ifp-Treffen in Leipzig

Verpflichtet zum Widerspruch

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Podiumsgespräch
Nachweis

Foto: Dorothee Wanzek

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Bettina Westfeld (links) diskutiert mit Martina Breyer (Zweite von rechts) und Bischof Heinrich Timmerevers (nicht im Bild) über Chancen für Kirchen in der Minderheit. TAG DES HERRN-Redakteur Stefan Schilde und Melanie Giering moderieren. 

Christen sind in Sachsen in der Minderheit. Liegen darin auch Chancen? Darüber sprach Bischof Timmerevers mit den Chefinnen des Katholikenrats und der Landessynode beim Jahrestreffen der Katholischen Journalistenschule.

Bettina Westfeld, Präsidentin der Evangelischen Landessynode Sachsen, geht gelassen in die Veränderungsprozesse ihrer Kirche. „Auch wenn Finanzen wichtig sind, sollten wir Kirchen vor allem danach fragen, was wir dafür tun können, das Evangelium zu den Menschen zu bringen. Wir sollten nicht auf die Zahlen starren wie das Kaninchen auf die Schlange“, sagte sie vergangenen Sonntag bei einer Podiumsdiskussion in Leipzig.
Zum Abschluss der Jahrestagung der katholischen Journalistenschule ifp suchte sie mit Martina Breyer, der Katholikenratsvorsitzenden des Bistums Dresden-Meißen, und dem Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers nach möglichen Chancen für die Kirchen in Zeiten schwindender Mitgliederzahlen und Ressourcen.

Als kleine Kirchen schnell und kraftvoll auf Erfordernisse reagieren

Bettina Westfeld stand noch ganz unter dem Eindruck der jüngsten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes. Die hatte im im September in Krakau stattgefunden, ausgerichtet von der nur rund 60 000 Mitglieder zählenden lutherischen Kirche Polens. „Es war bewegend zu erleben, mit welcher Liebe und Energie diese kleine Gemeinschaft dieses Treffen vorbereitet hat“, erzählte sie. 
Die lutherische Kirche in Polen wirke in die Gesellschaft hinein, auch wenn sie nur eine verschwindende Minderheit bilde. Die dortige Diakonie zum Beispiel kümmere sich um zehntausende ukrainische Flüchtlinge. 
Auch in Sachsen nimmt die Synodenpräsidentin wahr, dass innerhalb der Kirche immer wieder Neues entsteht. „Ich habe keinen Zweifel, dass unsere Kirche eine Zukunft hat“, sagte sie, „es wird immer weitergehen“. Entlastend sei für sie als Historikerin auch der Blick zurück in die Geschichte: „Die Entfremdung dieses Landstrichs von der Kirche hat schon nach der Völkerschlacht eingesetzt. Wer bin ich, eine Entwicklung zurückzudrehen, die schon vor über 200 Jahren eingesetzt hat?“

Vorbild sein für respektvollen Streit und konstruktives Einmischen

„Wir sollten als Kirche politischer werden“, ist Martina Breyer überzeugt. Zu einer glaubwürdigen Verkündigung gehört für die Katholikenratsvorsitzende, dass der Bezug biblischer Texte zur heutigen Wirklichkeit klar aufgezeigt werde. In katholischen Sonntagspredigten vermisse sie den häufig. Gemeindeleiter und Prediger sollten aber Vorreiter sein . Wie alle Christen seien sie heute gefragt zu intervenieren, wenn rassistische Gedanken geäußert würden oder Meinungen, die auf andere Weise dem christlichen Menschenbild widersprechen. Auch in den eigenen Reihen, in christlichen Gemeinden und Familien gebe es  menschenfeindliches Gedankengut. 
„Sind wir bereit, dagegenzureden, wenn so etwas aufploppt oder bleiben wir weiterhin die schweigende Mehrheit?“, fragte Martina Breyer. Mancher scheue sich zu widersprechen, etwa aus der Sorge heraus, die Harmonie in einer vertrauten Gesprächsrunde zu zerstören. In Wirklichkeit zerstörten die menschenfeindlichen Äußerungen die Harmonie, nicht der Widerspruch. „Wir müssen es lernen zu intervenieren, nach innen und nach außen. Das ist gerade jetzt unsere Pflicht“, betonte sie. 
Wie wichtig das ökumenische Miteinander ist, um das Evangelium öffentlich vernehmbar zu bezeugen, rief Bischof Heinrich Timmerevers in Erinnerung. Die Kirchen müssten sich zusammenfinden und sich gegenseitig ermutigen. Die Voraussetzungen dafür seien in Ostdeutschland besonders gut. Aus der DDR-Erfahrung heraus sei großes Vertrauen gewachsen, das bis  heute trage und sich in vielen praktischen Fragen auswirke. 
Es sei doch aber keinesfalls so, dass evangelische und katholische Kirche immer mit einer Stimme sprächen, gab TAG DES HERRN-Redakteur Stefan Schilde zu bedenken, der die Diskussion gemeinsam mit ifp-Volontärin Melanie Gierens moderierte.
Dass die Kirchen nicht in allem einer Meinung sind, hält Bettina Westfeld für unproblematisch. „In den Grundzielen sind wir uns doch einig, bei manchen Themen gehen wir unterschiedliche Wege“, befand sie. Die Frage sei, wie Christen miteinander umgehen. „Wir sollten Streit so führen, dass wir darin Vorbild für die Gesellschaft sind“, schlug Bettina Westfeld vor.
In beiden Kirchen hänge bei weniger werdenden Finanzen und Personalstellen vieles in wachsendem Maße von Ehrenamtlichen ab, stellten alle Diskussionspartner heraus. Um auch künftig Christen zum ehrenamtlichen Engagement zu motivieren, brauche es eine veränderte Kultur des Ehrenamts, waren sie sich einig. Gerade jüngere Christen schätzten es, sich nicht auf Lebenszeit zu bestimmten Aufgaben zu verpflichten, sondern projektbezogen, machte Martina Breyer deutlich. Viele würden sich gerne engagieren, bräuchten aber Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume und wollten nicht nur  das umsetzen, was andere ihnen auftragen. 
Hilfreich wäre es, im Zuge von Umstrukturierungen darauf zu achten, dass Entscheidungsgremien besser miteinander verzahnt sind. Der Lenkungsausschuss, der den Strategieprozess im Bistum Dresden-Meißen leitete, habe seine Aufgaben beispielsweise an den Vermögensverwaltungsrat abgegeben, ohne dabei alle wichtigen Erkenntnisse zu übermitteln. 

Ehrenamtliche einbeziehen, aber so, dass sie nicht ausbrennen

Manche der bisherigen Gremien könnten sogar zusammengelegt werden, schlägt Breyer vor. „Was habe ich davon, dass ich mich engagiere“ sei eine Frage, die nicht länger tabu sein dürfe, sagt sie. Für sich selbst könne sie sie Frage jedenfalls klar beantworten: „Ich habe die Möglichkei, Kirche mitzugestalten und lerne dabei obendrein sehr viele interessante Menschen kennen.“ Die Gefahr, dass Ehrenamtliche ausbrennen, muss ihrer Ansicht nach immer im Blick sein, auch bei der Schaffung neuer synodaler Strukturen.
Gerade im ländlichen Raum sei es aber auch notwendig, sich einzugestehen, dass manches Bewährte und Wünschenswerte nicht mehr möglich sei, sagte der Bischof. In Ostthüringen und manch anderen Regionen seines Bistums fehlten zwei bis drei Generationen, die aufgrund der Arbeitsmarktlage weggezogen seien. Davon seien nicht nur die Kirchen betroffen, es beeinträchtige die gesamte strukturelle Entwicklung. 
Dass der Beitrag der Kirchen im Lande von der Gesellschaft wohlwollend aufgenommen wird, beobachtet er  derzeit am stärksten in Chemnitz. Dort beteiligen sich die Kirchen mit eigenen Beauftragten am Projekt Kulturhauptstadt 2025. „Es ist ausdrücklich gewollt, dass wir dort mitmachen“, sagte Heinrich Timmerevers.

Zur Sache: Wofür steht ifp?
Das Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) ist die katholische Journalistenschule in Deutschland. Das ifp hat seinen Sitz in München und bietet seit 1968 Aus- und Weiterbildung für Journalisten an. Ziel ist es, Medienfachleute auszubilden, die unabhängig und kritisch berichten, aber auch über christlich ethische Aspekte ihrer Arbeit und der Gesellschaft nachdenken. Zu den Angeboten zählen unter anderem Volontariate, Stipendien in der Studienbegleitenden Journalistenausbildung, Kurse für Volontäre an Tageszeitungen und im Privatradio, eine Sommerschule für junge Journalisten aus Osteuropa, und eine Führungsakademie. Auch der Tag des Herrn bildet Journalisten mit Unterstützung des ifp aus.

www.journalistenschule-ifp.de
 

Dorothee Wanzek