Einigung erziehlt
Kloster und Kunstschatz gerettet
Foto: Ben Gierig
Die Zisterzienserinnen-Abtei St. Marienthal im südostsächsischen Ostritz hat ihre Bibliothek an den Freistaat Sachsen verkauft: insgesamt rund 2700 Titel. Nach mehr als zwei Jahren Verhandlung sind dafür 5,5 Millionen Euro geflossen. Eine Million Euro steuerte die Ernst von Siemens Kunststiftung bei. Darüber haben nun in Dresden die Äbtissin Maria Elisabeth Vaterodt sowie Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Stiftung informiert.
Nötig geworden ist der Verkauf, da das Kloster durch das Neiße-Hochwasser von 2010 stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Daraufhin gab es Hilfen des Freistaats, die jedoch nicht ausreichten. Die hohen Sanierungskosten brachten das Kloster finanziell in Schieflage. Deshalb boten die Nonnen eine kleine Auswahl hochkarätiger Stücke der Bibliothek – Urkunden, Handschriften und Drucke des 12. bis 19. Jahrhunderts – über einen schweizerischen Händler auf dem Kunstmarkt an. Dafür hagelte es Kritik von Archivaren, Wissenschaftlern und Politikern, die den Verlust ins Ausland, eine Zerschlagung des Bestandes und die Unzugänglichkeit für Forscher fürchteten. Die daraufhin aufgenommenen Verhandlungen mit dem Freistaat seien „kein leichter Weg“ gewesen, räumte die Äbtissin Schwester Maria Elisabeth Vaterodt ein.
„Beitrag zur Erzählung der sächsischen Geschichte“
Mit dem Ergebnis indes zeigten sich alle Beteiligten zufrieden. Die sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus, Barbara Klepsch, sieht in dem Ankauf die Chance, Kulturgut in Sachsen zu halten, bei dem es sich um einen zentralen „Beitrag zur Erzählung der sächsischen Geschichte“ handele. Neuer Eigentümer der Sammlung von religiösen und weltlichen Stücken wird die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) in Dresden. Zu den Titeln zählen 35 Urkunden, die künftig im Hauptstaatsarchiv der Landeshauptstadt verwahrt werden, 21 Inkunabeln (Frühdrucke) und acht besonders wertvolle Handschriften, die später in das Handschriftenzentrum der Universität Leipzig überführt werden sollen.
Die Marienthaler Bibliothek umfasst Werke zu den Themen Theologie, Askese und Spiritualität. Sie enthält aber auch geschichtswissenschaftliche, geographische und juristische Schriften. Die Sammlung entstand im Wesentlichen ab dem 17. Jahrhundert. Sie diente der Bildung der Schwestern und half bei der Verwaltung klösterlichen Grundbesitzes. Das Gros bleibt als Dauerleihgabe im Kloster.
SLUB-Generaldirektorin Katrin Stump würdigte den Ankauf als Glücksfall. In jüngerer Zeit wurden immer wieder Sammlungen klösterlicher Bildungskultur, die auch die Rekonstruktion von Wissensnetzwerken ermöglichen, zum Verkauf angeboten. Dabei konnte die Öffentliche Hand jedoch selten etwas komplett erstehen, oft nur einzelne Stücke. Für 2025 kündigte Stump eine große Ausstellung mit Objekten aus der Bibliothek an. Auch für die Landesausstellung „1100 Jahre Sachsen“ (2029) sowie die 800-Jahr-Feier des Klosters (2034) dürfe mit Kooperationen zwischen Freistaat und Kloster zu rechnen sein.
Einblicke in die Kultur des obersächsischen Hochadels
Zwei der wertvollsten Stücke sind bis 6. Januar 2024 in der im SLUB-Hauptgebäude Dresden untergebrachten Schatzkammer kostenfrei zu besichtigen. Das sind zum einen der bis zur Reformation im Kloster Altzelle, einer der Grablegen der Wettiner, verwahrte St. Marienthaler Psalter aus dem 13. Jahrhundert. Zum anderen ist es das sogenannte Kapiteloffiziumsbuch aus dem 12. Jahrhundert. Es stammt aus dem Kloster Pforte bei Naumburg, gehörte zum Altzeller Gründungsbestand und enthält etwa ein Martyrologium und ein Verzeichnis mit Sterbedaten von 15 der 34 Altzeller Äbte.
Von internationaler Bedeutung ist der Psalter, ein in Franken entstandenes Prachtgebetbuch mit Rankinitialen. Er gewährt als einzig bekanntes Exemplar seiner Art Einblicke in die Kultur des obersächsischen Hochadels der Zeit. Europaweit sind nur zwei vergleichbare Schriften erhalten. Zeugnisse wie diese sind auf dem Gebiet der Reformation äußerst selten, wie Fachleute vom Handschriftenzentrum ausführten, da der konfessionelle Bruch einen Totalverlust des bis dato gebräuchlichen, liturgischen Schrifttums mit sich gebracht habe. Beide Bände, um 1530 von einem Meißener Buchbinder neu gebunden, konnten ins seinerzeit böhmische und damit katholische St. Marienthal, eine Altzeller Tochtergründung, gerettet werden.
Die Frage, ob mit dem Verkauf die Finanzprobleme des Klosters gelöst seien, beantwortete die Äbtissin positiv. Man müsse nun alles dafür tun, eine vergleichbare Situation künftig zu vermeiden und hoffe, sich jetzt wieder auf die eigentlichen Anliegen konzentrieren zu können: Gebet, Arbeit, Studium. „Wir vertrauen darauf“, sagte sie, „dass Gott es fügt.“