dem Missbrauchsskandal, der die Koordinaten der Kirche stark verändern sollte. Den von Papst Johannes Paul II. durchgesetzten Ausstieg der Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung bezeichnete Meyer als bitterste Erfahrung seiner Amtszeit. Unbeirrt unterstützte er die Gründung des Vereins Donum Vitae, durch den Katholiken die Schwangerenkonfliktberatung fortsetzen.

Dialogbereitschaft, aber auch Hartnäckigkeit und eine bisweilen harsche Wortwahl zeichneten Meyer als ZdK-Präsidenten aus. Dem Papst und den Bischöfen in allem gehorsam zu sein, hielt er für „unkatholisch“. Schließlich gehöre er keiner „Kommandokirche“ an, betonte er.

Gefragter Redner ohne ideologische Scheuklappen

Auch im Ruhestand blieb Meyer ein gefragter Redner und Interviewpartner. Dabei teilte er ohne ideologische Scheuklappen in alle Richtungen aus. So hielt er seinen ostdeutschen Landsleuten mit Blick auf die Erfolge von AfD und Pegida einen Mangel an Dialogfähigkeit und Weltoffenheit vor. Den Westdeutschen warf er dagegen ein unterentwickeltes Nationalbewusstsein vor, das dem Rechtspopulismus Auftrieb gebe.

In seinem Heimatbistum war Meyer zuletzt der prominenteste Wortführer der Gegner eines Umbaus der Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale. Unbeirrt verteidigte er die bestehende Raumgestalt mit der markanten Bodenöffnung, die beim Wiederaufbau vor 50 Jahren entstand, als „geniales Zeugnis zeitgenössischer Architektur“. Und Meyer betonte: „Wir Katholiken im Ostteil der Stadt waren stolz auf diese Neuschöpfung der Kathedrale“. Damit hatte er allerdings keinen Erfolg.

Christoph Arens