Zukunft kirchlicher Gebäude
Was Seelsorge wirklich braucht
Foto: Holger Jakobi
„Welchen Schwerpunkt wollen wir als Gemeinde setzen? Was brauchen wir für die Zukunft? Was können wir als Gemeinde für die Menschen tun, die um uns herum leben?“ Drei Fragen von vielen, die aktuell in den Pfarreien und Kirchorten des Bistums gestellt werden. Ansgar Hoffmann, als Leiter des Seelsorgeamtes mit der pastoralen Perspektive des Immobilienkonzeptes befasst, sagt: „Es geht nicht zuerst darum, Kirchen oder andere Häuser zu schließen oder zu verkaufen. Vielmehr wird darüber gesprochen, welche Immobilien für das Leben und den Auftrag der Gemeinde nötig sind.“
Bistumsfinanzen weiter in der Klemme
Das Bistum Görlitz und die Pfarreien erstellen in den nächsten zwei Jahren Immobilienkonzepte mit dem Ziel, die vorhandenen Gebäude auf Zukunft hin zu überprüfen. Gründe dafür sind unter anderem die kleiner werdenden Gemeinden, eine weitere Zusammenlegung von Pfarreien sowie der spürbare ökonomische Druck, der auf dem Bistum lastet. So werden, wie Ökonomin Regina Pätzold bereits 2023 beim Diözesanrat berichtete, die Einnahmen durch die Kirchensteuer sinken. Der Grund: Die Zahl der Katholiken wird kleiner. Auch die finanziellen Unterstützungen durch westdeutsche Diözesen sind angefragt. Wenngleich sich alle Bistümer weiterhin zur Solidarität mit der Kirche in der ostdeutschen Diaspora bekannt haben, werden die Mittel nicht mehr im bisherigen Ausmaß zur Verfügung stehen. Konkrete Folge: Das Bistum muss sich noch stärker als bisher mit der Frage auseinandersetzen, wofür es seine Mittel ausgibt. Derzeit fließen 48 Prozent des Bistumshaushalts in den Erhalt und die Sanierung der Immobilien vor Ort.
Der Inhalt des Immobilienkonzeptes wird sich neben der pastoralen Nutzung hauptsächlich am baulichen Gesamtzustand orientieren, wie der Leiter des Bauamtes, Stefan Bunzel betont. Drei Fragen gilt es zu beantworten: „Wie werden die Immobilien bisher genutzt?“ „In welchem Zustand befinden sie sich?“ „Wie wollen wir vor Ort Gemeinde und Kirche sein?“ Bunzel erklärt, dass es in einem ersten Schritt um die Bestandsaufnahme und die Analyse aller kirchlichen Immobilien geht. Insgesamt werden im Immobilienkonzept alle Kirchen und Kapellen, Pfarrhäuser, egal ob genutzt oder ungenutzt, Dienstwohnungen, Gemeindehäuser sowie die bereits vermieteten Häuser erfasst. Schließlich werden diese in Primär- und in Sekundärimmobilien unterteilt. „Primärimmobilien sichern den Sendungsauftrag der Kirche und dienen dem Leben der Gemeinde“, erklärt der Leiter des Bauamtes. Diese erhalten nach dem 1. Januar 2026 auf Antrag weitere Zuschüsse der Bistumsleitung für deren Erhaltung und Sanierung.
Nicht so die eingeteilten Sekundärimmobilien. Bunzel: „Diese sind für die Umsetzung des kirchlichen Sendungsauftrags zwar wünschenswert, jedoch nicht notwendig.“ Sie sollen durch andere Nutzung, Vermietung, Vergabe von Erbbaurechten oder durch Verkauf zur Finanzierung der Primärimmobilien beitragen.
Bei den Gemeindehäusern, die auch Sekundärimmobilien sein können, sehen Stefan Bunzel und Ansgar Hoffmann gute Chancen, diese zu erhalten, etwa in Kooperationen mit anderen Pfarreien, evangelischen Kirchgemeinden oder der Kommune.
Allein gelassen, so Ansgar Hoffmann, sollen sich die Christen in den Pfarreien jedoch nicht fühlen. „Gerne komme ich oder Stefan Bunzel, um entsprechend unserem Fachgebiet beim Immobilienkonzept zu helfen.“ Bunzel uterstützt unter anderem beim Erfassen und bei der Bewertung vor Ort. Selbst wird Hoffmann gefordert sein, wenn es um pastorale Zukunftskonzepte geht. „Grundsätzlich geht es auch um die Frage, wie Kirche und ihr Auftrag, ausgehend von knapper werdenden Ressourcen, neu verstanden und gelebt werden kann“, so der Seelsorgeamtsleiter.
Immobilien bieten für ihn auch Chancen zu zeigen, dass Kirche nicht in erster Linie für sich selbst da ist. Kirche kann Räume anbieten, in denen sich Leben entfaltet. „Mir geht es um den Blick über den Tellerrand hinaus.“ An möglichen Ideen benennt Hoffmann die Einladung ins Gemeindehaus für einen wöchentlichen Stammtisch des Dorfes, oder es werden Räume für eine Krabbelgruppe zur Verfügung gestellt, in der sich Kinder und Mütter begegnen können. Hoffmann weiter: „Das, was andernorts schon existiert, mag angesichts der konkret zur Verfügung stehen Kräfte in unseren Gemeinden vielleicht auf den ersten Blick idealistisch gedacht sein, doch bevor wir über Schließung und Verkauf reden, sollte schon nach Alternativen gesucht werden oder danach, wie unsere Immobilien den missionarischen Auftrag der Gemeinde besser unterstützen können.“
Abschiede individuell begleiten
Dennoch, ausschließen kann Ansgar Hoffmann Profanisierungen von sakralen Räumen und den Verkauf von Gebäuden und Grundstücken nicht. Er weiß, dies wird für die Gemeinden ein schmerzlicher Prozess, den die Pfarrer und Seelsorger vor Ort gestalten sollten. Hoffmann sichert aber zu, auch hier zur Seite zu stehen. „Ich denke, dass in diesen Fragen jeder Abschied sehr individuell ist und auch so begleitet werden sollte. Viele Menschen wollen erzählen, ihre Erinnerungen teilen.“ Andererseits, Immobilien können auch eine Belastung für die Zukunft sein.
Für den Seelsorgeamtsleiter ist zudem wichtig, dass der Weg zum Immobilienkonzept auch ein Weg des begleitenden Gebetes sein muss. „Im Prinzip gilt immer: alle reine Aktion, ohne spirituelle Verwurzelung, bleibt ohne Tiefe, bleibt Machwerk.“ So kann zu den Treffen und Versammlungen auch zum gemeinsamen oder persönlichen Gebet eingeladen werden, das die Bitte um die Begleitung des Heiligen Geistes auch in diesen wichtigen Fragen beinhaltet.
Zur Sache: Das Immobilienkonzept 2024/25
Phase eins: Die Erfassung aller Immobilien und anderer Flächen. Benannt werden auch Immobilien, die schon jetzt nicht mehr genutzt werden und bei denen die Absicht besteht, diese zu verkaufen. Die Pfarreien sollen zudem ein frei formuliertes Zukunftskonzept als Grundlage für das Immobilienkonzept 2024/2025 neben den ausgefüllten Formularen bis 30. April an das Bischöfliche Ordinariat senden.
Phase zwei: Prüfung, Bewertung, Beratung, Entwicklung läuft von Mai 2024 bis Oktober 2024. Es geht um die Prüfung und die Bewertung der eingesandten Informationen. Die gesammelten pastoralen und baulichen Angaben werden hier mit weiteren Daten aus den Abteilungen des Bischöflichen Ordinariats verknüft. Zudem geht es um Beratung und um Besuche vor Ort.
Phase drei widmet sich der Konzepterstellung und wird von November bis März 2025 durchgeführt. Inhaltlich geht es um die Überarbeitung des pastoralen Zukunftskonzepts der Pfarreien. Um eine Überarbeitung und Ergänzung der Formulare und die finale Erstellung des genehmigungspflichtigen Immobilienkonzepts durch die Pfarreien an das Bistum.
Phase vier: Die einzelnen Immobilienkonzepte werden im Ordinariaat noch einmal überprüft, gegebenenfalls überarbeitet und ergänzt. Die Pfarreigremien erhalten eine Rückmeldung. Die Umsetzung des jeweiligen Immobilienkonzepts auf Pfarreiebene beginnt nach der kirchenaufsichtlichen Genehmigung. In den Pfarreien kann dann mit den Vorbereitungen zur Modernisierung, sowie zum Umbau und Umnutzung oder zur Vermarktung von Gebäuden begonnen werden. Das Immobilienkonzept ist ab 2026 Grundlage für den Bauetat. Alle Baumaßnahmen müssen sich an diesem diesem Konzept orientieren