Änderung in der Pastoral
Paarsegnungen nun möglich
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Im Erzbistum Berlin sind fortan katholische Segnungen von homosexuellen Paaren und Geschiedenen möglich. Erzbischof Heiner Koch stellt es seinen hauptamtlichen Seelsorgern frei, dies zu tun. Er werde nicht gegen sie disziplinarisch vorgehen, wenn sie solche Paare „in besonderen persönlichen Situationen aus seelsorgerischen Gründen segnen“, heißt es in einem ausführlichen Brief Kochs an die Seelsorger des Erzbistums. Er selbst werde als Erzbischof aber erst dann homosexuelle Paare segnen, wenn der Vatikan eine solche Segnung offiziell für die katholische Kirche erlaube.
Einer Segnung vorangehen soll laut Koch jeweils ein pastorales Gespräch mit dem Paar zur „Gewissensbildung und -entscheidung“. Die Regelung gilt analog auch für wiederverheiratet Geschiedene, die ihre Beziehung segnen lassen möchten. Auch das ist bislang offiziell nicht möglich.
Thema unter Seelsorgern und Priestern emotional diskutiert
Erzbischof Koch reagierte mit dem Brief auf einen Beschluss des Synodalen Wegs zur Zukunft der Kirche in Deutschland. Die Teilnehmer hatten mehrheitlich für die Möglichkeit von Segensfeiern für homosexuelle Paare gestimmt; auch Koch votierte bei der Abstimmung im März mit Ja. Das Synodalpapier hat jedoch aus sich heraus keine rechtliche Bindung. Eine Umsetzung obliegt jedem Ortsbischof selbst.
Dem Brief zufolge hatte das damalige Synodalpapier im Erzbistum Kontroversen und Diskussionen ausgelöst, die „zum Teil mit großer Härte und starken Emotionen geführt wurden“ – auch bei der Seelsorgekonferenz, im Priesterrat und im Pastoralrat. „In den ernsthaften Diskussionen zeigte sich eine große Liebe zur Kirche und eine große Leidenschaft für die Verkündigung“, schreibt der Erzbischof. „Aber nicht selten trat die Überzeugung zutage, dass nur der eigene Standpunkt geeignet sei, um die Kirche vor schlimmen Konsequenzen zu bewahren.“
Koch: „Segen keine Legitimation, sondern Hilfe und Gnade Gottes“
Bei seiner Begründung bezieht sich Heiner Koch auf die Apostolischen Schreiben „Amoris laetitia“ (2016) und „Evangelii gaudium“ (2013). So lehne der heilige Vater zwar die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe ab, räume den Ortskirchen und deren Seelsorgern aber „einen großen Spielraum für den Umgang mit Menschen in ‚irregulären Situationen‘“ ein.
Koch zitiert Papst Franziskus aus Amoris laetitia. Dort heißt es: „Es geht darum, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer ‚unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien‘ Barmherzigkeit empfindet.“
Darüber hinaus verweist der Erzbischof auf das Schreiben Evangelii gaudium. Dort heiße es: „Die Eucharistie ist [..] nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen.“ Dies gelte auch für alle anderen Sakramente, darunter die Ehe, sowie für Sakramentalien wie den Segen. Segnen, so Koch, bedeute nicht „legitimieren, gutheißen, absegnen“, sondern Gottes Zuspruch von Hilfe und Gnade – für „uns Menschen, die wir schwach sind und bleiben“.
Auch der zukünftige Präfekt der Glaubenskongregation Erzbischof Víctor Manuel Fernández, argumentiert Heiner Koch, habe sich offen für „Überlegungen zu einer Segnung“ gezeigt – wenn diese so gestaltet sei, dass sie keine „Verwirrung bezüglich des wesentlichen Unterschieds zur Ehe von Mann und Frau“ stifte, die „wegen der Differenz der Geschlechter in der Lage sei, neues Leben hervorzubringen“.
Gegenseitiger Respekt von Befürwortern und Gegnern gefordert
Wie unterschiedlich die Ansichten unter Katholiken – auch im Erzbistum Berlin – sind, dessen scheint sich Koch bewusst. Er schreibt: „Ich erwarte, dass die Entscheidung der Seelsorgerinnen und Seelsorger für oder gegen eine Segnung respektiert wird.“ Solche Segnungen sollten zudem „weder medial noch politisch genutzt“ werden. Der Erzbischof betonte, seine Handlungsanweisungen seien „ein pastoraler, kein verwaltungsmäßiger oder rechtlicher Weg“. Es gebe „Gründe für und gegen eine Segnung von Paaren, die sich lieben, aber nicht sakramental heiraten können oder wollen“. Deshalb gehe es darum, „in dieser Frage differenziert abzuwägen und verantwortlich zu entscheiden“.
Mit seiner Entscheidung zur Tolerierung geht der Berliner Erzbischof einen anderen Weg als der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Dieser hatte im Juli einen Pfarrer gemaßregelt, nachdem dieser einen „Segnungsgottesdienst für alle sich liebenden Paare“ abgehalten hatte.
Diözesanrat: „Paare, die sich lieben, haben nun Gewissheit“
Der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin begrüßt die Entscheidung des Erzbischofs. „Damit wird der Graubereich, in dem sich pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis jetzt befanden, die Segnungsfeiern durchführen, verlassen.“ Für eine Pastoral, die sich allen Menschen bedingungslos zuwenden und ihnen die befreiende Botschaft des Evangeliums vermitteln wolle, so das oberste Laiengremium im Bistum, sei dies eine wichtige Voraussetzung.
Gleichzeitig gebe die Entscheidung den Paaren, die um den kirchlichen Segen bitten wollen, Gewissheit darüber, dass eine Segensfeier möglich sei. Wichtig sei, dass die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für Segensfeiern offen sind, einfach erreicht und angesprochen werden könnten. Der Diözesanrat: „Die Übersicht des Erzbistums zu queer-sensibler Seelsorge und den zuständigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern in den Pfarreien ist dazu ein erster Schritt.“
Ansprechpartner für queer-sensible Seelsorge im Erzbistum: bit.ly/queerpastoral-erzbistum-berlin