Interreligiöser Dialog in Thüringen

Im Einsatz für mehr gegenseitiges Verstehen

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Interessierte bei der Schiitischen Moschee-Gemeinde
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Fotos: Eckhard Pohl

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Reges Interesse, eine der islamischen Gemeinden zu besuchen, herrschte beim Katholikentag in Erfurt. Allein 70 Interessierte kamen in die Schiitische Moschee-Gemeinde und wurden gastfreundlich empfangen.

Eckehart Schmidt ist Beauftragter des Bistums Erfurt für den interreligiösen Dialog in Thüringen. In seinem Dienst sieht er viele Chancen, ein friedvolles Miteinander in der Gesellschaft zu fördern.

Der Zustrom war beachtlich. Immerhin 70 Interessierte kamen während des Katholikentages in Erfurt zu einer Führung in die Schiitische Moschee-Gemeinde. 70 Neugierige fanden sich zur Moscheeführung in der Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde und etwa 40 im Gotteshaus des Internationalen Islamischen Kulturzentrums Erfurter Moschee bei den Sunniten ein. Sehr gefragt seien auch Führungen durch die Alte Erfurter Synagoge und in das jüdische Ritualbad Mikwe gewesen. Zudem sei ein Speed-Dating der Religionen auf gute Resonanz gestoßen, sagt Eckehart Schmidt. So mancher habe es sich nicht entgehen lassen, zum Beispiel mal mit einem Imam zu sprechen.

Eigentlich sei das Interesse an anderen Religionen nicht besonders groß, gerade auch in den Kirchengemeinden, weiß Schmidt aus Erfahrung. Mit einer halben Stelle ist der 48-Jährige Beauftragter des Bistums Erfurt für den interreligiösen Dialog in Thüringen. „Ich verstehe meinen Auftrag vor allem als Bemühen um mehr Verstehen und gegenseitige Akzeptanz“, sagt Schmidt. „Denn das ist die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft.“

Dass er in seiner Aufgabe aufgeht, wird schnell deutlich: Bei der Katholikentagsveranstaltung in der Schiitischen Moschee-Gemeinde umarmt er den dortigen Leiter Ahmad Tabaja freundschaftlich. Im Rahmen der Reihe „Meister Eckhart – interreligiös und spirituell“ in Erfurt vergleicht er seit einigen Jahren die Mystik Meister Eckharts mit der Mystik anderer Religionen – so im Juni beim Vortrag „Meister Eckhart und die islamische Mystik“. Zu der Reihe kämen immer wieder Getaufte, die sich in den Kirchen nicht wohl fühlen, und auch Nichtchristen. An seinem Engagement für ein friedliches Miteinander in Erfurt am Runden Tisch der Religionen wird ebenfalls klar, dass ihm sein Auftrag persönliches Anliegen ist. Er schätzt seine vielen Gesprächspartner: „Leute im interreligiösen Dialog sind weltoffene Menschen. Die mag man auch. Da wächst Vertrauen und Herzlichkeit im Umgang.“

„Mystik hat religionsverbindende Aspekte“

Schmidt, der auch Referent in der Pastoralabteilung des Bistums Erfurt ist, macht in seiner religionenübergreifenden Arbeit die Erfahrung, als Kirchenvertreter gefragt zu sein: „Im Blick auf andere Religionen wird uns Christen von der Gesellschaft Kompetenz zugeschrieben“. Dies biete zugleich die Chance, mit Menschen im außerkirchlichen Bereich, darunter konfessionslosen Mitbürgern, ins Gespräch zu kommen.

Eckehart Schmidt (links) und Ahmad Tabaja
Eckehart Schmidt und Ahmad Tabaja. Tabaja ist Vorstand des Deutsch-Arabisch-Orientalischen Vereins und Leiter der Schiitischen Moschee-Gemeinde in Erfurt.

Das Interesse für andere Religionen und Kulturen scheint dem 1976 in Aschaffenburg geborenen Schmidt in die Wiege gelegt. Sein Vater schätzt die Texte Meister Eckharts und gibt seinem Sohn dessen Namen. Der spätmittelalterliche Dominikaner beschäftigte sich auch mit Schriften jüdischer und islamischer Denker. Meister Eckharts Gotteserfahrungen sind denen des persischen Gelehrten und Mystikers Attar, der etwas früher lebte, recht ähnlich. Schmidt erklärt: „Mystik hat religionsverbindende Aspekte. Jede Religion hat ihre eigene Theologie. Aber das Bemühen um Haltungen wie zum Beispiel das Loslassen von Ichbezogenheit und Besitz oder das Streben nach Gelassenheit verbindet die Mystik der Religionen.“

An dererlei Fragen Interesse gefunden, studiert Schmidt Anfang der 2000er Jahre Historische Anthropologie und im Nebenfach Religionswissenschaft mit dem Schwerpunkt „Weltreligionen“. „Auch beim Betrachten der Geschichte der Menschheit finden sich kulturübergreifend gleichbleibende, alle Menschen verbindende Elemente wie Liebe, Fürsorge, Gemeinschaft, Tod und auch Religion“, sagt Schmidt. Während seines Studiums ist er viel in der Welt unterwegs: „Ich habe viele Menschen aus anderen Kulturen und Religionen kennengelernt und habe meist sehr gute Erfahrungen gemacht. Umso mehr finde ich es beschämend, wie wenig freundlich sich viele Deutsche grundlos gegenüber Fremden verhalten.“ Nicht jeder Fremde sei automatisch gut, aber grundsätzlich gelte es, Menschen zunächst Wohlwollen entgegenzubringen. Am Ende seiner Studienzeit promovierte Schmidt zum Religionsbegriff: „Was ist das Gemeinsame verschiedener Religionen und was ist der Kern von Religion?“

Im Dialog über den eigenen Glauben nachdenken

Im Gespräch mit den Vertretern anderer Religionen gehe es aber durchaus auch um Unterschiede, sagt Schmidt. „Wie erklärt man Muslimen die Göttlichkeit Jesu?“ Das sei eine Frage, vor der er immer wieder stehe. „Alle Muslime sagen: ,Jesus ist nicht am Kreuz gestorben. Das am Kreuz war jemand anderes. Jesus, der Sohn der Maria, wurde lebendig als Mensch in den Himmel gesetzt. Er ist ein Prophet, aber nicht Gott.‘“ Er, so Schmidt, spreche dann von der Allmacht Gottes, selbst Mensch werden zu können oder davon, dass Christus das Wort sei, durch das sich Gott den Menschen selbst mitteile – ähnlich wie die Muslime den Koran als Wort Gottes verstehen.

Darüber nachzudenken, beginne man erst im Dialog mit Andersglaubenden: „Ich bedenke mehr, was das eigene Reden beim Andersgläubigen auslöst. Wenn ich etwa mit einem Hindu über Jesus spreche, weiß ich, dass er Jesus als eine unter vielen göttlichen Manifestationen des Hochgottes Vishnu versteht.“

Schmidt ist auch im Gespräch mit jüdischen Mitbürgern und gehört zum Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Thüringen. Als Sprecher des Runden Tisches der Religionen Erfurt stieß Schmidt im November 2023 bei der Jüdischen Landesgemeinde auf Unverständnis: In einer Mail an das Gremium nach dem Überfall der Hamas auf Israel erinnerte er daran, dass man sich, wie vereinbart, beim nächsten Treffen nicht internationaler Politik, sondern der Sorge um ein gutes Miteinander in Thüringen widmen wolle. Er habe allerdings übersehen, dass die jüdische Seite den Überfall als einen Angriff auf das gesamte Judentum werte und auf Israel, das für sie die sichere Heimstatt aller Juden weltweit darstelle, so Schmidt. Das führte dazu, dass sich die Jüdische Landesgemeinde vom Runden Tisch zurückzog. Schmidt suchte umgehend das versöhnliche Gespräch. Er sagt: „Als Christ steht man da schnell zwischen den Fronten.“

Der theologische Auftrag, mit anderen Religionen im Dialog zu sein, findet sich in der Konzilserklärung „Nostra Aetate. Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ von 1965. Darin heißt es, dass es gelte, das gegenseitige Verstehen zu fördern. Schmidt betont: „Deshalb sehe ich neben anderen Aufgaben meinen Auftrag vor allem darin, Räume anzubieten, wo sich Menschen über andere Religionen informieren können. Denn nur so ist es möglich, Vorurteile abzubauen, Verständnis füreinander zu entwickeln und zu erkennen, dass die anderen auch ,nur‘ Menschen sind.“

Eckhard Pohl